Ein Plädoyer für das längere gemeinsame Lernen, individualisierten Unterricht und eine bessere Ausstattung.

Hamburg. Rückenwind für Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL): Die Bildungsexperten der Nordelbischen Kirche haben sich für die Schulreform und längeres gemeinsames Lernen ausgesprochen. "Gute Schulen lassen die jungen Menschen nach Möglichkeit bis zur zehnten Klasse zusammen, kennen bis dahin keine Noten und darum auch kein Sitzenbleiben und keine Abschulung", heißt es in einem Positionspapier des Pädagogisch-Theologischen Instituts (PTI) und der Evangelischen Akademie der Nordelbischen Kirche.

Mit dem Schulgesetz hat die schwarz-grüne Mehrheit in der Bürgerschaft am 7. Oktober das Sitzenbleiben und die Abschulung abgeschafft sowie das gemeinsame Lernen bis zum Ende von Klasse sechs beschlossen. Zwar wird die sechsjährige Primarschule, gegen die zurzeit ein Volksbegehren läuft, in dem Kirchenpapier nicht ausdrücklich erwähnt. Aber: "Wir sind für die Primarschule. Das ist ein Schritt auf dem richtigen Weg", sagt Jörg Herrmann, Leiter der Evangelischen Akademie, wie das PTI mit Sitz in Hamburg. "Schule braucht Veränderung, darin sind sich Lehrer, Schüler, Eltern, Politiker und Wissenschaftler einig."

Das Positionspapier, das einen Beitrag zu den Reformdiskussionen in Hamburg und Schleswig-Holstein leisten will, ist mit "Gute Schulen - Orientierungen aus evangelischer Sicht" überschrieben. Die Schule habe aus evangelischer Perspektive "nicht die Aufgabe auszuwählen, wer nach oben oder nach unten gehört". Ziel der Schule sei vielmehr "die Inklusion aller Kinder". Unter dem Prinzip der Inklusion (Einschluss), das weiter reicht als die Integration, wird der gemeinsame Unterricht aller ohne Wenn und Aber verstanden, auch der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Alle Lehrer sollen alle Kinder unterrichten können.

Der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich, zugleich Vorsitzender der Kirchenleitung in Kiel, begrüßt das Positionspapier. "Wir nehmen als Kirche eine große Bereitschaft in der Gesellschaft wahr, sich über die notwendige Veränderung der Schulen Gedanken zu machen", sagte Ulrich. Dazu leisteten die Bildungsexperten Nordelbiens einen wichtigen Beitrag.

Das Papier registriert "neben vielfältigen Belastungen des Systems Schule an vielen Orten auch Aufbruchsstimmung und Innovationslust". Ausdrücklich wird auf das Prinzip des individualisierten Unterrichts mit Blick auf die Schule der Zukunft hingewiesen. Gute Schule brauche außerdem Zeit, weil niemand ununterbrochen aufmerksam sein könne. "Die gebundene Ganztagsschule bietet in diesem Sinne die besten Möglichkeiten zur Rhythmisierung und Differenzierung", heißt es in dem Papier. "Mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Integration, mehr individuelle Förderung" sind laut PTI-Leiter Hans-Ulrich Keßler die Ziele einer guten Schule.

Neben der Fachkompetenz der Lehrer müsse auch für eine Verbesserung ihrer "Beziehungskompetenz" gesorgt werden. "Erst auf der Basis guter Beziehungen können die Lehrer Lernprozesse ermöglichen, die zur Aneignung von Kompetenz und Wissen führen", heißt es in dem Papier. Die Autoren betonen zugleich, dass die Schulen sehr gut ausgestattet und eingerichtet sein müssen, um die Ziele auch erreichen zu können. "Das Bildungssystem insgesamt und die Schulen im Besonderen brauchen erheblich bessere personelle und räumliche Ausstattungen, um den zukünftigen Anforderungen gerecht werden zu können", heißt es in dem Positionspapier.

Exakt 3681 Kinder (Stand: Oktober 2007) besuchen eine der allgemeinbildenden evangelischen Schulen in Hamburg. Dazu zählen die Wichern-Schule (kooperative Gesamtschule) in Horn und die Bugenhagenschulen mit Sitz in Alsterdorf.