Das Autonome Zentrum soll für Besucher geschlossen bleiben. Innensenator Christoph Ahlhaus fordert einen “Aufstand der Anständigen“.

Hamburg. In Hamburgs linker Szene entwickelt sich offenbar ein Richtungsstreit. Eine Personalie sowie politische und körperliche Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern verschiedener linker Gruppen haben dazu geführt, dass die Türen der Roten Flora, des traditionellen Zentrums des autonomen Spektrums, am 1. Mai für Besucher geschlossen bleiben - ein Novum in der 21-jährigen Flora-Geschichte.

Und möglicherweise ein Indiz dafür, dass sich die Auseinandersetzungen mit der Polizei, die es an diesem Tag seit Jahren gibt, in diesem Jahr überschaubarer gestalten könnten. Ein positives Signal, findet Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU): "Alles, was dazu beiträgt, dass das 1.-Mai-Wochenende möglichst ruhig verläuft, begrüße ich ausdrücklich", so der Senator. Und: "Ich appelliere an all diejenigen, die sich üblicherweise nicht an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligen, sich auch am kommenden Wochenende von Krawallmachern fernzuhalten."

Ganz ohne Krawalle, das gilt bei der Polizei als sicher, wird wohl aber auch der 1. Mai 2010 nicht über die Bühne gehen. Voraussichtlich morgen, so heißt es aus Polizeikreisen, wird das Landeskriminalamt (LKA) eine interne Gefahreneinschätzung abgeben.

Ahlhaus warnt davor, Krawalle schon im Vorfeld heraufzubeschwören: "Seriös ist noch nicht vorherzusagen, ob wir in Hamburg ein vergleichsweise ruhiges 1.-Mai-Wochenende haben werden oder nicht." In jedem Fall, so der Senator, werde er dafür sorgen, dass die Polizei auf Krawallmacher gut vorbereitet sei. Die Präsenz eines Großaufgebotes ist gewiss. Ahlhaus teilt die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Hamburger Abendblatt geäußerte Meinung, Teile der Gesellschaft distanzierten sich zu wenig von linker Gewalt. "Der Bundesinnenminister hat ganz Recht: Es muss demokratischer Konsens sein, dass auch linke Gewalt durch nichts und niemanden gerechtfertigt werden darf", sagt Ahlhaus. "Nach derart brutalen Überfällen wie jenem auf das Polizeikommissariat 16 an der Lerchenstraße habe ich den 'Aufstand der Anständigen' vermisst."

Auch nach den Mai-Krawallen in Berlin im vergangenen Jahr mit fast 500 zum Teil schwer verletzten Polizeibeamten sei die Gesellschaft allzu schnell zur Tagesordnung übergegangen, findet Ahlhaus. Vor diesem Hintergrund erhofft sich Ahlhaus auch von der Linksfraktion im Rathaus eine deutlichere Distanzierung zum links-autonomen Spektrum. Der Rechtsstaat behalte die demokratiefeindlichen Bezüge der Partei, wie beispielsweise die Kommunistische Plattform, weiterhin im Auge. Auf eine Solidaritätsbekundung der Roten Flora hofft der Senator gewiss nicht. Doch interne Auseinandersetzungen in der Szene könnten Innenbehörde und Polizei in die Karten spielen. Der Zwist entzündet sich vor allem an einer Gruppierung mit Namen "Sozialistische Linke" (Sol), die sich regelmäßig in einem zeitweise besetzten Haus an der Brigittenstraße trifft, und zu den Organisatoren der bereits angemeldeten Mai-Demo unter dem Titel "Kapitalismus zerschlagen" zählt.

SoL-Aktivisten sollen, so begründen die Flora-Aktivisten ihre Absage, im Vorfeld einer Vorführung des Claude Lanzmann-Films "Warum Israel" am 19. November 2009 Gewalt gegen Besucher angewendet und sich antisemitisch geäußert haben (wir berichteten).

In einem Schreiben der Flora heißt es: "Vor dem Hintergrund der Ereignisse im Herbst des vergangenen Jahres und in Ermangelung jeglicher Selbstkritik gibt es für uns keine Zusammenarbeit mehr mit dieser Gruppe." Gewalt innerhalb der linken Szene und Antisemitismus wolle man eine konsequente Absage erteilen. Selbstkritisch zeigt sich die Rote Flora im Bezug auf den Zeitpunkt des Ausstiegs aus dem Bündnis der Demo-Veranstalter. Die notwendigen politischen Auseinandersetzungen seien nicht rechtzeitig geführt worden, heißt es in einer Stellungnahme. Die geplanten Soli-Veranstaltungen werde man deshalb trotz der Schließung durchführen. Auf ihrer Internetseite distanzieren sich die Mitglieder der SoL gemeinsam mit weiteren Initiativen aus dem Haus Brigittenstraße 5 von dem ihnen vorgeworfenen Antisemitismus. Das sei "Hetze", heißt es in der auf der SoL-Homepage veröffentlichten Erklärung.