Eltern von Jugendlichen aus dem Viertel wollen sich heute mit der Polizei zusammensetzen. Für neue Ausschreitungen waren offenbar extra Nachahmer angereist.

Altona-Altstadt. Seit Monaten hatten Jugendliche durch Straftaten für verstärkte Polizeipräsenz im Bereich der Holstenstraße/Max-Brauer-Allee gesorgt. Nach den Großeinsätzen der vergangenen Tage wollen sich an diesem Montag deren Eltern und die Polizei an einen Tisch setzen. Die Situation war in der Nacht zum Freitag bei der Überprüfung einer Gruppe junger Männer eskaliert und hatte zu krawallartigen Auseinandersetzungen geführt. Auch am Wochenende kam es zu Ausschreitungen. Laut Polizei wurden diese aber von ortsfremden „Krawalltouristen“ ausgelöst.

Brennende Autos, Steinwürfe auf Polizisten: In der Nacht zum Sonnabend schien wahr zu werden, was in der Nacht zuvor von jungen Männern aus dem Viertel angekündigt worden war. Es gab erneut Krawall an der Holstenstraße.

Doch diesmal waren es nicht die Jugendlichen und jungen Männer, die die Polizei schon seit Mai vergangenen Jahres im Visier hat. Sie waren später in der Nacht, als es zu Brandstiftungen kam, offenbar nicht auf der Straße. „Es hat ein Gespräch zwischen einem Polizeiführer und mehreren Vätern gegeben“, sagt Hauptkommissar Holger Vehren. Die Väter haben offenbar großen Einfluss auf ihre Söhne. Minuten später waren die „problematischen“ Jugendlichen aus der Gegend von der Straße verschwunden. Diese Erkenntnis hatte die Polizei auch von Beamten, die in Zivil als „Aufklärer“ unterwegs waren. Jetzt hofft die Polizei, dass die Gespräche am Montag zur Beruhigung in dem Viertel beitragen. „Es wird dabei deutlich gemacht werden, dass seitens der Polizei Straftaten nicht geduldet und konsequent verfolgt werden“, sagt Vehren.

Autos in Brand gesetzt

Auch in der Nacht zu Sonnabend sollen bis zu 150 Menschen, die aber nicht aus dem Viertel selbst gekommen sein sollen, Polizeieinsätze provoziert haben. Gegen 23 Uhr beschwerten sich Anwohner vermehrt über gezündete Böller und Schüsse aus Gaspistolen, die immer wieder aus Hinterhöfen zu hören waren. Gegen 23.30 Uhr stand dann an der Karl-Wolff-Straße ein Smart in Flammen. Es war ein Fahrzeug der Flotte von Car2Go“, das von Brandstiftern angezündet wurde.

Das Feuer griff auch auf einen davor geparkten Dacia über, bevor es Beamte der Feuerwehr löschten. Um kurz vor 2 Uhr war es dann ein Kia, der brannte – ebenfalls ein Leihwagen. Als diesmal eine Streifenwagenbesatzung das Feuer löschen wollte, prasselten Steine auf sie nieder. Die Beamten mussten in ihren Wagen flüchten. Erst ein größeres Polizeiaufgebot bekam die Lage unter Kontrolle. Dabei konnte auch einer der Steinewerfer festgenommen werden. Es ist ein 21 Jahre alter Ungar, der in Deutschland keinen festen Wohnsitz hat. Wie ihn stuft die Polizei die beteiligten Steinewerfer aus der Nacht als „Krawalltouristen“ ein, die – wie bei früheren Auseinandersetzungen nach dem Schanzenfest – nur gekommen waren, um sich an den Ausschreitungen zu beteiligen.

Mit erhöhter Präsenz habe sich die Polizei deshalb auf weitere Gewalt in der Nacht zum Sonntag vorbereitet – doch die sei „deutlich ruhiger gewesen“, sagte ein Polizeisprecher. Bis auf zwei leicht beschädigte Streifenwagen sei es zu keinen größeren Vorkommnissen zwischen Beamten und den rund 80 versammelten Menschen gekommen – wenngleich auch Böller und Feuerwerkskörper gezündet und diese auf Polizisten geworfen worden seien, sagte der Sprecher.

Polizei dient als Feindbild

Ob die Situation im Viertel besser wird, ist offen, denn die Polizei ist dort bei vielen Jugendlichen Feindbild. Shirts und Mützen mit Abkürzungen wie „A.C.A.B.“, was für „All Cops are Bastards“ steht oder „FCK CPS“ (steht für „Fuck Cops“) werden demonstrativ getragen. Gleichzeitig beklagen Jugendliche die Polizeipräsenz und den in ihren Augen nicht zimperlichen Umgang. Die Präsenz war mit Schwerpunkteinsätzen in dem Viertel verstärkt worden, nachdem es vermehrt zu Überfällen auf angetrunkene Kiezgänger und zu anderen Straftaten gekommen war. Die Drahtzieher wurden von der Polizei schnell identifiziert. Der Kern der Gruppe, die in wechselnder Beteiligung für Straftaten verantwortlich gemacht wird, wird auf zehn Personen im Alter von 16 bis 24 Jahren geschätzt. Das Umfeld von ihnen beziffert die Polizei auf rund 30 Personen.

Als in der Nacht zum Freitag laut Polizei Autofahrer und Beamte mit einem Laserpointer geblendet und dann 16 Jugendliche festgenommen worden waren, eskalierte die Situation erstmals. Anwohner wollten Festgenommene befreien. Am Ende sah sich die Polizei 150 wütenden Menschen gegenüber. „Bei solchen jungen Männern besteht oft eine Unzufriedenheit darüber, dass sie in einer Umgebung leben, in der andere die Normen und Werte bestimmen. Die Polizei ist bei solchen Gruppen oft Feindbild, weil sie als Machtinstrument der anderen gilt“, sagt der Kriminologe Wolf Kemper von der Leuphana Universität Lüneburg. „Ein oft nichtiger Anlass gibt den Grund, um latente Aggression zu entladen.“