Abendblatt-Redakteurin Iris Hellmuth hat im Museum für Völkerkunde übernachtet. Und aus den Geschichten der Toten fürs Leben gelernt.

Kommen Sie nicht zu früh, sagt Wulf Köpke, die Verbindung über das Mobiltelefon ist nicht gut, manchmal fehlt die Hälfte der Sätze. Aber dieser hier bleibt: Schlafen können Sie im Indianerzelt. Ist zehn Uhr okay?

Zehn Uhr ist okay. Ich habe alles gepackt. Einen Schlafsack, den Notizblock, meine Angst. Es gibt diesen Ort. Das ist der Satz, der am Ende darin stehen wird, nach einer Nacht im Museum, auf die Bilder im Kopf muss ich nicht lange warten. Es gibt Tote im Museum, Särge und Geistermasken. Und einen Bärenkopf, wie ich am nächsten Tag im Morgengrauen sehe (und zum Glück wirklich erst dann). Der Verkehr der ersten Pendler wird mich wecken. Manche Mauern sind dünner, als man denkt.

Vor 100 Jahren ist das Museum für Völkerkunde an die Rothenbaumchaussee gezogen, ein würdiges Haus mit hohen Säulen, allein die Eingangshalle ist so groß wie ein kleines Theater. Doch bis heute ist das Haus eigentlich nicht fertig geworden. Allein das Hauptgebäude sollte doppelt so groß werden, die Pläne waren fertig, dann kam der Krieg. Die Direktoren sammelten trotzdem. Jeder hoffte, dass es eines Tages noch einmal klappen würde mit dem angekündigten Ausbau. 350.000 Ausstellungsobjekte hat das Museum heute, allerdings sieht man davon nur einen Teil. Vieles liegt noch immer in den Katakomben, in Kisten und Kartons, von denen bis vor kurzem niemand wusste, was in ihnen war. Und wem es eigentlich gehört.

Schon dieser Bruchteil reicht, damit Menschen um die halbe Welt fliegen, und vielleicht ist das die schönste Geschichte dieses Abends voller Geschichten: dass es mitten in Hamburg einen Ort gibt, der im Verborgenen liegt und doch allen offen steht, der uns das Zuhören lehrt und den Respekt, vor den Menschen und den Dingen.

Wulf Köpke hat mich zu meinem Schlafplatz gebracht, er ist der Direktor des Museums. Die Indianerausstellung liegt im Erdgeschoss in einem weiten, hohen Raum. Das Tipi ist bestimmt drei Meter hoch. Ob es hier Traumfänger gibt? Und wenn ja, welche Träume werden sie fangen?

"Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, hier zu übernachten, aber es hat meistens mit den Geistern zu tun. Die Leute sagen, die gibt es einfach hier. Und ob man daran glaubt oder nicht, ist eigentlich völlig belanglos. Eine Ausstrahlung haben die Objekte, das ist ganz sicher. Mit dem Museum selbst ist es ja im Grunde nicht anders. Es hat Bedürfnisse, und die sagt es einem auch. Nachts bin ich oft hier gewesen, vor allem in meiner Anfangszeit, habe mich hingesetzt und habe aufs Haus gehört."

Wulf Köpke ist groß gewachsen, ein Mann mit weißen Haaren, von dem man denkt, dass er bestimmt eine dunkle Stimme hat. Doch dann ist sie ganz hell. Im Innenhof hat er einen Tisch gedeckt und ein Feuer gemacht. Der Wind ist so weich, dass man meint, jemand hat ihn in der Hand. Ob man den großen Totempfahl vor dem Museum gesehen hat, möchte Köpke wissen, den Totempfahl von David Seven Deers, einem indianischen Künstler. Drei Jahre lang hat er an diesem Pfahl geschnitzt, im Innenhof des Museums, und nachts hat er oft mit einer Decke auf dem Holz geschlafen und mit denen gesprochen, die auch da waren: mit den Geistern. Wulf Köpke schaut einen aufmerksam an, ruhig aber gespannt. Vielleicht, weil man diese Geschichte auch einfach vom Tisch wischen könnte wie die Krümel des Abendbrots, weil man natürlich nicht daran glaubt, dass es in diesem Haus spukt, dass es überhaupt irgendwo spukt auf der Welt. Aber fragen Sie mal die Nachtwächter, sagt Wulf Köpke, es gab welche, die aufgehört haben, ihre Angst vor den Geistern in diesem Haus war einfach zu groß.

