Die Partei stellt kaum Wahlkreiskandidaten auf. Selbst Parteien mit weniger Mitgliedern haben dabei deutlich mehr Kandidaten. Heftige Kritik kommt von dem Verein „Mehr Demokratie“.

Hamburg. Knapp zwei Wochen vor der Bürgerschaftswahl geraten die Grünen wegen der Aufstellung ihrer Kandidaten in den Wahlkreisen in die Kritik. Sie stellen in den 17 Wahlkreisen lediglich 64 von 142 möglichen Kandidaten auf. Selbst Parteien mit weniger Mitgliedern haben deutlich mehr Kandidaten. So kommen die FDP etwa auf 89 und die Linken sogar auf 124. Nur SPD und CDU geben dem Wähler die volle Auswahl an Kandidaten, die das neue Wahlrecht ihm auch zugedacht hat. „Ausgerechnet die Grünen, die das neue Wahlrecht von Beginn an unterstützt haben, untergraben es auf diese Weise“, sagt André Trepoll, verfassungspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

„Die Grünen nehmen das Wahlrecht nicht ernst“, so Trepoll weiter. So ist darin vorgesehen, dass die Wähler unabhängig von der Reihenfolge auf den Listen ihre Kandidaten wählen können – und darüber auch eine entsprechende Auswahl haben. Die sieht der CDU-Politiker gefährdet. Und mehr noch: Spitzenkandidatin Katharina Fegebank, Fraktionsvize Eva Gümbel, Verkehrsexperte Till Steffen oder Schulexpertin Stefanie von Berg haben auf ihrer Wahlkreisliste nur jeweils einen innerparteilichen Mitbewerber. Fraktionschef und Co-Spitzenkandidat Jens Kerstan kommt auf zwei Konkurrenten. Anjes Tjarks ist dagegen immerhin einer von sechs Grünen – obwohl auf dieser Wahlkreisliste insgesamt zehn Kandidaten möglich wären.

Der Grund dafür scheint klar: Vor vier Jahren sind nur zwei Grüne über die Landesliste in die Bürgerschaft eingezogen – zwölf dagegen über den Wahlkreis. „Die Grünen haben Angst, dass sich ihre Spitzenkandidaten nicht durchsetzen. Die Kandidatenaufstellung ist ein Armutszeugnis“, sagt Manfred Brandt, Mitbegründer des Vereins Mehr Demokratie, der das neue Wahlrecht durchsetzte. Und deshalb hielten die Grünen nach Ansicht Brandts die innerparteiliche Konkurrenz künstlich klein. Und der CDU-Politiker Trepoll sagt: „Die Grünen haben Angst vor dem Wähler und wollen ihn für dumm verkaufen.“

Landeschefin Katharina Fegebank bestreitet, dass die Wahlkreislisten mit diesem Kalkül besetzt worden seien. „Wir haben in den Wahlkreisen eine ausreichend große Auswahl von Kandidaten. Die Kandidatenaufstellung unterlag sehr ordentlichen Verfahren. Jeder, der wollte, hätte für die Grünen kandidieren können.“ Vielmehr sollten sich nur diejenigen aufstellen lassen, die wirklich in die Bürgerschaft einziehen wollten. Das sei nicht immer der Fall gewesen. „Bei den Bezirksversammlungswahlen im vergangenen Jahr hat es Kandidaten gegeben, die dann plötzlich in der Bezirksversammlung waren. Dabei wollten sie nur die Partei unterstützen und hatten eigentlich kein Mandat angestrebt.“

Den Grünen sei es deshalb darum gegangen, die Wahlkreislisten „nicht künstlich aufzublähen.“ Vielmehr wollte man die Landesliste „gezielt stark machen.“ Fegebank: „Denn nur die Landesliste entscheidet über die Zusammensetzung der Bürgerschaft. Und wir wollen gut abschneiden bei der Wahl.“ Fegebank weist darauf hin, dass die Grünen vor vier Jahren in den Wahlkreisen durchschnittlich um drei Prozentpunkte besser abgeschnitten hätten als über die Landesliste. „Das hat uns aber keinen Platz zusätzlich gebracht.“

Laut Till Steffen habe es vor der vergangenen Bürgerschaftswahl die Aufforderung gegeben, die Wahlkreislisten mit Kandidaten komplett zu füllen. Daraufhin hätten sich eine Reihe von Grünen aufstellen lassen, um die Partei zu unterstützen, ohne dass es sie eigentlich in die Bürgerschaft gezogen hätte. „Und dann wurden einige Kandidaten auf Ambitionen angesprochen, die sie gar nicht hatten.“ Steffen bezeichnet es als Scheinauswahl, Kandidaten auf Wahlkreislisten zu setzen, wenn diese nicht in die Bürgerschaft einziehen wollten.

Angesprochen darauf, dass die Konkurrenz künstlich klein gehalten werde, damit diejenigen Kandidaten, welche die Wahlkreisliste anführen auch sicher in die Bürgerschaft gewählt werden, sagt Steffen: „Das stimmt nicht. Je mehr Leute auf der Wahlkreisliste stehen, desto größer die Chance, dass der erste gewählt wird.“ André Trepoll überzeugt das nicht: „Das ist Blödsinn.“

Laut Manfred Brandt ist das neue Wahlrecht darauf angelegt, dass die Parteien sich öffneten – gerade was die Kandidatenauswahl angeht. „Wenn man in einem Wahlkreis keine geeigneten Kandidaten findet, dann hat man als Partei ein ernstes Problem.“