Olaf Scholz erneuert im Gespräch seine Absage an eine Koalition mit FDP oder CDU. Als Bürgermeister möchte er die Olympischen Spiele 2024 eröffnen

Hamburg . Als letzter Spitzenkandidat hat sich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) dem Kreuzverhör von Hamburg 1 und Hamburger Abendblatt gestellt. Hamburg 1 sendet das Gespräch heute von 20.15 Uhr an. Das Abendblatt dokumentiert die zentralen Passagen.

Widersprechen Sie der Einschätzung, dass Sie ein im Grunde konservativer Politiker sind?

Olaf Scholz:

Ich bin Sozialdemokrat, ich kümmere mich darum, dass die Stadt gut funktioniert. Im Übrigen überlasse ich es anderen, mich einzuschätzen.

Sie haben konservative Werte zu zentralen Elementen Ihrer Politik gemacht: Versprechen halten, Vertrauen erwerben, nie enttäuschen und immer seriös bleiben.

Scholz:

Das sind auf alle Fälle sehr gute Werte, die im Leben helfen, aber auch in der Politik.

Auf den Großplakaten der SPD sieht man nur Olaf Scholz – es gibt keine klassischen Themenplakate. Gefällt Ihnen eigentlich der Personenkult um Sie?

Scholz:

Ich empfinde das nicht als Personenkult. Es geht darum, wer in Zukunft Bürgermeister dieser Stadt sein wird, und ob ich es weiter sein werde. Insofern ist das eine zentrale Frage des Wahlkampfes.

Ihre politischen Widersacher werfen Ihnen Basta-Politik vor. Wie würden Sie selbst Ihren Führungsstil beschreiben?

Scholz:

Ich empfinde es als meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Dinge, die in der Stadt vorangebracht werden müssen, auch real passieren können. Das Wichtigste dabei: Diejenigen, die Verantwortung haben, dürfen sich vor Entscheidungen nicht drücken. Das heißt nicht, dass man mit niemandem spricht. Alle Entscheidungen müssen durchdacht, diskutiert, sehr langfristig und sorgfältig angelegt sein.

Sie sagen etwa, dass Hamburg keine Stadtbahn bekommen wird. Punkt. Keine Diskussion. Man kann auch sagen: basta. Warum diese Absolutheit?

Scholz:

Na, ja.

.. Nach der jüngsten Umfrage sind 71 Prozent der Hamburger offensichtlich meiner Meinung, auf den U-Bahn-Ausbau zu setzen. Das spricht dafür, dass es ganz unvernünftig wäre, ein anderes Konzept zu verfolgen. Wir haben einen begrenzten Stadtraum. Bäume und Häuser stehen am Straßenrand, und es werden noch ein paar dazu kommen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir den wachsenden Verkehr in der vorhandenen, gebauten Stadt bewältigen können. Und die Stadtbahn ist nicht die gemütliche alte Straßenbahn. Sie muss auf eigenen Gleisen durch die Stadt geführt werden. Das geht zu Lasten von Auto- und Radfahrern sowie der Fußgänger. Das kann man in einer so großen Stadt nicht verantworten.

CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich schlägt eine Expertenkommission nach der Wahl vor, um die Frage U-Bahn-Ausbau oder Stadtbahn langfristig und überparteilich zu lösen. Ist das ein guter Vorschlag?

Scholz:

Wir haben uns bei allen Entscheidungen auch in dieser Legislaturperiode darum bemüht, die Opposition ins Boot zu holen. Wir haben beschlossen, die U 4 bis zu den Elbbrücken zu verlängern. Das Projekt ist jetzt im Bau, und die Oppositionsparteien haben zugestimmt, obwohl sie Entsprechendes vorher gar nicht gefordert hatten. Auch bei der Planung der neuen S-Bahn S 4 bis Ahrensburg haben wir die Zustimmung der Opposition bekommen. Das gleiche gilt für den Bau der S 21 nach Kaltenkirchen. Ich bin sicher, dass wir auch beim Ausbau des U-Bahnnetzes die Zustimmung der Opposition bekommen werden.

Was hindert Sie zu sagen, dass eine Kommission sinnvoll ist? Ein paar offene Punkte gibt es ja, wegen derer man sich zusammensetzen könnte.

Scholz:

Wir setzen uns immer wieder zusammen. Zum Beispiel in der Bürgerschaft und in den Ausschüssen. Und natürlich wird alles diskutiert. Trotzdem muss man irgendwann auch sagen, in welche Richtung das Ganze gehen soll. Ich finde schon, dass es zum demokratischen Grundverständnis gehört, dass diejenigen, die zur Wahl antreten, nicht ankündigen, dass sie sich in Expertenkommissionen zusammen setzen wollen, sondern sagen, was sie vorhaben.

