Rentner wurden teilweise um ihr ganzes Erspartes gebracht. Die Hintermänner lebten mit dem Geld „in Saus und Braus“

Hamburg/Warschau. Die Betrüger hatten es auf das Geld älterer Menschen abgesehen – Hunderte fielen auf sie herein, auch viele Rentner in Hamburg. Jetzt ist den Hamburger Behörden in Kooperation mit ihren Kollegen aus Polen ein schwerer Schlag gegen die europaweit größte Bande von sogenannten „Enkeltrick“-Betrügern gelungen. Insgesamt wurden 14 Haftbefehle und 30 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. An der Aktion waren 170 deutsche und polnische Beamte beteiligt. In Hamburg führten die Staatsanwaltschaft und die Abteilung Organisierte Kriminalität (OK) die Ermittlungen. „Wir haben die Strukturen zerschlagen“, sagte die stellvertretende OK-Leiterin, Kathrin Hennings.

Nach eigenen Angaben konnten die Ermittler auch die Hintermänner der Betrügerbande fassen. Dabei handelt es sich um Angehörige einer südosteuropäischen Großfamilie, die von Polen aus agierte. Zwei der drei hauptverdächtigen Drahtzieher, darunter Boss Arkadiusz L. und sein Bruder Adam, wurden am Dienstag in Polen festgenommen.

Auf das Konto der Bande sollen 97 Fälle von gewerbsmäßigem Betrug gehen. Von den in Deutschland ermittelten 80 Betrugstaten spielten allein 30 in Hamburg. Zum Teil verloren die Opfer ihr gesamtes Erspartes. In einem Fall erbeuteten die Täter von einem Hamburger Rentner mehr als 100.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden mit fast einer Million Euro und 700.000 Schweizer Franken. „Inzwischen richten sich die Ermittlungen gegen 48 Beschuldigte im Alter von 16 bis 63 Jahren“, sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Unter anderem brachten Telefonüberwachungen die Ermittler auf die Spur der Hintermänner.

Arkadiusz L. gilt als Erfinder des „Enkeltrick“-Betrugs. Die Masche ging so: Die perfekt Deutsch sprechenden Täter durchkämmten deutsche Telefonbücher nach „alt“ klingenden Vornamen und riefen von Polen aus bei den betagten Opfern an. Am Telefon gaben sie sich als Angehörige aus, täuschten eine finanzielle Notlage vor und baten ihre zwischen 55 und 99 Jahre alten Opfer um Bargeld, Wertsachen oder Schmuck. Die sogenannten „Keiler“ kontaktierten dann die „Logistiker“, die die „Abholer“ zu den Adressen der Opfer lotsten. Nach erfolgreichem Betrug wurde das Geld zu den Hintermännern nach Polen gebracht. Insgesamt 35 „Abholer“ waren bereits während des Ermittlungsverfahrens festgenommen worden. Dabei konnten 350.000 Euro Bargeld sichergestellt und den Opfern zurückgegeben werden.

Die Führungsebene habe mit dem ergaunerten Geld ein „Leben in Saus und Braus“ geführt, so die Ermittler. Bei den Durchsuchungen in polnischen und deutschen Städten stellten die Beamten Schmuck, Bargeld und zahlreiche Luxusautos sicher. Der feudale Lebensstil des Paten erfülle „alle Klischees über Bosse von mafiösen Banden“, sagte Hennings.

Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, forderte, den Ermittlungsdruck gegen die Enkeltrick-Mafia aufrechtzuerhalten. Die durch die Verhaftungen entstandenen Lücken würden schnell von anderen Familienmitgliedern gefüllt.