Zickenalarm ist programmiert. Und doch werden wieder Millionen zuschauen, wenn “Germany’s next Topmodel“ erneut gesucht wird.

Hamburg. Wenn Heidi Klum „Germany’s next Topmodel“ sucht, dann findet sie zwar hübsche Mädchen. Ein Topmodel war allerdings bislang niemals darunter. Lena Gerke, Barbara Meier, Jennifer Hof oder Sara Nuru - das sind jene, die bisher gewonnen haben - dürfen zwar in „neue Länder“ reisen, Modenschauen besuchen und dabei „viele schöne Momente“ erleben. Mehr als ein flüchtiger Stern am Himmel ist jedoch bislang keine gewesen. „Keine große Modelagentur will die Mädchen aus der Show haben“, sagt Ted Linow, Chef der Hamburger Mega Model Agency. „Dieses Format ist eher auf die Sensation aus. Es geht nicht darum, einen echten Star zu finden.“

Das dürfte sich bei der fünften Staffel, die am heutigen Donnerstag um 20.15 Uhr bei ProSieben startet, kaum ändern. Doch die Fernseh-Castingshows überbieten sich gern mit Superlativen. Da werden keine Musiker oder Models gecastet, sondern „Superstars“ und „Topmodels“ – dabei sind die Formate jedoch meist weniger an den Fähigkeiten der Kandidaten interessiert als an deren menschlichen Attributen und Macken. „Das Ganze funktioniert wie eine nicht-fiktionale Fernsehserie“, sagt die Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher vom Hans-Bredow- Institut in Hamburg. Die Zusammensetzung der Gruppe sei so arrangiert, dass Konflikte zwangsläufig entstünden: „Eine Zicke ist immer dabei. Auch optisch gibt es eine Rolleneinteilung: Blond, braun, schwarz und rot.“ Das sei wichtig, um ein breitgefächertes Publikum zu erreichen.

„Und es muss immer Tränen geben“, damit es zu einer hohen Emotionalisierung kommt. „Das durchschauen viele nicht, und so entstehen falsche Weltbilder, die auch auf den Beruf ausstrahlen können, beispielsweise nach dem Motto: Nur wenn ich intrigant bin, setze ich mich durch“, sagt Bleicher. Die Kandidaten ordneten sich komplett der Jury unter, die alle Macht besitzt. „Es gilt nur die Fremdbewertung. Man ist nur etwas, wenn man gehorcht und folgt. Individualität und eine selbstbestimmte Lebensplanung haben keinen Platz.“

Das kritisiert auch Agenturchef Lindow: „Ein Mädchen fliegt bei uns nicht raus, nur weil es eine Mutprobe nicht besteht. Models werden nicht enteignet, die haben ein Mitspracherecht.“ Die Sendung sei klar auf Unterhaltung ausgerichtet. „Wir finden das albern, aber kleine Mädchen finden das gut.“ Mit der Model-Realität habe das nichts zu tun. „Den seriösen Agenturen tut diese Sendung nicht gut. Die Zuschauer müssen ja denken, was sind das eigentlich für komische Menschen, die so was machen?“

Doch bei den Zuschauern kommt die Mischung aus Seifenoper, Reality-TV, Fernerziehung und großer Modewelt gut an: Startete die Show 2006 noch mit 16,2 Prozent Marktanteil in der für die Werbung wichtigen Gruppe der 14- bis 49-Jährigen, so waren es in der vierten Staffel 2009 sogar 24,2 Prozent. Auch beim Gesamtpublikum liegt der Wert deutlich über Senderschnitt, er stieg von 8,9 auf 13,1 Prozent - zuletzt schauten im Schnitt 3,83 Millionen Menschen zu. Das ist gut – für den Sender, für Heidi Klum und die beteiligten Firmen.

Klum nimmt die Teilnehmerinnen exklusiv unter Vertrag, kann mit befreundeten Fotografen sowie Agenturen zusammenarbeiten, und Ehemann Seal durfte zuletzt den Titelsong beisteuern. Die Zeitschrift „Cosmopolitan“ spendiert der Siegerin ein Covershooting, was sich in höheren Verkaufszahlen rechnet. Die Modekette C&A und der Versandhändler Otto stellen vorab Kampagnen mit den Models in Aussicht, und profitieren so ebenfalls von deren Fernsehbekanntheit. Alle anderen Firmen, die einem der „Mädchen“, so der Jury-Jargon, einen der begehrten Jobs vermitteln, werden prominent und zur besten Sendezeit vor einem Millionenpublikum in Szene gesetzt.

Auch die Mitjuroren werden aus der Modenische in den Mainstream gehoben – sind dabei aber immer der Gefahr ausgesetzt, von Chefin Klum vor die Tür gesetzt zu werden: So erging es Rolf Scheider und sogar Peyman Amin, der als einziger alle bisherigen vier Staffeln mitmachen durfte. Statt dieser beiden dürfen nun der Fotograf Kristian Schuller und der Modeberater Qualid „Q“ Laadra über die Modelqualitäten der jungen Bewerberinnen urteilen.

Und an denen mangelt es nicht: Insgesamt bewarben sich 23248 Mädchen und junge Frauen bei ProSieben – doppelt so viele wie beim Auftakt des Casting-Model-Zirkus vor vier Jahren. Die erste Show startet denn auch mit dem Casting von mehr als 2000 Mädchen in der Kölner Januar-Kälte – mit knapp über 30 von ihnen geht die Show dann in der nächsten Woche in die heiße Phase. Nach einem guten Vierteljahr Bibbern, Bangen, Weinen, Lachen, Zickerei und Versöhnung wird im Frühsommer das neue „Topmodel“ gekürt – natürlich kein echtes, sondern ein Fernseh-Topmodel.