Oder nennt man es: Respekt?

Wulf Köpke spricht oft von Respekt an diesem Abend, es ist der Grund, warum er seit 20 Jahren aufräumt. Im Keller zum Beispiel, wo nie ein Besucher hinkommt und wo inzwischen fast alles aus den Kisten ist, abgestaubt und begutachtet. Der Raum, in dem die Töpfersachen stehen, ist voller Vitrinen. Heere von kleinen Eulen hocken hier in der Dunkelheit, daneben Töpfe und Krüge aus Guatemala und Peru, Gesandte ihrer Länder in gläsernen Konsulaten. Die Nacht schmeckt langsam staubig. Es ist gut, dass man hiermit angefangen hat, bei den Dingen aus Ton - und nicht bei den Toten.

Die liegen ein paar Meter entfernt. Im Gang davor lauern die Speere. Hunderte müssen es sein, fast wäre man hineingelaufen, dicht an dicht stehen sie auf einem hölzernen Podest, aufrecht wie die Ähren eines Kornfelds oder stolze, schlanke Krieger. Keiner gleicht dem anderen. Die Stiele sind geschnitzt, mit Lederbändern umwickelt, geschmückt mit Paradiesvogelfedern oder Rochenstacheln. Viele haben Gesichter, fast alle eine kleine Macke. Weil sie jahrelang übereinander gepfeffert in einer Ecke lagen. Es hatte sich einfach niemand für sie interessiert.

Vor zehn Jahren stieß man im Keller des Museums auf Mumien, die verschleppt worden waren aus Chile und Peru, einige von ihnen ausgepackt, eine andere halbiert. Es waren Mumien, die nicht hätten hier sein sollen, Tote, die keine Ruhe fanden. Man gab sie zurück an eine Forschungsstelle. Andere bestattete man.

"In Berlin gab es mal eine große Konferenz zu der Frage, was mit Objekten passiert, von denen man nicht wusste, ob man sie als Museum rechtmäßig erworben hat. Ich traf dort einen Kanaken aus Neukaledonien, der hat mich sehr beeindruckt, der sagte: ,Wir lassen am besten alles, wie es ist. Wenn eure Vorfahren die Dinge unrechtmäßig erworben haben, dann werden die Geister unserer Vorfahren schon dafür sorgen, dass die Dinge an ihren Ursprungsort zurückkommen. Die werden euch nicht in Ruhe lassen. Wenn es aber so war, dass euch die Objekte geschenkt wurden, dann wäre es ein Unrecht, sie zurückzunehmen. So oder so, Ihr müsst sie als Botschafter unserer Kultur behandeln.' Und das ist seitdem meine Maxime. Ich möchte jedem Objekt in diesem Haus Geltung verschaffen, und wenn es nur in einer Vitrine im Keller ist. Denn da fängt für mich der Respekt an: bei der Unterbringung."

Wenn man Respekt hat vor den Dingen, dann akzeptiert man, dass sie eine Seele haben. Dass sie mehr sind als die reine Materie, aus der sie bestehen, dass sie Gegenstände sind, die Menschen verehren, vielleicht sogar fürchten. Sie sind etwas, das etwas bedeutet. Überall im Museum findet man solche Dinge, die man auf sich wirken lassen kann. Aber nicht muss. Wulf Köpke lässt die Menschen, die sich einlassen möchten.

"Das ist in jedem Fall eine Gratwanderung. Aber ich stehe dazu, dass ich in diesem Haus nicht einfach irgendwelche Objekte ausstelle, sondern Objekte der Verehrung. Die ich denen zugänglich mache, denen sie etwas bedeuten, das heißt auch Medizinmännern oder Schamanen. Und manchmal muss man dann auch einsehen, dass diese Menschen uns helfen, auch wenn man nicht genau versteht, was sie tun. Seitdem hat sich dieses Haus in seiner Ausstrahlung sehr verändert. Wenn ich heute Nacht durch das Haus gehe, dann denke ich: Ja, so ist es gut. Früher kam es oft vor, dass man nachts im Haus Schritte gehört hat, auch die Nachtwächter haben davon erzählt. Wir hatten einmal mongolische Schamanen hier, die sind sehr bösen Geistern begegnet, zumindest erzählten sie das."

