Horst Tietjens, Leiter der Jugendhilfeinspektion, berichtet im PUA „Yagmur“ schonungslos über das Versagen der Jugendämter

Hamburg. Es ist bislang nicht so oft vorgekommen, dass Zeugen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum gewaltsamen Tod der kleinen Yagmur Klartext geredet haben. Und wenn sie es taten, dann gerieten sie anschließend in die Kritik, wie etwa Klaus Püschel, Chef der Rechtsmedizin. Am späten Dienstagabend war es dann Horst Tietjens, Leiter der Jugendhilfeinspektion, der in schonungslosen Worten den Verlauf des tragischen Falls schilderte.

Tietjens sprach davon, dass man bei der Rückführung des Mädchens in dessen leibliche Familie hätte sicherstellen müssen, dass es dort sicher sei. Es sei aber aus den Akten ersichtlich gewesen, dass es diese Sicherheit nicht gegeben habe. Anders etwa als die Staatsanwaltschaft, brauche eine Jugendamtsmitarbeiterin keine handfesten Beweise. „Der Jugendhilfe reichen Zweifel aus, um handeln zu können.“ Und diese habe es gegeben, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die bei Yagmur festgestellten lebensgefährlichen Verletzungen aus deren Elternhaus stammten. Dass Mitarbeiter sich in juristischen Feinheiten nicht auskennen könnten, ließ Tietjens nicht gelten. „Wenn eine Fachkraft etwas nicht versteht, dann muss sie fragen. Denn nur sie entscheidet, was mit dem Kind geschieht.“ Das dreieinhalb Jahre alte Mädchen war vor gut zehn Monaten gestorben. Seine Mutter muss sich wegen Mordes vor Gericht verantworten.

Tietjens deckte zudem haarstäubende Fehler bei der Übergabe des Falls zwischen den Jugendämtern Eimsbüttel und Mitte auf. So sei man nicht von einem akuten Fall der Kindeswohlgefährdung ausgegangen, weil dies nicht in der sogenannten Handakte verzeichnet war. Im Computerprogramm Jus-IT dagegen schon. Diesem sei aber keine Beachtung geschenkt worden. Zudem berichtete Tietjens, dass ihm Vorgesetzte der Jugendamtsmitarbeiterin in Mitte die Befragung der Frau für den von Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) angeforderten Bericht nicht gestatten wollten. Erst als er sich beim Jugendamtsleiter beschwerte, seien die Widerstände aufgegeben worden. Er bezeichnete es nach seiner Untersuchung als „fragwürdig“, dass diese Mitarbeiterin überhaupt fallführend war, da sie „keine Erfahrung“ gehabt hätte.

CDU-Obmann Christoph de Vries zeigte sich vom Auftritt Tietjens’ beeindruckt. „Skandalös“ sei die Intervention des Vorgesetzten. „Damit wurde der Versuch unternommen, eine Befragung der Mitarbeiterin zu unterbinden und so den Aufklärungsauftrag der Jugendhilfeinspektion zu torpedieren.“ Die von Scheele ausdrücklich gewünschte Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit jugendamtlicher Entscheidungen könne nicht funktionieren, wenn die Jugendhilfeinspektion bei der Ausübung ihrer Arbeit behindert werde. Und Finn Ole Ritter (FDP) sagte: „Es wurde deutlich, wie wichtig das Instrument der Jugendhilfeinspektion ist, um die Arbeitsfähigkeit der einzelnen ASDs zu überprüfen und problematische Fallverläufe aufzuarbeiten.“