Vor 275 Jahren wurde das Christianeum in Altona gegründet. Oliver Schirg über die strengen Regeln, die der dänische Monarch seinerzeit verordnete.

Äußerlich erinnert nichts mehr an die Zeiten der Entstehung, doch im Innern hat das Gymnasium Christianeum, dessen Gründung sich am Montag zum 275. Mal jährt, ein wichtiges Anliegen seiner Väter bewahrt: "Das Christianeum hat ein Profil, in dem die klassischen Sprachen eine wesentliche Säule darstellen", heißt es in der Selbstbeschreibung. "Latein als erste Fremdsprache ist die traditionelle Basissprache der Wissenschaft; sie schult logisches Denken und Sprachgefühl junger Menschen in besonderer Weise."

Ein Glücksfall für das Christianeum war Bernhard Leopold Volckmar v. Schomburg. Als der 32-Jährige im Jahr 1736 sein Amt als Oberpräsident von Altona antritt, hat er mit der aufblühenden, zum Königreich Dänemark gehörenden Stadt viel vor. Dazu zählt, dass er aus der Trivialschule ein "Gymnasium Academicum" machen will.

Derartige Bildungseinrichtungen sind in jener Zeit in vielen deutschen Städten schon entstanden. "Kleiner und weniger aufwendig in der Unterhaltung als eine Universität, wurden sie doch so weit wie möglich mit dem Prestige und dem Charakter einer richtigen Hochschule ausgestattet", notierte Schulleiter Ulf Andersen vor 25 Jahren in einer Festschrift.

Schomburg jedenfalls gelingt es, König Christian VI. davon zu überzeugen, Altona zu einem geistig-kulturellen Zentrum auszubauen. Am 3. Februar 1738 weist Christian VI. die Gründung des Gymnasium Academicum an. Wenige Monate später, am 19. September 1738, tragen sich die ersten acht Gymnasiasten in die Matrikel ein. Vollendet wird die Gründung im Mai 1744, als der König den Fundationsbrief unterzeichnet und Privilegien wie Vorschriften für die Studenten festlegt.

Wer heute die Treppen zu dem modernen Schulgebäude hinaufsteigt, mag die damals vom König verordnete Strenge kaum erahnen. Ein paar Jungs toben lautstark, obwohl an Türen und Fenstern klebende Zettel um Ruhe bitten, weil gerade Abiturarbeiten geschrieben werden.

Kein Vergleich mit den Vorgaben, die einst der König machte. So war den Schülern "üppiges Liedersingen, Karten- und Würfelspiele, Saufen, Fechten, Schreiben, Tobackschmauchen, im Ernst oder Scherz balgen" untersagt.

In den zwei, drei Jahrzehnten nach seiner Gründung erlebte das Christianeum eine Blütezeit. Die an ihm lehrenden Professoren und ihre Schriften waren weit über Altonas Grenzen hinaus anerkannt. Hinzu kam, dass die Bibliothek des Christianeums dank wertvoller Schenkungen eine ganz eigene Ausstrahlungskraft entwickelte. Am wichtigsten dürfte der Nachlass von Johann Peter Kohl (1698-1778) sein, zu dem auch die beiden Kodizes des Christianeums - der Codex Altonensis und der Codex Christianei - gehören.

Diana Amann, die heutige Leiterin des Christianeums, weiß um die Verpflichtung der Tradition. "Humanismus bedeutet für mich, dass ich mich an bestimmte Werte halte", sagt Amann. "Wenn ein Schüler seine Leistung nicht erbringen kann, versuchen wir ihn zu stützen und zu fördern." Zugleich sind Leistungswille und die Bereitschaft, das Angebotene sich anzueignen, notwendig. "Der Wille muss da sein."

Aber es geht Amann nicht nur um Leistung und die angebotenen Unterrichtsinhalte, sondern auch um "ein Miteinander, bei dem Schüler und Lehrer einander Respekt und Wertschätzung entgegenbringen". Diese Atmosphäre kennzeichnet das Christianeum seit seiner Gründung - stets eingebettet in den historischen Kontext.

Das Christianeum verstärkte in seinen Anfangsjahren die weltoffene Haltung Altonas. 1749 sei der erste "Judenknabe" in die Matrikel eingetragen worden, schrieb Ulf Andersen: "Für lange Zeit galt das Christianeum als die einzige Schule in Deutschland, die jüdische Schüler aufnahm."

Im 19. Jahrhundert sprang der "revolutionäre Funke" zwar mehr auf die Schüler als auf die Lehrer über, aber auch am Christianeum wurden "aufrührerische" Reden gehalten. Ludolf Winbar, später Dichter der Gruppe des "Jungen Deutschland", besuchte das Gymnasium ebenso wie der Verfasser des Schleswig-Holstein-Liedes, Matthäus Chemnitz, und der spätere Literatur-Nobelpreisträger (1902) Theodor Mommsen.

Heute, in Zeiten der Globalisierung, "haben Eltern oft Angst, dass ihre Kinder sich später im weltweiten Wettbewerb um gute Jobs nicht gegen ausländische Konkurrenz behaupten können", sagt Schulleiterin Amann. Schulen müssten daher jungen Menschen das entsprechende Rüstzeug vermitteln, aber so, dass die jungen Menschen ihre Schulzeit nicht als "Leidensphase" in Erinnerung behalten. "Unsere Aufgabe ist es, Räume für Lernen in angenehmer Atmosphäre zu schaffen", ist Schulleiterin Amann überzeugt.