Hanns-Stephan Haas führt die Evangelische Stiftung Alsterdorf. Der fünffache Vater entspannt beim Musizieren und Bücherschreiben

Alsterdorf. Freundlich, aber zurückhaltend sitzt er in seinem einladenden Büro am Alsterdorfer Markt. Wie der Vorstandsvorsitzende eines großen Unternehmens wirkt Hanns-Stephan Haas auf den ersten Blick nicht. Kein Wunder, schließlich ist er auch alles andere als ein klassischer Firmenlenker. Der Chef der Evangelischen Stiftung Alsterdorf ist nämlich in erster Linie Theologe. Zu dem verantwortungsvollen Posten in Hamburg kam er eher über Umwege.

Von diesen beginnt Haas zu erzählen, von seiner Ausbildung, seinem beruflichen Werdegang. Und schon nach wenigen Worten wird klar: Der sympathische Mann mit den kurzen, etwas angegrauten Haaren sitzt auf dem Posten nicht zufällig. Zielstrebig klingen seine Ausführungen, klar und sehr strukturiert. Keine Ausschweifungen, keine langen Geschichten.

„Wir können Sie nehmen, weil Sie Pastor sind, aber wir nehmen Sie, weil Sie Manager sind“, so sei die Begründung seiner Berufung vor knapp sieben Jahren ausgefallen. Damit scheint zu seinen Fähigkeiten eigentlich alles gesagt.

Dabei begann der Aufstieg des gebürtigen Mülheimers mit dem tiefen Wunsch, Gemeindepfarrer zu werden. Haas studierte Theologie und Skandinavistik, übernahm nach dem Ende des Studiums eine Gemeinde in der Nähe von Bonn. Fünf Jahre lang arbeitete er dort als Geistlicher. Doch irgendwann schien dies dem ehrgeizigen Mann nicht mehr gereicht zu haben. 1990 promovierte Haas und wurde einige Zeit später Dozent an der evangelischen Fachhochschule in Hannover. Damit verließ er endgültig den Weg des klassischen Gemeindepfarrers. Es folgten Stationen in Berlin, unter anderem als Leiter der Bundesakademie für Kirche und Diakonie. Um diese umfangreichen Führungsaufgaben bewältigen zu können, bedurfte es einer weiteren Ausbildung. Denn Haas schloss seinem theologischen Studium ein betriebswirtschaftliches an, absolvierte im schweizerischen St. Gallen seinen MBA (Master of Business Administration). Seit 2008 führt er die Stiftung Alsterdorf, arbeitet aber weiter auch als Dozent.

„Meine Frau kommt aus dem Norden, und Hamburg ist eine gute Wahl“, sagt der 55-Jährige über den Wechsel in die Hansestadt. „Früher war ich Berufspendler. Heute arbeite und lebe ich mit meiner Familie in einer Stadt, das ist natürlich viel schöner.“ Schnell sei auch er, der gebürtige Ruhrpottler, hier angekommen, fühle sich ausgesprochen wohl in Hamburg. „Allein die Arbeitseinstellung ist wunderbar“, so Haas. „Hier zählt ein Wort, ein Handschlag. Die kaufmännische Verlässlichkeit wird jeden Tag gelebt.“ Das sei eine tolle Basis für seine Aufgaben. „Außerdem sind die Hamburger sehr engagiert und immer bereit zu helfen. Und viele können es hier einfach auch, denn Hamburg ist eine wohlhabende Stadt.“

Auch die hanseatische Einstellung zu Menschen mit Behinderungen gefällt Haas gut. „Selbstbestimmung hat einen hohen Stellenwert.“ Außerdem seien Hamburger weltoffen und zukunftsorientiert. „Für unsere Arbeit ist das eine gute Voraussetzung, denn wir setzen viele innovative Sozialprojekte um. Die offene Mentalität in Hamburg hilft da sehr.“ So würden viele andere Bundesländer bewundernd, wenn nicht sogar neidisch auf die Hansestadt und deren fortschrittlichen Umgang blicken. „Unsere Arbeit für die soziale Entwicklung von Quartieren gilt in ganz Deutschland und über die Grenzen hinweg als vorbildlich.“

