Namen wecken Assoziationen. Auch bei Lehrern. Das ist nicht immer zum Vorteil des Kindes, denn mit einigen Vornamen sind Vorurteile verknüpft.

Hamburg. Wer als Junge Kevin heißt, hat später vielleicht Erfolg auf dem Fußballplatz. In der Schule aber müssen die kleinen Kevins dieses Landes gegen einen kaum besiegbaren Gegner ankämpfen: Vorurteile ihrer Lehrer, weil der Name Kevin vieles, aber nicht gerade schulische Klugheit assoziiert.

Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie der Uni Oldenburg, die jetzt veröffentlicht wurde. Die Erziehungswissenschaftlerin Astrid Richter und ihre Mitarbeiterin Julia Kube von der "Arbeitsstelle für Kinderforschung" hatten dazu Fragebögen ausgewertet, mit denen Grundschullehrerinnen nach ihren Assoziationen bei bestimmten Schüler-Vornamen befragt wurden. Knapp 3000 Lehrerinnen waren dazu anonym befragt worden, rund 500 Fragebögen seien schließlich detailliert ausgewertet worden. Ergebnis: Bestimmte Namen erzeugen eine bestimmte Erwartungshaltung.

Der Name Kevin wurde dabei besonders oft mit einem verhaltensauffälligen Kind verbunden. "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose", hatte eine der Befragten an den Rand des Fragebogens geschrieben. Für die Oldenburger Wissenschaftlerin zeugen solche Aussagen von mangelnder Distanz: "Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Pädagogen stärker für die Gefahr solcher Vorurteile zu sensibilisieren", sagt sie. Es müsse darum gehen, die "Konsequenzen zu verdeutlichen und eine vorurteilsfreie Erziehung zu unterstützen".

Möglichweise ist das tatsächlich vonnöten: Denn nach der Oldenburger Studie sind es längst nicht nur die Kevins, die an der Last ihres Namens zu tragen haben. Ähnlich geht es auch anderen: Chantal, Mandy, Angelina - bei solchen Vornamen ist das Urteil der Studie zufolge ebenfalls allzu schnell gefällt: Leistungsschwäche oder auffälliges Verhalten würde von den Lehrerinnen dann oft erwartet. Bei den Jungs sind es neben Kevin auch die Namen Justin oder Maurice, die solchen Makel tragen. Eine kleine Charlotte, eine Sophie oder Lukas, Jakob und Maximilian hätten indes mit solchen Vorurteilen nicht zu kämpfen. Solchen Namen würden eher mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Freundlichkeit oder Leistungsstärke verbunden.

Ob die Oldenburger Studie ein Allgemeinbild von der Situation an den Schulen abbilden kann, bezweifelt unterdessen die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). "Meine Erfahrung ist eine andere", sagt der Geschäftsführer der GEW Hamburg, Dirk Mescher. Gerade Hamburger Grundschulen hätten viel Erfahrung mit sehr unterschiedlich geprägten Klassen und Herkünften der Schüler. Mescher: "Da wird in der Regel eine sehr gute und integrative Arbeit gemacht."

Tatsächlich dürfte viel Professionalität dazu gehören, um sich von Namens-Vorurteilen zu lösen: Gerade seit es ab Mitte des 20. Jahrhundert viel seltener üblich ist, Kindern den Namen von nahen Verwandten zu geben, beobachten Forscher eine zunehmende Individualisierung in der Namensgebung. Auffällige Namen werden häufiger, nicht selten auch durch bestimmte Filme geprägt. Der Film "Kevin allein zu Haus" ist so ein Beispiel, die "Kevin-Kurve" auf der Namens-Beliebtheitsskala stieg danach steil an und fiel später wieder ab. Gerade sozial schwache Schichten neigten dazu, bei der Namensgebung für ihre Kinder auf berühmte Persönlichkeiten wie Filmstars zurückzugreifen, sagten die Oldenburger Forscher dem Elternportal von T-Online. In Wahrheit sage ein Vorname daher nichts über das Kind, sondern viel über die Eltern.

Zudem sind Vornamen auch immer bestimmten Moden geschuldet. Nach einer Untersuchung der Universität Pennsylvania aus dem Jahr 2006 ist die Kevin-Kurve eben ein recht typischer Verlauf. Danach haben gerade ausgesprochene Trendnamen nur eine kurze Verweildauer in der Hitliste der beliebtesten Vornamen. Je schneller sie in einer Gesellschaft auf der Liste hochkommen, desto schneller sind sie davon auch wieder herunter. Moden sind eben vergänglich - und Vorurteile hoffentlich auch.