Dass die Verkehrspolitik zum zentralen Thema im Wahlkampf geworden ist, haben Sie sich letztlich selbst eingebrockt. Stichwort Busbeschleunigung. Das ist ja wirklich nicht rund gelaufen. Bereuen Sie es manchmal, dieses Projekt überhaupt gestartet zu haben?

Scholz:

Wir müssen die Kapazitäten des öffentlichen Nahverkehrs insgesamt und der Busse konkret ausbauen. Alle wissen, dass das geschehen muss. Und es gibt natürlich Leute, die Vorschläge haben, wie man es anders machen könnte.

Aber es ist nicht gut gelaufen.

Scholz:

Dort, wo wir die Maßnahmen bereits abgeschlossen haben – wie bei der Metrobuslinie 5 – sind alle zufrieden. Auto- und Busverkehr fließen besser, Radfahrer und Fußgänger kommen auch besser voran. Übrigens auch diejenigen, für die ein barrierefreier Nahverkehr wichtig ist.

Aber alle können nicht einverstanden sein mit dem Programm. Es gibt eine auf erster Stufe erfolgreiche Volksinitiative, die den Stopp fordert.

Scholz:

Das wundert doch nicht wirklich. Niemand glaubt doch, dass Baumaßnahmen im oberirdischen Straßenraum einfach sind. Wir haben eben über die Stadtbahn gesprochen. Ihr Bau würde zum Verlust von 200 Kilometern Fahrbahn führen. Und zu Protesten, die ich mir nicht ausmalen mag.

Den Kritikern geht es nicht nur um die Störungen durch Baumaßnahmen, sie haben inhaltliche Einwände. Sie halten bestimmte Maßnahmen für unsinnig, überflüssig oder falsch.

Scholz:

Kritik ist doch normal. Und ohnehin wird jede einzelne Entscheidung bis zur letzten Minute hin- und hergewogen. Bei den bisherigen Maßnahmen sind viele Änderungen auf Wunsch der Bürger in die Planungen eingeflossen.

Themenwechsel: Sie haben angekündigt, dass es bei den hohen Zahlen von Wohnungsneubauten bleiben soll. Wie viel Verdichtung hält die Stadt aus?

Scholz:

Verglichen mit vielen anderen Städten in der Welt geht es nur um geringe Veränderung. In Berlin zum Beispiel leben auf einer ähnlich großen Fläche wie in Hamburg etwa doppelt so viele Menschen. Unser Ziel ist, dass Hamburg Anfang der 20er-Jahre rund 100.000 Wohnungen mehr hat als 2011. Dieses Ziel wollen und können wir erreichen, ohne dass der Charakter Hamburgs als grüne Stadt am Wasser beeinträchtigt wird. Im Gegenteil: Wir schaffen neue Parks, neue Grünflächen und neue Wege – zum Beispiel entlang bislang unerschlossener Wasserlagen, an Flüssen und Kanälen.

Vielleicht wollen wir ja gar nicht, dass unsere Stadt so dicht besiedelt wird wie Berlin.

Scholz:

Das wollen wir nicht, und das werden wir auch nicht. Manche der Flächen für den Wohnungsbau wurden vorher anders genutzt. Sie stehen den Bürgern aber jetzt erst zur Verfügung. Nehmen wir die Mitte Altona, wo auf ehemaligem Bahngelände rund 3600 Wohnungen mit viel Grün und einem neuen Park entstehen.

Hamburg kann in gar nicht so ferner Zeit eine Einwohnerzahl von zwei Millionen erreichen. Ist dieses quantitative Wachstum eigentlich immer positiv?

Scholz:

Das Bevölkerungswachstum und das damit verbundene Wirtschaftswachstum werden dazu führen, dass die Stadt sich weiter gut entwickelt. Wir können uns dann die erforderliche Infrastruktur besser leisten: Universitäten, Forschungseinrichtungen, Schulen und vieles mehr. Das Leben wird angenehmer. Aber wir sind gar nicht in der Situation, dass wir das Bevölkerungswachstum steuern können. Es zieht die Leute in die Stadt. Und wir können an den Stadtgrenzen keine Schlagbäume errichten. Wer nichts zur Entwicklung der Stadt unternimmt, wird aber möglicherweise erleben, dass er sich die eigene Wohnung nicht mehr leisten kann. Ich habe im letzten Sommer zusammen mit meiner Frau Urlaub im Südwesten der USA gemacht. In San Francisco haben wir erfahren, dass man Einzimmerwohnungen, Studios genannt, für 1500 Dollar mieten muss. Das ist mittlerweile dort der Preis, weil der Wohnungsbau in San Francisco weit hinter der Attraktivität der Stadt zurückhängt. Wer nicht genug Geld hat, hat darunter zu leiden.

Die innere Sicherheit war lange Zeit kein großes Thema in der Stadt. Jetzt wurde bekannt, dass die Einbruchszahlen um vier Prozent gestiegen sind. Bereiten Ihnen diese Zahlen Sorgen?

