Politik will Gastronomen zum Außen-Schallschutz zwingen - und droht mit Entzug der Genehmigungen. Die Wirte zeigen sich verärgert.

Hamburg. Im April hat die Bezirksversammlung Altona die neue Lärmschutz-Vorschrift für die Susannenstraße im Schanzenviertel beschlossen. Ein Aprilscherz war es trotzdem nicht - auch wenn das einige Gastronomen vermuten. Denn nur wer bis zum 22. Juli beim Bezirk eine Sondernutzungsgenehmigung für die Außenbewirtung beantragt und dabei nachweist, dass er Spezialschirme für den Lärmschutz bestellt hat, erhält auch eine Genehmigung. Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose (parteilos) gibt sich im Gespräch mit dem Abendblatt kämpferisch: "Wir ziehen das jetzt durch. Die Politik hat sich so entschieden, und entweder halten sich die Gastronomen an die neue Vorschrift, oder sie können ihre Gäste nur noch drinnen bewirten."

Doch jetzt kommt das Problem: Niemand weiß, was solch ein Lärmschutzschirm kosten und welche Ergebnisse dieser bringen soll. Das Bezirksamt Altona nennt die Firma May in Betzenweiler in der Nähe von Ulm als Bezugsquelle. "Wir haben einen solchen Schirm noch nicht hergestellt, werden jetzt einen Prototyp bauen", sagt Geschäftsführer Klaus-Peter May. Und was sollen die Schirme kosten? "Das können wir noch nicht sagen, aber diese werden aufgrund des lärmdämmenden Spezialmaterials teurer als ein herkömmliches Modell." Dieses würde mit den Maßen fünf mal fünf Meter bei der Firma May etwa 2500 Euro kosten.

Das dürfte den Anwohnern der Susannenstraße ziemlich egal sein. Seit Langem sind sie vom Lärm durch die Außengastronomie genervt. Immer wieder gibt es Streit zwischen Wirten und Bewohnern. Von der angespannten Stimmung zeugen auch die roten Schilder mit der Aufschrift "Kein Ballermann in der Susannenstraße; Gastroausweitung stoppen". Als Reaktion auf zahlreiche Beschwerden hat das Bezirksamt aus einigen Parkbuchten sogenannte Minibiergärten gemacht, um die Außengastronomie weg vom Bürgersteig und stärker in den Straßenraum zu verlagern.

Damit die Anwohner vor Lärm geschützt werden, sollen jetzt die Spezialschirme aufgestellt werden. Aber zwischen dem Bezirksamt und den Gastronomen scheint es ein Kommunikationsproblem zu geben: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wo ich diese Schirme herbekommen soll", sagt Davoud Cheraghi, der das Café Presse betreibt. Er wisse auch nichts von einer Frist bis zum 22. Juli. Dem widerspricht allerdings Nils Fischer, Sprecher des Bezirksamts Altona: "Es haben alle Gastronomen in der vergangenen Woche ein Schreiben erhalten, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass der Antrag für die Sondergenehmigung bis zum 22. Juli gestellt werden muss." Außerdem werde in dem Schreiben auch darauf hingewiesen, dass das Bezirksamt einen Kontakt zu dem Schirmhersteller May vermittele.

+++ Kommentar: Die Schanze ist kein Kurort +++

Das dürfte den Grundkonflikt zwischen Anwohnern und Wirten aber nicht lösen. Die Susannenstraße wurde von der Bezirkversammlung auch deshalb für das Pilotprojekt ausgewählt, weil es dort überproportional viele Anwohnerbeschwerden gibt. Tatsächlich sagt auch Ugur Yalcin, 32, Besitzer des Restaurants Pamukkale: "Die beschweren sich aber auch über jede Kleinigkeit." Er ist der Meinung "Wenn jemand auf die Schanze zieht, muss er berücksichtigen, dass es hier laut ist."

Das sieht der SPD-Bezirksabgeordnete Mark Classen anders. "Auch Anwohner in Szenevierteln haben ein Recht auf ihre Ruhe. Man kann nicht jeden zwingen, in die Vorstadt zu ziehen, wenn er sich vom Kneipenlärm gestört fühlt", sagt Classen. Auch deshalb hat er für die neue Verordnung gestimmt. So wie eine große Mehrheit der Altonaer Bezirksversammlung.

Die Wirte der Lokale an der Susannenstraße sehen die Ursache für die Lärmbelästigung nicht bei der gesetzten Außengastronomie, sondern bei den Kiosken, an denen wegen der günstigen Preise besonders viele junge Besucher trinkend vor der Ladentür stehen blieben. "Und die müssen keine solchen Schirme anschaffen", ärgert sich Gastronom Yalcin.

Schanzen-Anwohnerin Indra Goldmann, 34, findet den Trubel zwar zu viel. Statt sich zu beschweren, würde sie aber eher umziehen. Sie ist der Auffassung: "Wer hierherzieht, weiß doch, worauf er sich einlässt."