Der Jugendliche wurde tot in seinem Krankenzimmer gefunden. Der tragische Fall wirft ein Schlaglicht auf die Abschiebepraxis.

Hamburg. Er war 17 Jahre alt und fremd in Deutschland. Niemand kannte den Jungen. Außer diejenigen, die sich von Amts wegen mit ihm befassen mussten, weil er illegal eingereist war. David M. war allein nach Hamburg gekommen - und er starb einsam.

Am Sonntag hatte sich der Abschiebehäftling im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt erhängt, nachdem er zuvor in den Hungerstreik getreten war. Eine Mitarbeiterin fand den Jungen aus Georgien - zwei Tage vor der geplanten Abschiebung nach Polen - um 16.15 Uhr tot in seinem Krankenzimmer. In vorherigen Gesprächen ließen sich "Suizidabsichten nicht erkennen", teilte die Justizbehörde mit.

Der tragische Fall wirft ein Schlaglicht auf die Abschiebepraxis, gegen die Kirchen, Politiker und Flüchtlingsverbände seit Jahren Sturm laufen. "Der Tod von David M. ist ein Skandal. Es ist unmenschlich und verantwortungslos, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Abschiebehaft zu nehmen", sagt Mehmet Yildiz, migrationspolitischer Sprecher der Hamburger "Linken". EU-weit werden Minderjährige nur noch in Deutschland und Österreich in Abschiebehaft genommen. Allein 2009 wurden in Hamburg sechs illegal nach Deutschland eingereiste Minderjährige "zurückgeschoben": zwei nach Spanien, jeweils einer nach Italien, Norwegen, Ungarn und Belgien. Zuletzt warteten vier inhaftierte Jugendliche auf ihre Abschiebung - der Jüngste ist gerade mal 15 Jahre alt. David M. war einer von ihnen.

Der 17-Jährige hatte sich hierzulande nichts zuschulden kommen lassen. Keine Schlägereien, keine Drogen, keine Diebstähle. David M. war ein "reiner" Abschiebehäftling - der erste überhaupt, der in Hamburg Selbstmord begangen hat.

Der Teenager hatte vor der Einreise in Polen und der Schweiz Asyl beantragt. Er sei 25 Jahre alt, erzählte er da. Er sei 17 Jahre alt, sagte er der Hamburger Polizei, die ihn am 7. Februar festnahm. Dann geht alles sehr schnell, am 9. Februar ordnet das Amtsgericht eine Abschiebungshaft an. Falsche Angaben zur Identität, kein Geld, kein Wohnsitz, kein Pass - David M. könnte bei der nächstbesten Gelegenheit abtauchen, so die Befürchtung. Kurz nach Haftantritt in der Jugendstrafanstalt Hahnöfersand tritt der Junge in den Hungerstreik, lässt sich auch von Psychologen nicht umstimmen. Ein "Hilfeschrei", wie Yildiz vermutet. Um seinen Gesundheitszustand besser kontrollieren zu können, wird David M. am 25. Februar ins Zentralkrankenhaus verlegt. Da wirkt er auf Pfleger und Psychologen keineswegs desolat, sondern eigentlich "ziemlich stabil", sagt Pia Kohorst, Sprecherin der Justizbehörde. Am 1. März steht fest: Im Einklang mit der Drittstaatenregelung soll David dorthin abgeschoben werden, wo er zuerst Asyl beantragt hat: nach Polen. Insoweit ist er ein typischer Abschiebefall. Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, erinnert dieser Umgang mit Asylsuchenden an "herumgeschobene Pakete".

Am 6. März isst David M. wieder, zeigt sich "Gesprächen mit Betreuern aufgeschlossen", so die Justizbehörde. Doch am7. März ist er tot. "Junge Menschen", sagt Dethloff, "entwickeln in der Haft häufig Traumata. Sie kapieren nicht, warum sie eingesperrt sind, wo sie nichts Unrechtes getan haben." Niemand kümmere sich um die Kinder im Knast, nicht einmal ein Rechtsbeistand stehe ihnen zu. "Sie brauchen Verständnis und Aufmerksamkeit - keine Haft."