Hochrangige chinesische Politiker empfangen Bürgermeister in Peking und kritisieren Europa. Menschenrechte waren aber kein Thema.

Peking. Am zweiten Tag seiner Asienreise war der ganze Diplomat in Olaf Scholz gefordert. Nacheinander wurde Hamburgs Bürgermeister gestern in Peking von der stellvertretenden Außenministerin Fu Ying, dann von Wang Jiarui, dem in der internen chinesischen Nomenklatura sogar noch etwas höher angesiedelten "Leiter der Abteilung internationale Beziehungen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei", und schließlich im absoluten Zentrum der Macht, dem Regierungssitz, von Vize-Ministerpräsident Zhang Dejiang empfangen. Allein die Tatsache, dass derart viele hochrangige Gesprächspartner Scholz einen Termin gewährten, sei bemerkenswert, hieß es im Kreise deutscher Diplomaten. Zurückzuführen sei das in erster Linie darauf, dass die Chinesen in Scholz vor allem den früheren Bundesminister und heutigen stellvertretenden SPD-Chef sehen, von dem sie sich Unterstützung im Werben für ihre Positionen erhoffen.

Die SPD unterhält traditionell gute Beziehungen zur Kommunistischen Partei, es gibt sogar ein Kooperationsabkommen. Die für ihre offene und eloquente, aber auch resolute Art bekannte Vize-Außenministerin kam auch sofort auf die China-freundliche Politik der früheren SPD-Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder zu sprechen. Sie freue sich, dass mit Scholz nun "ein Politiker der neuen Generation" an diese Tradition anknüpfe. Scholz erwiderte, dass er sich vor der Reise mit Schmidt - "der ja aus Hamburg kommt" - über China unterhalten habe. Anfang kommenden Jahres will der dann 93-jährige Altkanzler persönlich ins Reich der Mitte reisen.

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Nach dem Austausch weiterer Freundlichkeiten ("Hamburg ist der Brückenkopf für China nach Deutschland") soll Fu Ying aber sehr deutlich geworden sein. Peking sei verärgert, dass Deutschland zwar gern und intensiv Handel mit China treibe, gleichzeitig aber Ängste geschürt würden vor dem unersättlichen chinesischen Expansionsdrang. Auch dass im Zuge der EU-Schuldenkrise Forderungen erhoben wurden, das sagenhaft reiche China müsse Europa jetzt helfen, sei gar nicht gut angekommen, soll sie dem Vernehmen nach klargestellt haben.

Aus Scholz' Umfeld war zu hören, dass er die Verärgerung der Chinesen nachvollziehen könne. Im Übrigen müsse Europa seine Probleme allein lösen. Mehrfach betonte Scholz zudem, dass es keine Euro-Krise gebe: "Es geht lediglich darum, einigen EU-Mitgliedstaaten über Schuldenprobleme hinwegzuhelfen. Europa wird seine Währung in den Griff bekommen."

Scholz strich bei jedem Treffen die "jahrhundertealten" Beziehungen Hamburgs zu China heraus und äußerte die Erwartung: "Die wechselseitigen Handelsbeziehungen werden zunehmen. Das ist gut so." Seine Aufgabe sehe er darin, in Hamburg und in Deutschland "dazu beizutragen, dass das Verständnis für die chinesischen Belange steigt". Die Hansestadt richtet 2012 mit "China Time" und "Hamburg Summit" zwei große Veranstaltungen zur Pflege der deutsch-chinesischen Beziehungen aus. Ihm sei zugesagt worden, dass eine hochrangige Delegation aus dem Reich der Mitte daran teilnimmt. Im Gegenzug sagte Scholz vor chinesischen Journalisten, er sei ja unter anderem für sein Versprechen gewählt worden, die Elbvertiefung zu beschleunigen - daran halte er sich und hoffe, dass die Arbeiten 2012 beginnen werden.

Der Bürgermeister war im Vorfeld der Reise von der Gesellschaft für bedrohte Völker offen aufgefordert worden, die Menschenrechtsverletzungen in China anzusprechen. Wie zu hören war, hat er das zumindest nicht direkt getan. Möglicherweise spricht er das Thema heute, bevor die Delegation aus Anlass der 25-jährigen Städtepartnerschaft nach Shanghai weiterreist, in einer Rede vor Jura-Studenten an. Deftige Worte sind allerdings nicht zu erwarten - dafür ist Scholz zu sehr Diplomat.