Busfahrer ging in seiner Harburger Wohnung mit Messer auf Beamte los. Die drei kleinen Kinder hörten alles mit an. Der Mann schwebt in Lebensgefahr

Harburg. Mit gezielten Schüssen haben Polizisten am Mittwochmorgen an der Würffelstraße einen Mann niedergeschossen, der mit einem Messer auf die Beamten losgegangen war. Der 44-Jährige hatte kurz zuvor seine Frau, 28, niedergestochen und sie so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus starb. Die drei kleinen Kinder der Familie hörten das Ehedrama in dem Harburger Mehrfamilienhaus mit an.

Um 9.30 Uhr hatten Nachbarn des Ehepaares wegen eines lautstarken Streits die Polizei gerufen. Die Beamten entdeckten den zehn Jahre alten Sohn der Familie im Treppenhaus. Halb nackt und verstört war das Kind aus der Wohnung geflüchtet. Dort, so berichtete er den Beamten, seien noch die verletzte Mutter, der Vater und auch seine zwei und neun Jahre alten Schwestern.

Die Beamten ließen die Tür von der Feuerwehr öffnen. Dahinter entdeckten sie die niedergestochene Frau. Plötzlich stürmte der mit einem langen Küchenmesser bewaffnete Mann auf die Beamten zu. Die Polizisten zogen ihre Pistolen und schossen mehrmals auf den Angreifer.

„Ich saß gerade vor dem Fernseher, als ich drei Schüsse hörte“, sagte ein Nachbar. „Ich habe dann die Wohnungstür geöffnet, gesehen, was passiert war, und bin gleich in meine Wohnung zurück.“ Die Notärzte und Rettungsassistenten versuchten, die durch mehrere Messerstiche verletzte Joselyn P. in der Wohnung wiederzubeleben.

Gleichzeitig kämpften sie um das Leben von Vicente P., der in den Bauch getroffen worden sein soll. Er wurde als Erster aus dem Haus gebracht und anschließend in Begleitung eines Notarztes ins Krankenhaus Harburg gefahren.

Später brachten die Feuerwehrleute Joselyn P. aus dem Haus. Sie kam ins Krankenhaus St. Georg. Dort erlag sie trotz einer sofortigen Notoperation ihren schweren Verletzungen. Die Beamten holten die beiden kleinen Mädchen erst aus dem Haus, als die Rettungskräfte ihre Arbeit beendet hatten.

Die Kinder werden jetzt von den Notfallseelsorgern betreut. Die beiden Mädchen und deren Bruder sind körperlich allem Anschein nach unverletzt. Alle drei hatten die Tat selbst vermutlich nicht mitbekommen, aber mit angehört. „Die Kinder waren nach unseren Erkenntnissen zum Tatzeitpunkt in einem anderen Zimmer gewesen“, sagt Hauptkommissar Holger Vehren.

Bei den Nachbarn galt das Ehepaar als „nett und unauffällig“. Der Mann und die Frau aus der Dominikanischen Republik waren schon seit Jahren in Deutschland. Die Kinder wurden hier geboren. Vicente P. arbeitete als Busfahrer. Wegen Straftaten war der Mann bis zum Mittwoch nicht aufgefallen. Auch Einsätze wegen häuslicher Gewalt gab es laut Polizei im Zusammenhang mit dem Ehepaar nicht. Vermutlich hatte es aber in der Ehe gekriselt. Die 28-Jährige, so hieß es, wollte sich von ihrem 16 Jahre älteren Mann trennen. Das wird als mögliches Motiv für die blutige Tat gesehen. Vicente P. konnte bislang nicht befragt werden. Wann und ob die Ermittler der Mordkommission ihn vernehmen können, ist nicht absehbar. Am Mittwochnachmittag hieß es, dass der Mann nach einer Notoperation weiter in Lebensgefahr schwebt.

Mehrere Stunden lang waren die Kripobeamten in dem abgesperrten Haus und sicherten Spuren. Dabei geht es nicht nur um die Rekonstruktion der tödlichen Messerstiche, sondern auch um die Schussabgabe durch die Polizei.

Die Staatsanwaltschaft führt dabei im Fall der Beamten ein Vorermittlungsverfahren durch. Damit gelten die Polizisten nicht als Beschuldigte. Das ist eine Standardprozedur, die bei einem Schusswaffengebrauch durch Polizisten, bei dem es Verletzte gab, in jedem Fall vorgenommen wird. Nur wenn keine Notwehrsituation vorgelegen hat, kommt es zu einem förmlichen Verfahren gegen die Polizisten. Unabhängig davon werden die Beamten aus „fürsorgerischen Gründen“ aber bis auf Weiteres aus dem Dienst genommen.

Am Mittwochabend versammelten sich etwa 20 Freundinnen und Freunde der getöteten Ehefrau vor dem Haus. Viele weinten und formierten mehrere Kerzen zu einem Herz. Ihre Freundinnen beschrieben Joselyn P. als lebensfrohe Frau und den Umgang des Ehepaars als „liebevoll“. Es habe keine Anzeichen für eine derartige Tat gegeben.

Zu Schusswaffeneinsätzen durch Polizisten kommt es immer wieder. Im Mai 2013 schossen Polizisten an der Hein-Hoyer-Straße (St. Pauli) auf einen 48-Jährigen, der mit einer Waffe gedroht hatte. Er überlebte. Im Dezember 2009 hatte ein Polizist einen psychisch kranken Randalierer in Ohlsdorf erschossen, der mit einem Messer auf die Beamten losgegangen war. Zu einem langen Verfahren führte ein Fall, der sich Heiligabend 2002 auf der Uhlenhorst ereignet hatte. Dort erschoss ein Polizist einen flüchtenden Einbrecher. 2008 wurde der Beamte wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.