Politische Sommerpause hat in dieser Woche dazu geführt, dass ein Schwarzer den zweiten Führungszirkel mit lauter Roten im Rathaus lenkte.

Hamburg. Dass der Erste Bürgermeister Olaf Scholz ein Sozialdemokrat mit klarem Führungsanspruch ist, hat sich auch jenseits des Rathauses als gesicherte Erkenntnis inzwischen durchgesetzt. Manche sprechen schon von sozialdemokratischer Hegemonie in Zeiten der absoluten Mehrheit: Wo man in der Verwaltung auch hinblickt, meist sitzt ein SPD-Mann oder eine SPD-Frau an der Spitze. Wenn Scholz mal nicht im Land ist - in dieser Woche wanderte er urlaubshalber mit seiner Frau Britta Ernst über den Rennsteig -, dann vertritt ihn an der Spitze des Senats die Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt, eine Sozialdemokratin.

Aber die politische Sommerpause hat in dieser Woche zu dem seltenen Fall geführt, dass ein Schwarzer den zweiten Führungszirkel mit lauter Roten im Rathaus lenkte. Kulturstaatsrat Nikolas Hill, der letzte Christdemokrat im Zentrum der Macht, leitete die Staatsräte-Runde am Montag, auf der die Senatssitzung am Dienstag vorbereitet wird. Grund für die kurzzeitige "schwarze Regentschaft" sind die strengen Regularien im Senat und dem Staatsräte-Kollegium: Wenn Christoph Krupp (SPD), der Chef der Senatskanzlei, abwesend ist, geht es strikt nach Dienstalter. Da auch Schulstaatsrat Michael Voges (SPD) fehlte, war Hill mit seinen drei Jahren im Amt der Dienstälteste. Ob Michael Sachs (Bau), Bernd Egert (Wirtschaft), Ralph Kleindiek (Justiz) oder Jan Pörksen (Soziales) - alle Sozialdemokraten hat Scholz erst nach dem Regierungswechsel im März 2011 ins Amt geholt.

Wenn also die sozialdemokratische Hegemonie bei den Staatsräten eine kleine Delle hat, dann ist das durchaus von Scholz gewollt. In einem anderen Fall geht es darum, eine Scharte auszuwetzen und die alte Hegemonie wiederzuerringen: SPD-Chef Scholz hat für die Bundestagswahl 2013 das Ziel ausgegeben, alle sechs Hamburger Wahlkreise direkt zu gewinnen. Beim letzten Urnengang 2009 hatte es nur in drei Wahlkreisen gereicht - ein für die Hamburger SPD blamables Ergebnis.

Es ist bemerkenswert, wie schwer sich die Sozialdemokraten diesmal mit der Kür ihrer Kandidaten tun. Viele warten noch ab, ihr Interesse an einer Kandidatur anzumelden, weil Lage und Mehrheiten in den Kreisverbänden so ungewiss sind. Schon macht das Wort vom "Politik-Mikado" die Runde - nach dem Motto: Wer sich als Erster bewegt, hat verloren.

Bislang gelten lediglich zwei Absprachen aus dem Landesvorstand: Bis Ende September sollen alle Kandidaturen vorliegen. Und Scholz hat im Landesvorstand unwidersprochen gesagt, dass die jetzigen Bundestagsabgeordneten, die erneut antreten wollen, einen Wahlkreis für die Direktkandidatur erhalten sollen. Das klingt selbstverständlicher, als es ist, und hier liegt schon das erste große Problem der SPD: Sowohl die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz, stellvertretende Bundes- und Landesvorsitzende der SPD, als auch ihr Kollege Ingo Egloff haben bislang keinen Wahlkreis, sondern sind über die Liste ins Parlament eingezogen. Schlimmer noch: Beide gehören dem SPD-Kreisverband Wandsbek an und müssten sich folglich um denselben Wahlkreis streiten.

Dazu wird es nicht kommen. Özoguz hat mittlerweile Prominentenstatus und das erste Zugriffsrecht. Wohin also mit Egloff, dessen Berliner Arbeit von Scholz geschätzt wird? Nachdem Altbürgermeister Hans-Ulrich Klose in dieser Woche endgültig erklärt hat, nach 30 Jahren im Bundestag nicht noch einmal anzutreten, könnte dessen Wahlkreis Bergedorf - Harburg Egloff Asyl gewähren. Könnte. Denn ausgerechnet hier gibt es mit dem Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordneten Metin Hakverdi und dem Harburger SPD-Chef Frank Richter zwei Bewerber, die sich schon geoutet haben. Richter, der auch Vizelandeschef ist, hat sich nicht abhalten lassen, obwohl der Bergedorfer SPD-Chef, Schulsenator Ties Rabe, und sein Mitte-Kollege, der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, intern für Egloff werben.

Sehr unübersichtlich ist die Lage auch in Eimsbüttel, wo offen ist, ob der frühere Bundestagsabgeordnete Niels Annen oder Kreischef Milan Pein antreten wollen. Auch der 2009 klar gescheiterte Bundestagskandidat Danial Ilkhanipour erwägt einen zweiten Versuch. Denkbar ist auch, dass Egloff hier als externer Bewerber die verfeindeten Lager befrieden kann.

Offen ist derzeit noch, wer Olaf Scholz im Wahlkreis Altona beerbt, nachdem Kreischefin Melanie Schlotzhauer abgewinkt hat. Viele würden sich Ex-Landeschef Mathias Petersen als Herausforderer des CDU-Vorsitzenden Marcus Weinberg wünschen. Doch Petersen lehnt wegen seines beruflichen Engagements als Hausarzt ab. Gehandelt wird auch der Name des Gewerkschafters Arno Münster.

Im Wahlkreis Nord, zu dem ein Teil des Bezirks Wandsbek gehört, zeichnet sich ein, allerdings bislang unerklärter Dreikampf ab: Dem früheren Bundestagsabgeordneten Christian Carstensen, Kreischefin Inka Damerau und Ex-Ver.di-Chef Wolfgang Rose werden Ambitionen nachgesagt. Nur in Mitte ist alles klar: Hier will Johannes Kahrs zum fünften Mal seit 1998 antreten.

Richtig zufrieden kann Olaf Scholz mit der aktuellen Bewerberlage nicht sein. Es fehlen eindeutig Frauen. Scholz wird, so viel ist sicher, seinen Einfluss auf das Kandidatentableau noch geltend machen. Die Kunst besteht darin, dass es kaum sichtbar sein wird.