Der Moderator ist einer der Initiatoren der Turnierserie Straßenfußball für Toleranz. Ziel: „Jugendarbeit machen und nicht so'n Charity-Gedöns“.

Hamburg. "Jawoll, und wie heißt du?" "Michael", sagt Michael, und dann plaudern der Mann aus dem Fernsehen und der Junge aus Wilhelmsburg über gelungene Pässe in den freien Raum.Am Rothenhäuser Damm haben sie vorm Haus der Jugend den mobilen Fußballcourt aufgebaut, und nun spielen zwölf Teams mit Namen wie "Jackson 5" oder "SV Black & White" um den Turniersieg. Fünf gegen fünf, mindestens ein Mädchen in jeder Mannschaft, und Tore zählen nur, wenn auch das Mädchen getroffen hat. Straßenfußball für Toleranz nennt sich die Turnierserie, welche die Hamburger Sportjugend zusammen mit NestWerk im Sommer an mehr als 30 verschiedenen Orten veranstaltet, oft in benachteiligten Stadtteilen.

Reinhold Beckmann ist einer der NestWerk-Initiatoren. Vor zehn Jahren haben sie das Projekt gestartet, wollten "Jugendarbeit machen und nicht so'n Charity-Gedöns mit langen Ballkleidern". Öffneten abends Turnhallen, um mit Jugendlichen Basketball zu spielen, bauten zwei HVV-Busse zu "Jamlinern" um. Mobile Musikstudios, in denen die Kids jetzt eigene CDs aufnehmen.

Das alles kostet Geld, und deswegen gibt es am Sonntag den "Tag der Legenden". 70 Fußball-helden werden am Millerntor für den guten Zweck kicken. Beckmann sagt, dass er in diesen Wochen "gerne die Rampensau gibt". Das sei ja auch seine Aufgabe, Türen öffnen und so viele Legenden nach Hamburg holen, "dass wir bei NestWerk dann vielleicht noch einen Pädagogen mehr einstellen können". Rund 180 000 Euro haben sie letztes Jahr im Wortsinn erspielt. Und damit in diesem Jahr mindestens die gleiche Summe zusammenkommt, hat Beckmann auch Marius Müller-Westernhagen angerufen. "Hey, Marius, bei der Nacht der Legenden im Schmidts Tivoli musst du diesmal spielen."

Natürlich hilft ihm da seine eigene Prominenz, auch wenn er sagt, dass er sich mit zunehmendem Alter dem öffentlichen Teil seines Lebens immer mehr verweigere. "Ich mache jetzt drei Wochen harte Öffentlichkeitsarbeit für die gute Sache und tauche dann wieder ab."

Beckmann liebt seinen Beruf nach wie vor, aber das aufgeregte mediale Getue übt auf ihn nur noch "eine begrenzte Faszination" aus. "Das Älterwerden hat den großen Vorteil, dass man sich von gewissen Dingen nicht mehr so sehr beeindrucken lässt." Es geht ihm beruflich "nicht mehr um Masse oder Glamour". Er würde viel lieber "eine kleine verrückte Kulturshow im dritten Programm machen, in der Künstler, die zum Beispiel auch bei der Nacht der Legenden auftreten, eine Chance bekommen". Warum macht er es nicht? "Warten Sie doch mal ab", sagt Beckmann und lächelt.

Er erzählt, dass er durch Zufall Moderator geworden ist und vor die Kamera geriet. "Das war nie meine Ambition." Fing als Filmemacher an und nimmt sich heute noch die Freiheit, einen Film pro Jahr zu drehen. Recherchiert momentan für einen Film mit Udo Lindenberg, der das einzige Udo-Konzert 1983 in Ostberlin im Palast der Republik zum Thema hat. "Eine richtige Krimigeschichte, die erzählt, was damals wirklich lief und warum Udo nie wieder ein Konzert in der DDR geben durfte." Hat in Stasi-Akten gestöbert und mit Egon Krenz telefoniert. Im nächsten Jahr soll der Film im Fernsehen laufen.

Doch davor stehen der Tag der Legenden und sein soziales Engagement. Wie nah ist er an den Jugendlichen in Stadtteilen wie Kirchdorf-Süd wirklich dran? "Da muss man jetzt nicht groß mit kokettieren", sagt Beckmann. "Ich wohne in Alsterdorf und fahre da ab und zu raus." Erfährt viel von seinen Pädagogen und durch regelmäßige Telefonate mit Schulleitern. Wenn ihn jemand deswegen als Gutmensch tituliert, ist ihm das "schnurzegal". Denn: "Wenn sich Leute, nur weil man sie als Gutmenschen bezeichnet, von ihrem ehrenamtlichen Engagement abbringen ließen, würde das soziale Leben in Deutschland nicht mehr funktionieren."

Hier die Realität in Wilhelmsburg, dort die Scheinwelt des Fernsehens - wo gehört er hin? "Mir ist eine Kanufahrt mit Freunden allemal lieber als der rote Teppich", sagt er. Und wenn TV-Kollege Günther Jauch sagt, dass das Leben viel schwieriger ist als das Fernsehen, stimmt Beckmann "sofort" zu: "Das Geheimnis des Lebens ist nicht im Fernsehen zu finden - und das ist auch gut so." Hat er es schon gefunden? "Je älter ich werde, desto lieber schaue ich den Tomaten beim Wachsen zu." Er meint seine zwei Kinder, 12 und 15 Jahre alt, denen er "beim Stolpern ins Leben ab und an die Hand hält".

Und muss wieder los. Will schließlich noch Bernd Schuster anrufen. Vielleicht kann der geniale Netzwerker den legendären blonden Mittelfeldregisseur ja doch noch überreden, am Sonntag am Millerntor zu erscheinen. Für NestWerk.