Scholz:

Wir müssen die Entwicklungen in der Kriminalität im Auge behalten und auf aktuelle Trends neue Strategien entwickeln. Beim Thema Einbruchdiebstahl hat die Polizei neue Methoden entwickelt und Erfolge verzeichnet. Wir haben dafür gesorgt, dass die Polizei gut ausgestattet ist, um für die Sicherheit der Bürger sorgen zu können. Das haben wir etwa dadurch erreicht, dass keine Stellen im Polizeivollzug gestrichen werden. Das war unter meinen Vorgängern anders, da wurden ganze Kommissariate geschlossen. Und wir sind ein besserer Arbeitgeber für die Polizeibeamten, weil allen wieder Geld für die Ausbildung gezahlt wird und es wieder eine Heilfürsorge gibt.

Sie haben erklärt, dass Sie, wenn es eine Koalition geben wird, zunächst mit den Grünen sprechen. Welche inhaltliche Begründung gibt es dafür?

Scholz:

Ich finde, die Bürger haben es verdient, dass man vor der Wahl sagt, was man unter welchen Umständen nach der Wahl tun wird. Ich habe auch vor der letzten Bürgerschaftswahl gesagt, ich werbe um ein starkes Mandat für die SPD, und wenn das nicht reicht, frage ich als erstes die Grünen. Das hat bei der letzten Wahl zu einem sehr starken Mandat für die SPD geführt, und ich hoffe, dass das Mandat diesmal ähnlich stark sein wird.

Sie haben jetzt keine inhaltliche Begründung für Rot-Grün geliefert.

Scholz:

Ich werbe auch nicht für Rot- Grün, sondern für ein starkes sozialdemokratisches Mandat. Und natürlich bedeuten Koalitionen mit Parteien, die nicht die gleiche Richtung haben, immer, dass es ein wenig anders wird als zuvor, als eine der Parteien allein regiert hat.

Ist eine Große Koalition aus Ihrer Sicht definitiv ausgeschlossen?

Scholz:

Dafür spricht nichts, und deshalb wird es sie auch nicht geben.

Sie sagen, Sie werden zuerst mit den Grünen sprechen. Mit wem sprechen Sie denn zuletzt?

Scholz:

Auch mit den Grünen.

Das heißt, dass Sie die Gespräche erfolgreich beenden wollen, sodass Sie gar nicht mehr in die Verlegenheit kommen, auch mit der CDU oder mit der FDP zu sprechen.

Scholz:

Bei der FDP glaube ich nicht, dass sie in die Bürgerschaft kommt. Ganz klar: Wenn es nicht alleine reicht, dann frage ich die Grünen. Und ich zähle nicht zu den Politikern, die taktische Sätze sprechen und dabei noch fünf andere Sachen im Sinn haben.

Sie sind ja schon auch Taktiker. Das gehört doch zum Politiker dazu. Warum sollte das bei Ihnen anders sein?

Scholz:

Ich spreche keine taktischen Sätze. Wenn ich also sage, dass wir im Fall der Fälle zuerst die Grünen fragen, dann machen wir das auch. Wir würden dann mit dem Ziel verhandeln, ein Ergebnis zu erzielen. Natürlich gehören dazu immer zwei. Aber es wäre schon sehr unwahrscheinlich, dass es im Falle von Verhandlungen nicht zu einem Koalitionsvertrag käme. Deshalb sollte man nicht so viel spekulieren. Es gibt entweder eine Fortsetzung der jetzigen Regierung oder eine Koalition mit den Grünen. Alles andere sind vielleicht Hoffnungen, die der eine oder andere hat. Aber die nährt er selbst.

Hat die FDP aus Ihrer Sicht mit den jüngsten medialen Aktionen den Boden seriöser Politik verlassen?

Scholz:

Ja.

Wenn Sie tatsächlich erneut die absolute Mehrheit schaffen sollten, dann wären Sie doch bei der Bundestagswahl 2017 in Berlin unverzichtbar.

Scholz:

Nee. Ich bin da verzichtbar.

Das sehen viele in der Bundespolitik dann doch vermutlich anders.

Scholz:

Das ehrt mich. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sich an eine mögliche nächste Amtszeit auch eine weitere anschließt. Ich kann mir als großen Traum vorstellen, als Bürgermeister die Olympischen Spiele 2024 in Hamburg zu eröffnen. Das Rentenalter hätte ich dann noch nicht erreicht.

Das heißt, Sie wollen 2020 also wieder antreten?

Scholz:

Hab ich eben gesagt. Nur bin ich doch ein bisschen zurückhaltend mit Aussagen zur übernächsten Wahl, weil wir ja gerade vor der nächsten Wahl stehen. Aber klar, so ist es gemeint.