Die Schamanen aus der Mongolei besuchten jeden Winkel, sie ließen sich Zeit und sangen, für Stunden hörte man nur ihre Schritte und Stimmen durch das Haus hallen. Bis sie bei den Schwertern aus Japan ankamen. Verschreckt brachten sie sich in Sicherheit. "Diese Schwerter werden töten", sagten sie, und die Mitarbeiter des Museums wunderten sich, weil die alten Objekte ja sicher hinter Glas standen. "Dann macht doch ein Ritual, damit die Geister verschwinden, räuchert sie aus", schlug man den Schamanen vor. Doch die wehrten ab: um Himmels willen, auf gar keinen Fall Räucherwerk! Da dachten plötzlich alle an einen Mitarbeiter des Museums, der vorzeitig in den Ruhestand gegangen war, weil er die seltsamsten Krankheiten bekam. Er hatte viel in der Nähe der Schwerter zu tun gehabt. Und war Kettenraucher.

Im Keller des Museums stehen die Schwerter noch immer hinter Glas, blitzblank und friedlich. Die Schamanen meinen, dass sie jetzt kein Unheil mehr anrichten. Wäre auch schade, bei all den Schätzen unter diesem Dach. "Hier im Museum haben wir ein Maori-Haus, es heißt Rauru. Auf der ganzen Welt gibt es so etwas Schönes nicht, dafür kommen sogar Menschen aus Neuseeland her - nur um dieses Haus zu sehen. Einer der berühmtesten Schnitzer Neuseelands, Lionel Grant, ist zufälligerweise aus der Familie, die dieses Haus ursprünglich geschnitzt hat, und als er vor vier Jahren hierherkam und sagte: ,Ich möchte in diesem Haus übernachten', habe ich geantwortet: ,Klar, wann möchtest du kommen?' Und dann hat er in diesem Haus geschlafen. Am nächsten Morgen habe ich ihm hier im Museum Frühstück gemacht. Und wollte natürlich wissen, was das Haus ihm erzählt hatte. Er sagte: ,Das Haus fühlt sich wohl, aber es gibt ein paar Sachen, die ihr vielleicht ändern könntet. Es kann manchmal nicht richtig atmen und hat keinen Kontakt mehr zu dem, was es eigentlich liebt.' Und da ist es uns aufgefallen: Der ganze Raum, in dem das Haus stand, war ein einziges Leichentuch, niemand hat Rauru richtig wahrgenommen. Und das Haus war darüber sehr unglücklich. Seit ich hierhergekommen bin, hat es mir Leid getan. Maori-Häuser brauchen die Sonne, den Mond und die Sterne. Und das Haus hatte nichts, es hatte nur Dunkel und Mief. Also haben wir das Dach aufgebrochen und ein Fenster hineingesetzt. Damit das Haus nachts die Sterne sehen kann."

Rauru ist nicht größer als ein Wohnzimmer, sechs Meter lang und vier Meter breit, ein großes, stolzes Wesen aus duftendem Holz. Auf den Balken und Pfählen sind die Götter und Ahnen der Maori verewigt, eine Art geschnitzter Graphic Novel der eigenen Kulturgeschichte. Im Glauben der Maori liebt man seine Ahnen, die Beziehung zu ihnen endet nicht mit dem Tod. Wer zum ersten Mal stirbt, schläft einfach lang, wird dann wiedergeboren in dieselbe Familie, aus der man zuvor gewichen ist. Kein Maori möchte deshalb die Dinge im Schlechten verlassen, wenn er stirbt - er möchte dann alles im Guten wissen, selbst die Bäume und Sträucher, die ihn ja nähren. Auf der Insel Bali glauben die Menschen, dass sich der Kosmos in drei Ebenen aufteilt: die Unterwelt, die Welt der Götter und die Welt der Menschen und Lebewesen, der Pflanzen und Tiere. Aber der Mensch ist dann auch noch einmal ein Kosmos für sich, sodass alles aus dem Gleichgewicht gerät, wenn einer allein die Balance nicht mehr halten kann. Vielleicht gibt es kaum ein schöneres Bild dafür, was passiert, wenn ein Mensch krank wird: Er lebt dann nicht mehr im Einklang mit sich selbst. Aber er ist nach wie vor ein Teil unserer Gesellschaft und braucht unsere Hilfe.

