Die Nacht der Legenden ist der Saisonhöhepunkt - doch der Macher Reinhold Beckmann lehnt bisher alle Anfragen von Fernsehsendern ab.

Hamburg. Das elegante schwarze Jackett fliegt schon weit vor der Pause achtlos auf einen Stuhl. Gastgeber Reinhold Beckmann krempelt die Ärmel seines weißen Hemdes hoch, applaudiert völlig losgelöst, während Sitznachbar Wladimir Klitschko mit seinen Pranken vergebens den Mitklatschtakt sucht. Vorn auf der Bühne drückt gerade Soulbarde Stefan Gwildis der Songpoetin Pe Werner das Mikro für den nächsten Song in die Hand, die - na klar - ihr "Kribbeln im Bauch" besingt. Die sehr blonde Fußballergattin Claudia Effenberg amüsiert sich königlich mit ihrem Stefan, Ex-Nationalspieler Fredi Bobic kriegt sich ein paar Tische weiter vor Begeisterung kaum ein, während Helmut Schulte, Sportchef des FC St. Pauli, Currywurst und Mineralwasser zu den geduldig am roten Teppich ausharrenden Autogrammjägern schmuggelt.

Willkommen bei der Nacht der Legenden, bei der wohl schrillsten und schrägsten Promi-Party Hamburgs. Jeden ersten Sonntag im September bittet Reinhold Beckmann ins Tivoli an die Reeperbahn, Schlussakkord seines Tages der Legenden ein paar Freistöße entfernt am Millerntor. Tickets sind begehrter als bei jedem Take-That-Konzert, langjährige Organisatoren berichten von unmoralischen Angeboten über 1000 Euro für eine Karte. Zwecklos. Tickets gibt's nur auf Einladung, wer mag, darf im Gegenzug 350 Euro für Beckmanns NestWerk spenden, einem Verein, der sich für Jugendliche in sozialen Brennpunkten engagiert.

+++ Ein Netzwerker und ein Menschenfänger +++

Mit einem der vielen Charity-Bälle hat die Nacht der Legenden allerdings etwa so viel zu tun wie Roberto Blanco mit Lady Gaga. Aus gutem Grund lehnt TV-Profi Beckmann lukrative Angebote für TV-Mitschnitte dankend ab. Die Gäste - unter ihnen Fußball-Größen wie Kevin Keegan oder Guido Buchwald, aber auch Bestseller-Autoren wie Frank Schätzing - sollen einen Abend feiern können, ohne Risiko von Mitschnitten, die später im Netz kursieren.

Es ist eine Taktik, die Beckmann womöglich vor dem sofortigen ARD-Aus nebst Ausweisung ins Dschungelcamp bewahrt. Das Moderatoren-Duo Emmy und Herr Willnowsky zotet den gesamten Abend stets unterhalb der tiefergelegten Stammtischkante ("Was kommt raus, wenn man einen Pinneberger mit einem Polen kreuzt? Ein Autodieb, der nicht Auto fahren kann"), der PR-Mann von VW wird zum Dank für den gesponserten Beetle als "Mann von der Firma, die Adolf Hitler gegründet hat" vorgestellt. Und als der Gast, der soeben für 24.000 Euro dieses Auto ersteigert hat, noch irgendein Detail wissen will, raunzt Herr Willnowsky: "Hören Sie auf zu diskutieren, wir sind hier nicht auf der Waldorfschule." Ganz zu schweigen von Meister-Trainer Jürgen Klopp, auf der Bühne entführt von Kabarett-Vollweib Lizzy Aumüller: "Ich habe mich vorher mit Ihrer Frau ausgesprochen, das zwischen uns ist rein sexuell."

Nein, öffentlich-rechtliche Bedenkenträger wären bei einer Live-Übertragung aus dem Tivoli definitiv akut herzinfarktgefährdet. Und doch ist es ein Jammer, dass dieser große Abend nicht für die Ewigkeit konserviert wird. Allen voran der wundervoll feinsinnige Olli Dittrich, der den Bademantel-Dittsche auf der Bühne nur bei der Legenden-Nacht gibt. Oder Brachial-Komiker Götz Frittrang ("ins Kleinkind-Abteil der Bahn nur mit dem Kotelett-Hammer"), die umjubelte Folk-Frauen-Combo "Katzenjammer", der großartige schmalzlockige Rock 'n' Roller Dick Brave alias Sasha.

Das Programm ist so anarchisch, als hätte es der im vergangenen Jahr gefeierte Udo Lindenberg nach vierstündiger Wodka-Druckbetankung choreografiert. Dabei überlässt die Legenden-Crew in Wahrheit nichts dem Zufall. Über Monate wird diskutiert, welcher Showact kommen soll. "Wir profitieren natürlich von unseren Kontakten aus ,Inas Nacht', die unsere Firma produziert", sagt Beckmann. Zudem wissen alle Künstler, dass der gagenfreie Auftritt lukrativ werden kann: Ein Legenden-Gastspiel schafft Kontakte zu großen Agenturen. Für den Legenden-Kick kann sich Beckmann ohnehin vor Anfragen kaum retten. Schon im Frühjahr melden sich ehemalige Nationalspieler und fragen: "Muss ich mir Sorgen machen, bin ich wieder dabei?"

Aber eigentlich war Beckmann gestern viel zu müde, um über seine Arbeit zu philosophieren: "Ich bin total kaputt. Aber so glücklich." Geschätzte 250.000 Euro hat der Legenden-Tag eingespielt. NestWerk ist gesichert.