Parteibasis fordert mehr Geschlossenheit. Viele Prominente unterzeichnen Aufruf zur Unterstützung von Katja Suding

Hamburg. Die monatelangen Querelen in der Hamburger FDP haben zu einer massiven Austrittswelle geführt. Binnen eines Jahres haben die Elbliberalen etwa zehn Prozent ihrer Mitglieder verloren. Seit Oktober 2013 habe sich die Zahl der Mitglieder um etwa 100 reduziert, sagte der Parteivorsitzende Benjamin Schwanke dem Abendblatt. Derzeit gebe es noch gut 1000 Mitglieder. Die höchste Zahl von Austritten habe es im September gegeben, als 30 Liberale die Partei verließen, im Oktober seien es noch 15 gewesen.

„Die Austrittswelle ebbt langsam ab, und ich bin optimistisch, dass wir den Trend umkehren können“, sagte Schwanke. Voraussetzung sei aber, dass beim Parteitag am 7. und 8. November die Reform der Partei mit der Abschaffung des Delegiertensystems gelinge – und die FDP in Hamburg zu einer echten „Mitgliederpartei“ werde. Derweil hat erneut ein Landesvorstand sein Amt niedergelegt. Bei einer Sitzung des FDP-Vorstandes trat laut Parteichef Schwanke der für Sozialpolitik zuständige Beisitzer Andreas Haelbig zurück und begründete dies auch mit den Querelen in der Partei.

Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Katja Suding, die beim Parteitag im November auch den Vorsitz der Liberalen übernehmen will, gibt sich trotz der zahlreichen Austritte optimistisch. „Jedes FDP-Mitglied muss natürlich für sich selbst entscheiden, ob man bei scharfem Gegenwind die Herausforderungen annimmt und kämpft oder die Segel streicht und der Partei den Rücken kehrt. Und jede Entscheidung verdient Respekt“, sagte Suding. „Ich weiß: Die FDP ist schlagkräftig und wird mit voller Leidenschaft und viel Kraft in den Wahlkampf gehen.“

Klar sei aber auch, dass die Hamburger FDP mehr Teamgeist brauche. „Wir haben die Chance, alte Gräben zu schließen und gemeinsam für ein besseres Hamburg zu kämpfen. Ich bin überzeugt, der Parteitag wird diese Chance nutzen“, so die zuletzt häufig kritisierte Fraktionschefin.

Zugleich betonte auch Suding die Notwendigkeit einer Reform der alten FDP-Strukturen. „Als überzeugte Liberale unterstütze ich basisdemokratische Instrumente. Unabhängig von der Abschaffung des Delegiertensystems möchte ich die FDP aber auch für andere Formen einer modernen Parteiarbeit öffnen“, so Suding. „Wir müssen inhaltliche Diskussion verstärkt führen und das parteiinterne Klima verbessern. Dafür steht die Vorlage zum Parteitag.“

Unterdessen wächst an der Basis der Unmut über die öffentlichen Streitigkeiten. Die Hamburger Kieferorthopädin Luzie Braun-Durlak, nach eigenen Angaben seit zwölf Jahren FDP-Mitglied, hat am Dienstag einen Aufruf für mehr Geschlossenheit und zur Unterstützung von Katja Suding verfasst. „Wir befinden uns im Überlebenskampf unserer Partei und die Hamburg-Wahl muss ein Erfolg werden“, schreibt Braun-Durlak in einer Mail an Parteifreunde. „Jetzt gerade sind wir mehr denn je in der Lage, nach außen unsere Geschlossenheit zu zeigen, und das sollten wir aktiv tun.“

In dem Aufruf selbst heißt es: „Wir, die Unterzeichner, sind in Sorge um das Ansehen der FDP Hamburg. In den vergangenen Tagen und Wochen haben einzelne Funktionsträger in Verbindung mit Rück- und Austritten schwere Vorwürfe gegen Personen und gegen die FDP Hamburg insgesamt erhoben. Vermittelt wurde das falsche Bild einer Partei, in der personelle Entscheidungen nicht nach demokratischen Spielregeln getroffen werden. Wir sehen nicht tatenlos zu, wie die FDP Hamburg und damit unsere vielen ehrenamtlich engagierten Parteifreunde durch verbale Querschläger Einzelner in Misskredit gebracht werden. Wir unterstützen unsere Fraktionsvorsitzende Katja Suding und die erfolgreich arbeitende Bürgerschaftsfraktion.“ Die Spitzenkandidatin und das Kandidatenteam seien „nach demokratischen Regeln mit überzeugenden Mehrheiten gewählt“ worden und könnten sich des uneingeschränkten Rückhalts bei den Unterzeichnern sicher sein.

Binnen eines Tages hätten rund 40 Mitglieder zugesagt, den Aufruf zu unterzeichnen, sagte Verfasserin Braun-Durlak. Darunter seien viele Prominente wie der ehemalige Zweite Bürgermeister Ingo von Münch, die früheren Parteivorsitzenden Rainer Funke, Rolf Salo und Frank-Michael Wiegand sowie der Schauspieler Sky du Mont.

Für Irritationen in der Partei sorgte, dass Braun-Durlak ihren Aufruf nicht an alle, sondern nur an einige ausgewählte FDP-Mitglieder schickte. Mancher deutete das als Versuch, diejenigen auszugrenzen, die dem Führungsanspruch Sudings eher kritisch gegenüberstünden. Die Initiatorin wies diesen Verdacht zurück. Ihr habe schlicht kein vollständiger E-Mail-Verteiler der gesamten Hamburger FDP zur Verfügung gestanden, so Braun-Durlak.

Hintergrund der monatelangen Auseinandersetzungen in der FDP war die Konkurrenz zwischen Suding und der früheren FDP-Bundestagsabgeordneten und Landeschefin Sylvia Canel. Suding hatte mit Unterstützung des Bundesvorsitzenden Christian Lindner eine Kandidatur der 2013 aus dem Bundestag ausgeschiedenen Canel für die Bürgerschaft verhindert. Anfang September war Canel ausgetreten und hatte mit dem früheren Europakandidaten der FDP, Najib Karim, die „Neuen Liberalen“ gegründet. Mitte Oktober war auch der kommissarische Parteichef Dieter Lohberger ausgetreten und hatte dies damit begründet, dass in der Hamburger FDP alles von einem kleinen Kreis um Katja Suding bestimmt werde.

Zur Ruhe kommen dürfte die FDP aller Aufrufe zum Trotz aber wohl nicht so schnell. Dafür sorgt auch ein seltsamer Prozess, bei dem sich die frühere Landesvorsitzende Petra Wichmann-Reiß und der Ex-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen befehden. Müller-Sönksen hatte eine Mitteilung von Wichmann-Reiß bei Facebook mit der Bemerkung kommentiert: „Klingt fast wie ein Porno-Titel“.

Wichmann-Reiß verklagte Burkhardt Müller-Sönksen auf Unterlassung der ihres Erachtens ehrverletzenden Äußerung. Der liberale Porno-Streit wird ausgerechnet am 7. November vor dem Landgericht verhandelt – genau zum Auftakt des Landesparteitages, bei dem die FDP beweisen will, wie geschlossen sie ist und wie seriös sie Politik machen kann.