Die Gewaltspirale drehe sich in der Hansestadt weiter, kritisiert die SPD. Die Polizeipräsenz dürfe rund um die Reeperbahn nicht nachlassen.

Hamburg. Das Erfreuliche vorweg: Bis auf wenige Ausnahmen ist die Straßengewalt in den 17 Stadtteilen des Bezirks Harburg weitgehend gesunken, teils sogar um 100 Prozent. Insbesondere die Bewohner von Cranz und Moorburg, wo die Polizei von Januar bis Juni vergangenen Jahres noch elf beziehungsweise zehn Fälle schwerer und gefährlicher Körperverletzungen registrierte, dürften sich mit keinem einzigen ähnlichen Fall im gleichen Zeitraum dieses Jahres in relativer Sicherheit wiegen.

Anders hingegen der Blick über die Elbe: Wie die Antwort auf eine Senats-Anfrage des SPD-Innenexperten Andreas Dressel aufzeigt, ist die Zahl der vollendeten oder versuchten schweren und gefährlichen Körperverletzungen in allen anderen sechs Bezirken im Vergleich der ersten Halbjahre 2008 und 2009 gestiegen - im gesamten Stadtgebiet sogar um 9,1 Prozent (wir berichteten). Die dem Abendblatt vorliegende Auswertung der einzelnen Stadtteile zeigt auf: Traurige Spitzenreiter sind St. Pauli und St. Georg, die - wie bereits in den vergangenen Jahren - mit den meisten und zudem weiter gestiegenen Fällen aufwarten.

Dies ist umso erstaunlicher, als allein die Zahl der vollendeten schweren Körperdelikte im gesamten Bezirk Mitte nur um 3,1 Prozent gestiegen ist, auf St. Pauli aber um 28,1 Prozent (82 Fälle) auf 374 Körperverletzungsdelikte. St. Georg steht mit insgesamt 128 vollendeten Fällen (ein Plus on 5,8 Prozent) nicht besser da. "Dass es trotz des Maßnahmenbündels immer noch eine Steigerung von fast 20 Prozent gibt, zeigt, dass man trotz Videoüberwachung in Sachen Polizeipräsenz nicht nachlassen darf", erklärte Innenexperte Dressel. "Ein paar medienwirksame Schwerpunkteinsätze reichen nicht, in den Wochenendnächten muss die hohe Personalstärke vor Ort gehalten werden. Leider habe ich Zweifel, dass der Innensenator das trotz Personalabbau noch bewerkstelligen kann."

Weitere Brennpunkte sind die Sternschanze (Bezirk Altona) mit einem Plus von 48 auf jetzt 61 schwere Körperdeliktsfälle zwischen Januar und Ende Juni dieses Jahres. Gestiegen ist die Straßengewalt auch in Lurup (elf Fälle mehr) und Osdorf (plus 17). Im Bezirk Bergedorf wurden insbesondere im gleichnamigen Stadtteil wieder mehr schwere Körperverletzungen angezeigt (von 37 auf 45 erfasste Fälle). Ungewöhnlich ist dazu eine Verdopplung der Straßengewalt in Winterhude (18 auf 36 vollendete Fälle).

"Die mit Ausnahme von Harburg in allen Bezirken festzustellenden Fallsteigerungen sind für das Sicherheitsempfinden der Menschen sehr beunruhigend und sie sind kein Ruhmesblatt für den Senat, der den Menschen versprochen hat, die Gewaltentwicklung zurückzudrängen", sagte Innenexperte Dressel. Die Zahlen aus den Bezirken zeigten, dass die Straßengewalt nicht nur ein Kiezproblem sei, sondern sich die Gewaltspirale auch in anderen Bereichen der Stadt weiterdrehe. "Die immer noch ausstehende Ausdehnung der Waffenverbotszonen und die Weiterentwicklung der Senatskonzeption gegen Jugendgewalt gehörten nach diesen Zahlen einmal mehr auf die politische Agenda", forderte Dressel.

Es gibt aber auch positive Ausreißer: Billbrook etwa überrascht mit einem Minus von 98 Prozent. Im ersten Halbjahr 2009 registrierte die Polizei nur einen einzigen Fall schwerer Körperverletzung. 2008 waren es im gleichen Zeitraum noch 52 Fälle. Die Polizei will sich nicht zu den Stadtteilzahlen äußern. "Wir kommentieren keine wöchentlichen Wasserstandsmeldungen", sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin mit Hinweis auf die Aussagekraft von unterjährigen Statistiken. Allerdings hatte Polizeipräsident Werner Jantosch in der vergangenen Woche versucht, einige Entwicklungen zu kommentieren. So gehe der Anstieg der Straßengewalt in Osdorf und Lurup auf das Konto einiger Jugendgangs. Die gestiegene Zahl der Körperverletzungen in der Sternschanze seien auf die Krawalle rund um den 1. Mai zurückzuführen.