"Im Grunde denken wir doch noch immer, dass unser Gesellschaftsmodell hier in Europa das Beste ist. Eine ganze Weile lang hat das ja auch alles beherrscht, gar keine Frage. Aber wo kommen eigentlich die Antworten für morgen her? Ich glaube, wenn wir es auf dieser Welt schaffen wollen mit dem Zusammenleben aller Völker, dann geht das nur, wie unser Freund David Seven Deers immer sagt: mit Respekt. Mit dem Zuhören. Und indem ich eine andere Gesellschaft anschaue, schaue ich ja auch immer die eigene an. Ich will meine Kultur dadurch nicht schlechtmachen, ganz im Gegenteil; ich bin stolz auf meine Sprache, meine Heimat. Aber wir müssen uns ständig weiterentwickeln. Vor Kurzem habe ich im Abendblatt eine Zahl gelesen, dass nur noch in 18 Prozent aller Haushalte gekocht wird. Da habe ich mich gefragt: Ist das jetzt die Zukunft? Oder schauen wir mal zu den matriarchalen Kulturen bei den Indianern in Südamerika? Dort leben verwandte Frauen zusammen in einem Dorf, Mütter, Töchter und Enkelinnen, die Männer kommen von außerhalb und können auch wechseln. Sie müssen gehen, wenn ihre Frau gestorben ist und sie keine Tochter haben."

Wulf Köpke spricht nicht wie ein Wissenschaftler, schon gar nicht wie ein Politiker. Eher wie einer, der nie verlernt hat zu staunen, also eher: wie ein Kind. Was erstaunlich ist, denn Menschen, die viel Verantwortung tragen, entwickeln sich anders, sie sprechen von Zeitfenstern und Marken, die man entwickeln muss, und darum geht es ja auch und öfter, als Wulf Köpke lieb ist: um die Zahlen. Die müssen stimmen.

Im Museum für Völkerkunde stimmen sie. Es ist das einzige Haus in Hamburg, das nicht verschuldet ist. Und auch das ist dann wiederum erstaunlich, weil man kein Spektakel erwarten darf, wenn man in das Museum für Völkerkunde kommt. Wulf Köpke mag laute Feste, aber er mag auch die Stille. Vielleicht passt er damit ganz schlecht in diese Zeit - weil ja kaum ein Zoobesitzer, Kinobetreiber und Museumsdirektor mehr davon ausgeht, dass das reicht, was er im Programm hat: Tiere. Filme. Oder eben ein paar Masken und Mumien. Natürlich braucht man Fähigkeiten, um diesem Museumskonzept zu folgen, aber sie sind eigentlich in jedem Menschen vorhanden und viel kindlicher, als man im Grunde immer denkt: das Sehen und Hören. Oder: das Hineinhorchen in die Dinge.

Der Himmel über Hamburg ist dunkel, ganz kurz habe ich ihn noch einmal gesehen, am Innenhof des Museums, mit der Glut des Feuers als Mittelpunkt dieser Welt. Es geht ein paar Treppen hoch, schwere Türen fallen ins Schloss. Und dann bin ich da. Vor der letzten Tür, die ich heute Abend öffne, und es kostet mich Überwindung.

Hier leben die Geister der Südsee.

Die Masken dieser Sammlung bedeuten dem Museum sehr viel. Nicht nur, weil sie von großem kulturgeschichtlichen Wert sind. Sondern auch, weil es Hamburger Forscher waren, die sie von ihrer Südsee-Expedition mitbrachten: Im Auftrag der Wissenschaftlichen Stiftung erforschten sie das damalige Deutsch-Neuguinea. Und was muss das für ein Hurra gewesen sein, als die Forscher 1910 zurück nach Hamburg kamen, die Kisten voller Masken und Ahnenfiguren, die nach Abenteuer rochen und einer unbekannten Welt.

Es ist eine dieser Folgen von Dunkelheit und Stille, die man niemals mögen wird: dass man nie weiß, wie groß der Raum wirklich ist, in dem man sich aufhält.

Tagsüber ist diese Abteilung in Klang gehüllt, es ist die Musik der Maskentänzer von Papua-Neuguinea, und schon dann hat man Bilder im Kopf, von massigen, weiß angemalten Männerkörpern, die im Schein eines Feuers in Ekstase tanzen.

