Jacques Lemercier vom Le Plat du Jour feiert seinen 80. Geburtstag. Schon 1975 erhielt er einen Michelin-Stern für die L’Auberge francais.

Altstadt. Jacques Lemercier kam – wie sollte es bei einem Franzosen anders sein – der Liebe wegen nach Hamburg. Aus Liebe zu seiner Frau Ursula Kluxen, einer Hamburgerin, die er in Paris kennengelernt hatte. Und aus Liebe zur Haute Cuisine. „Ich habe oft die Familie meiner Frau in Hamburg besucht. Irgendwann schlug mir der Bruder meiner Frau vor, doch ein französisches Restaurant zu eröffnen. Er sagte: ‚Es gibt hier einfach nichts, Jacques. Komm nach Hamburg!‘“ Und Jacques kam. Das war 1972.

Französische Lebensmittel suchte man damals vergeblich in der Hansestadt. Und so kaufte der Mann, der zuvor schon in Paris und Cannes Restaurants betrieben hatte, auch weiterhin in seiner Heimat ein, mit einem kleinen Lastwagen. Darin Langusten, Keniabohnen, Gewürze. Im April 1973 eröffnete er die L’Auberge francais an der Rutschbahn. „Aber in den ersten Monaten kamen überhaupt keine Gäste, ich wollte schon wieder aufgeben.“

Doch dann kam ein Gast, dem Lemercier bis heute dafür dankbar ist: Die mittlerweile verstorbene Opernsängerin Anneliese Rothenberger speiste in der Auberge, das Hamburger Abendblatt berichtete darüber, druckte die Adresse des Restaurants ab, „und von da an ging es bergauf“, sagt Lemercier. Es kamen viele weitere prominente Gäste, darunter Frankreichs einstiger Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing, Leonard Bernstein, das Ehepaar Horowitz. Placido Domingo machte das Restaurant zu „seiner Kantine“. 1975 gab’s sogar einen Michelin-Stern für die gehobene Küche. Da kam in Hamburg gerade die französische Küche in Mode, etwa im Atlantic-Grill oder im Fontenay-Grill des Hotels Interconti.

Der „Spiegel“ stellte 1978 in einem Artikel überrascht fest, dass sich die Hansestadt – bis dahin gastronomisch das „Schlusslicht der Republik“ – zum „neuen Wallfahrtsziel für Restaurant-Touristen“ mauserte. Dank Josef Viehhauser im Le Canard, Armin Scherrer im Landhaus Scherrer – und dank Jacques Lemercier in der L’Auberge francais. Scherrer, der zu der Zeit an der Elbchaussee schon mehrgängige Menüs „nach Saison und Tageseinkauf“ anbot, lobte in einem Interview: „Wir haben Jacques Lemercier viel zu verdanken. Er hat der französischen Küche in Hamburg den Weg geebnet.“

Es sei eine tolle Zeit gewesen, der Michelin-Stern eine Sensation. Für seine besonders frischen Froschschenkel, die er extra aus Lyon orderte, gab es eine lange Warteliste unter den Gästen. Das Lokal war hip, Reservierung dringendst empfohlen, und die Preise stiegen. „Aber ich war immer unruhig, wollte stets den Ansprüchen genügen“, sagt der Patron. „Die Zeit war reif für ein Bistro.“ Er überließ das Sterne-Lokal seinem Oberkellner und eröffnete im November 1993 im Dornbusch in der Altstadt das Le Plat du Jour. „Gute Küche, aber einfach“ – so lautete das neue Credo, das ihm viel Druck genommen und die Möglichkeit gab, seiner persönlichen Politik zu folgen, nämlich 100 Prozent für die Gäste da zu sein.

Liebenswürdig, nie unterwürfig, streng, wenn es um Qualität und Handwerk geht. So führt Lemercier seit nunmehr mehr als 20 Jahren die Geschicke des kleinen Stücks Frankreich mitten in Hamburg. An seiner Seite: Ehefrau Ursula Kluxen-Lemercier, mit der er seit mehr als 50 Jahren verheiratet ist.

Am Mittwoch ist der gebürtige Normanne 80 Jahre alt geworden. Er ist ein bisschen gesundheitlich angeschlagen, deshalb hat ihm sein Arzt geraten, etwas kürzer zu treten. Und so führt nun Sohn Nicolas die Geschäfte, während der Senior im Hintergrund organisiert. Auch das Administrative bringe ihm viel Spaß, so Lemercier. Sein langjähriger Kollege im Le Plat du Jour, Franck Mouchotte, sagt über ihn: „Er weiß immer Rat. Und er hat auch stets das letzte Wort!“ Auch, wenn Jacques Lemercier mittlerweile weniger in seinem Hamburger Bistro und mehr in Saint-Michel-l’Observatoire in der Provence weilt, ist seine natürliche Autorität spürbar.

Am Sonnabend will der Pionier der Nouvelle Cuisine dort seinen Geburtstag feiern. Bei einem guten Essen in einem kleinen Restaurant in den Bergen des Lubéron. Es wird Lamm geben, gefülltes Gemüse, Ziegenkäse, provenzalischen Fisch – aber keine Froschschenkel.