Störer sprengen die Info-Veranstaltung. Bezirksamtsleiter Markus Schreiber befürchtet eine Radikalisierung und zieht Konsequenzen.

Hamburg. Am Tag nach der von Störern gesprengten Informationsveranstaltung vom Bezirk Mitte hat dieser schon reagiert: Er wird die Regeln für die Bürgerbeteiligung verschärfen. Öffentliche Versammlungen zur neuen Nutzung des Geländes des bisherigen Real-Supermarkts (der Alten Rindermarkthalle) können nur noch Bürger betreten, die sich vorher "mit Namen und Anschrift" angemeldet haben und dann eingeladen werden. Das erklärte Bezirksamtsleiter Markus Schreiber.

"Ich glaube, der Krawall-Abend stellt eine Zäsur in Richtung einer Radikalisierung dar", sagte der SPD-Politiker. Eine Wiederholung der gesprengten Auftaktveranstaltung wird es nicht geben. Markus Schreiber: "Diese Informationen stehen im Internet."

Was an der Budapester Straße 38 am Dienstagabend ablief, hat es bei einer Informationsveranstaltung für die Bürger auf St. Pauli noch nicht gegeben. Die Bezirkspolitiker wurden niedergebrüllt, mit Wasserpistolen angegriffen und mit Konfetti beworfen. Die Demonstranten zwangen Bezirksamtsleiter Markus Schreiber die Veranstaltung nach 20 Minuten abzubrechen.

Es sollte die Auftaktveranstaltung zu einer Reihe von Bürgerinformationen über das Projekt Alte Rindermarkthalle werden. Der Bezirk Mitte will das Ende des Jahres frei werdende Gelände am Neuen Kamp entwickeln. Dort, wo heute noch der Real-Markt steht, sind neben einer Music Hall viele kleinteilige Nutzungen geplant. Daneben sollen Märkte für Nachversorgung wie Supermärkte, aber auch Musikklubs, Geschäfte und Arztpraxen entstehen.

Eine Ortsbeschreibung zeigt, wie hochsensibel das letzte wirklich große Filetstück (34 000 Quadratmeter) im Stadtzentrum liegt: Auf der einen Seite die nahe Reeperbahn und das Millerntor-Stadion mit dem Heiligengeistfeld. Auf der anderen Seite das Karoviertel, die Schanze und - auch nur wenige Hundert Meter entfernt -, die Rote Flora, ein autonomes Zentrum, das seit 1989 besetzt ist.

Am Dienstagabend schafften es 100 Autonome unter den 300 Besuchen, dass die Politik das Feld räumte und den Raum ihnen überließ. Droht nun am Neuen Kamp eine neue Rote Flora? Oder eine Besetzung? "Ja", sagt Gunter Böttcher, Chef der CDU-Bezirksfraktion und Chef des Stadtplanungsausschusses. Er ist wie viele entsetzt über die Störer, die für ihn "die Grenze zur Gewalt überschritten haben". Sein Glaube an eine friedvolle, demokratische Auseinandersetzung sei "echt erschüttert". Gunter Böttcher: "Wir dürfen den Autonomen mit der Alten Rinderhalle keine neue Spielwiese bieten, weil denen in der Alten Flora zu langweilig geworden ist."

Die Recht-auf-Stadt-Bewegung solidarisiert sich im Internet süffisant mit den Autonomen und mokiert sich über "die Herren vom Bezirk, die glaubten, ihr Ding durchziehen zu können", dann aber an einer "Recht-auf-Stadt-Aktivistin an der Flüstertüte" scheiterten. Kritisiert wird der angeblich festgezurrte Plan, dort eine Music Hall zu errichten.

"Das ist schlicht falsch", sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Andy Grote. "Es ist ein offenes Verfahren, bei dem die Bürger am Planungsprozess beteiligt werden, das beinhaltet nicht das Recht auf Sabotage." Man könne nicht hinnehmen, dass eine militante Minderheit anderen Interessierten das Wort abschneidet.

Das (und eine Besetzung) will der Bezirk Mitte verhindern. Amtsleiter Markus Schreiber fordert auch eine Zwischennutzung, wenn Ende Mai der Real-Markt das Gelände verlässt, dieses aber bis zum Jahresende noch zurückgebaut wird und dann (zumindest an Wochenenden) leer steht. Der Hamburger Konzertveranstalter Karsten Jahnke erklärt die Dimension: "Für unsere Konzerthalle benötigen wir eine Grundfläche von rund zehn Prozent des Real-Markt-Areals - also knapp 4000 Quadratmeter von insgesamt 34 000. Im Schnitt werden 2500 Gäste die Konzerte besuchen. Zum Vergleich: Das Millerntor-Stadion besuchen im Schnitt 17.000 Zuschauer."