Nachts ist das anders. Nachts sieht man immer nur das, was man will. Der Schein der Taschenlampe streift die Gesichter. Man sieht verzerrte und reduzierte, Menschen und Tiere, irgendetwas dazwischen, riesige Nasen, kleine Nasen, runde oder spitze, Augen, die Löcher sind, Augen aus Muscheln. Einer hat einen Hut und einen Bart. Ein anderer schaut böse. Keinen blendet man lang, und trotzdem geben die Beine nach, die Hände legen sich auf die Augen, die Macht der Masken geht einfach in einen hinein. Die Stille liegt auf dem Boden. Über ihr die Kraft der Geister, wie ein unsichtbares Meer.

"Voriges Jahr habe ich mit Unternehmensberatern eine Führung durch das Museum gemacht, besonders lang war ich im Raum mit den Masken. Und dann habe ich ihnen gesagt: ,Ihr redet sonst den ganzen Tag immer so viel, jetzt sagt Ihr al nichts, hier ist die Südseeabteilung, hier ist ein Stuhl. Ihr sucht euch ein Objekt aus, das guckt ihr euch eine Viertelstunde an, dann setzen wir uns zusammen.' Und das war toll. Die haben das genossen. Die haben dann erzählt, was sie gesehen haben, und das war beeindruckend. Denn ich brauchte ihnen selbst gar nichts mehr zu erzählen, sie hatten alles gesehen, was es zu sehen gab. Die ganze Geschichte dieses Objekts. Nur durch Zuhören ist das passiert. Sie haben den Objekten zugehört."

Im Herzen des Museums ist es nicht still, es pocht auch nicht in kurzen Abständen. Nur ein Rauschen strömt herein, unergründlich und dicht, das ist Hamburg.

Das Herz des Museums ist der höchste Punkt unter dem Dach der Eingangshalle, eine kleine Brücke führt vom einen Ende zum anderen. Links und rechts davon halten vier riesige Muttern die ganze Kuppelkonstruktion zusammen. Vier Muttern, mehr nicht. Wulf Köpke steht da und sieht aus, als hätte man ihn hier hingezeichnet: ein Körper im Zwielicht, fest umrissen von diesem Ort und seiner Zeit.

Ein paar Meter unter dem Dach liegt sein Büro. Von hier kann man die Sterne sehen. Ein Schrein steht darin, mit unzähligen kleinen Objekten. Ein Buddha, vom Dalai Lama gesegnet; eine 2000 Jahre alte Steinfigur aus dem Jemen. Die hatte mal ein Besatzungssoldat mit nach Kanada genommen und in einem Koffer zurück nach Hamburg geschickt. Der stand dann zusammen mit seinem Überbringer eines Tages in Wulf Köpkes Büro.

Es gibt so viele Geschichten in diesem Museum. Man würde sich so gern ein paar mit nach Hause nehmen.

Wann die Nacht im Zelt beginnt, ist schwer zu sagen, der Besuch bei den Masken ist eine ganze Weile her. Wulf Köpke hat sich verabschiedet. Ich setze mich noch kurz in den Cadillac, der gleich neben dem Tipi steht und in dem man tagsüber indianische Musik hören kann und zuverlässig Fernweh bekommt. In einem anderen Moment hätte ich das jetzt jemandem geschrieben. Aber mein Handy liegt irgendwo und ist schon gar nicht mehr an. Die Stille des Museums schleicht ins Indianerzelt. Sie ist hier nicht fremd, ganz im Gegenteil: Sie war schon lange vor mir hier.

Es ist sechs Uhr, als ich aufwache, vor dem Museum rauscht der Verkehr. Ich packe meine Sachen. Den Schlafsack, das Kissen, nur meine Angst kann ich nicht finden.

Der Nachtwächter am Empfang trinkt Kaffee aus einem großen Becher. Er sagt, es gehe ihm gut, seine Schicht war ruhig, dafür sei er dankbar. Es gebe eben auch andere.

Ich klappe mein Notizbuch auf. Es gibt diesen Ort, schreibe ich auf das leere Blatt Papier. An dem es alles gibt. Das Glück und die Liebe, vielleicht sogar: den Frieden. Ja doch, das alles. Mitten in unserer Stadt.

Wer selbst einmal im Hamburger Museum für Völkerkunde übernachten möchte, sollte sich direkt an das Museum wenden. Für Kinder und Jugendliche gibt es ein spezielles Programm. Anfragen per Telefon 428 87 90 oder per Mail an a.bosselmann@mvhamburg.de