Der gebürtige Kubaner legte einen langen Weg zurück, um sich seinen Traum in der Sendung von Heidi Klum und in der Modewelt zu erfüllen.

Hamburg. Die High Heels hat er zu Hause gelassen. Jorge Gonzalez trägt braune Stiefel, als er zum verabredeten Gespräch nach Winterhude kommt. "Komisch, dass ich jetzt immer darauf angesprochen werde", sagt er. Dabei hat jeder das Bild sofort im Kopf, wie der gebürtige Kubaner den Nachwuchsmodels bei Heidi Klums TV-Show "Germany's Next Topmodel" zeigt, wie sie sich auf dem Laufsteg präsentieren und wie sie die Balance auf zehn Zentimeter hohen Schuhen oder gern auch höher halten.

Der 42-Jährige begrüßt die Mädels zumeist mit einem lautstarken: "Chicas" - das ist bereits zu seinem Markenzeichen geworden. Generell wirkt er in der Sendung überdreht. Er freut sich wie ein Kind und ist laut. Doch dazu stellt er klar: "Ich bin nicht laut - ich rede laut." So sei er schon immer gewesen. Jorge Gonzalez beschreibt sich selbst als offen und tolerant. Familie und Freunde sind ihm wichtig. Was er noch gern macht, dazu muss er nicht extra befragt werden: Lachen. Und das sehr viel. "Ich versuche, viel Spaß zu machen", sagt er. Und weiter: "So viel Kuba ist noch in mir drin."

Als 17-Jähriger verließ er seine Heimat, um in der ehemaligen CSSR (Tschechoslowakei) noch hinter dem Eisernen Vorhang Nuklearökologie zu studieren. Das sei für ihn die einzige Möglichkeit gewesen, um nach Europa zu kommen, wo die nicht kommunistischen Länder zumindest in Reichweite waren. Denn dorthin habe er immer gewollt. Die Architektur und Lebensqualität, das hat ihn fasziniert. Ein Kulturschock kam dann mit der Öffnung des Vorhangs. "Es war die pure Energie in Prag 1990. Viele verschiedene Leute trafen dort aufeinander und probierten sich in der neuen Freiheit aus."

Doch wie kommt ein studierter Nuklearökologe, der sich mit den Umweltfolgen radioaktiver Strahlung auseinandersetzte, zu einem Job bei Heidi Klum? Für Mode hat sich Jorge Gonzalez bereits als Kind interessiert. Seine Mutter spielte dabei eine wichtige Rolle. "Sie hat sich immer sehr hübsch zurechtgemacht - im Stil der 40er-Jahre. Das hat mir gefallen", sagt er.

Und dass er ausgerechnet diesen Studiengang wählte, habe sich daraus ergeben, dass er zum einen ein guter Schüler war und ein Stipendium bekam und sich zum anderen für Biologie interessiert habe und keine Möglichkeit hatte, Mode zu studieren. Das einzige Ziel: Auf nach Europa und sich selbst verwirklichen! Neben dem Studium fing er bereits 1986 an zu modeln, spielte in einem Werbespot mit. Arbeitete aber auch auf dem Feld und montierte Kühlschränke, um sich sein Leben zu finanzieren. Als er 1990 wieder zurück nach Kuba sollte, musste er für drei Monate bei Freunden untertauchen. "Das war keine einfache Zeit. Sich auf Dauer zu verstecken, ist nicht schön." Jorge Gonzalez besitzt bis heute die kubanische Staatsbürgerschaft und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die Europäische Union. Seit 1994 lebt er in Deutschland. Mehr als zehn Jahre nun schon in Hamburg. Hier fühlt er sich wohl.

Er arbeitet bei der Agentur Sundance Communications und organisiert verschiedene Veranstaltungen - natürlich auch Fashionshows und berät in Kleidungsfragen als Stylist Prominente wie Barbara Becker und Esther Schweins. Als er von der neuen Staffel von "Germany's Next Topmodel" hörte, bewarb er sich. "Ich muss denen gefallen haben, und meine Ideen haben's auch", sagt er. Ein langer Weg, um sich einen Traum zu erfüllen. Jorge Gonzalez ist glücklich. Die letzten drei Monate war er in Los Angeles für Dreharbeiten zu der Show. Mittlerweile ist er dort wieder. Und seine Chefin? Ist sie ein Albtraum als Vorgesetzte? Zickig? Launisch? Wie so oft zu hören ist ...

"Sie ist sehr professionell und voller Energie", sagt Jorge Gonzalez, dennoch bewahre sie als "Boss" Distanz. Und privat? Bislang habe er sie noch nicht in seiner Freizeit getroffen. Doch darum geht es ihm auch nicht: "Für mich ist es ein Job, den ich versuche gut zu machen." Dann lächelt er wieder, fast ein wenig verlegen.

Das ist er auch, wenn es um sein Privatleben geht, über das er nur wenig sagen möchte. Nur so viel: Er lebt in Eppendorf mit seinem Partner und hat seit zwei Jahren einen Hund der Rasse Ratero Mallorquin namens Willie. Er liebt es zu tanzen, spielt Volleyball, geht gern zum Ballett und besucht die Oper. Lieblingsstücke: "La Traviata" und "Carmen". Abgehoben ist er nicht. Zwar trägt Jorge Gonzalez gerne teure Designerstücke, doch dann packt ihn ein schlechtes Gewissen, und er besinnt sich auf seinen Ursprung: "Ich überlege dann, wie lange meine Familie auf Kuba davon leben könnte."

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