Auch deshalb liebt Haas seine Aufgabe. „Ich habe hier die Chance, wunderbare Projekte zu begleiten“, sagt er. Der besondere Reiz, der diesen Job von allen anderen unterscheidet: „Hier werden Zahlen von Inhalten aus gedacht.“ Hinzu komme die wirkliche Sinnhaftigkeit seiner täglichen Arbeit. „Die Gesellschaft verändert sich, immer mehr Menschen brauchen Unterstützung. Gleichzeitig steigt die Zahl derjenigen, die andere unterstützen möchten. Wir erarbeiten gemeinsam mit der Stadt daher neue Konzepte, die weit in die Zukunft hineinreichen. Damit gestaltet die Stiftung den Sozialstaat mit, was ungeheuer spannend ist.“

Die Stiftung Alsterdorf ist ein riesiges Unternehmen. Rund 250 Millionen Euro Jahresumsatz verwaltet Haas mit seinen Kollegen. Die einzelnen Aufgaben lassen sich in drei Unterbereiche aufteilen: Da sind zum einen die Menschen mit Behinderungen, die hier arbeiten, wohnen und begleitet werden; dazu kommen Gesundheitsaufgaben, wie der Betrieb der Krankenhäuser – und auch in der Bildung ist die Stiftung engagiert, betreibt Schulen und Kitas. 6300 Mitarbeiter sind hier insgesamt beschäftigt. Dazu gehören auch die Menschen mit Behinderungen, die in den Werkstätten arbeiten. Rund 180 Standorte gibt es in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Auch wenn die Finanzierung der meisten Einrichtungen durch die Stiftung und öffentliches Geld gesichert ist, sind Haas und dessen Kollegen auf Spenden angewiesen. „Neue besondere Projekte können wir nur mit Hilfe von Spendengeld umsetzen.“ Dazu gehöre beispielsweise die Unterstützung der Familien von Menschen mit Behinderungen. Oder neue Sozialraumprojekte, die dem Vorstandsvorsitzenden sehr am Herzen liegen.

Wenn man Haas eine Weile lauscht, wird schnell klar: Der Tag des Stiftungs-chefs ist genau durchgetaktet, prall gefüllt mit Terminen. Und doch findet er genug Zeit, wie er sagt, für seine Familie. Fünffacher Vater ist er. Zwei seiner Kinder aus erster Ehe sind mittlerweile erwachsen und leben nicht mehr zu Hause. Mit den anderen dreien und seiner Frau gibt es feste Rituale. Einen Fernseher hat die Familie nicht. So wird etwa alle zwei Wochen gemeinsam ein Film angeschaut. Dazu kommt die Liebe zur Musik. Jedes seiner Kinder spielt ein anderes Instrument: Klavier, Querflöte oder Geige. Nicht selten wird zu Hause dann gemeinsam musiziert. „Mittlerweile komme ich mit meinen eher schlichten Gitarrenkenntnissen gegen meine Kinder gar nicht mehr an“, sagt er. Und dann ist da noch der Familienhund Ganya, um den sich alle kümmern.

Haas hat allerdings auch noch ein eigenes kleines Hobby. Der Vorstandsvorsitzende schreibt nebenbei Bücher. Viel Fachliteratur, aber auch Unterhaltendes. Gerade ist ein Krimi fertig geworden. Für den sucht der Hamburger jetzt nur noch einen Verlag. Das ist gar nicht so leicht, denn Haas möchte, dass ein Teil der Einnahmen für die Stiftung verwendet wird. „Aber da werde ich auch noch eine Lösung finden“, sagte er und lacht.