Allein die Personalkosten verschlingen zwei Drittel des Etats. Ausstattung teils besser als an anderen Hochschulen

Hamburg. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg, hat mehrfach auf die prekäre Finanzlage seiner Hochschule hingewiesen. Insbesondere auf dem Campus am Von-Melle-Park sei zu wenig geschehen, „um überall menschenwürdige Verhältnisse herzustellen“, hatte Dieter Lenzen bei der Immatrikulationsfeier gesagt. Auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität beklagt eine „chronische Unterfinanzierung“ – und dies seit Jahrzehnten.

Doch sind die Kassen von Deutschlands drittgrößter Universität wirklich so klamm? Wie finanziert sich Norddeutschlands größtes Ausbildungszentrum? Was nimmt es ein, was gibt es aus? Ein 2011 zwischen der Universität und dem Senat vereinbartes Zukunftspaket sollte der Hochschule eine verlässliche Perspektive geben. Laut dieser Vereinbarung sichert die Stadt der Hochschule seit 2013 und bis 2020 eine Zahlung von jährlich 280 Millionen Euro zu – aus dem Haushalt der zuständigen Wissenschaftsbehörde. Zusätzlich wird das feste Budget um 0,88 Prozent pro Jahr erhöht, inflationsbereinigt also eine Kürzung.

Weil die Erhöhung des Hochschuletats nicht ausreicht, um die Tarif- und Preissteigerungen auszugleichen, muss die Universität künftig Stellen, Studienplätze und Lehrangebote abbauen. Die 0,88 Prozent waren eine Vorgabe für alle Hochschulen der Stadt, weshalb Lenzen dies eigenen Angaben zufolge nicht verhindern konnte. Dafür habe die Universität eine Planungssicherheit bis 2020 bekommen. Und so bezeichnete der Präsident den Deal mit dem Senat noch in diesem Jahr in einem Interview als „gut“ und „einmalig in Deutschland“. 2014 arbeitet die Universität Hamburg mit einem geplanten Haushalt in Höhe von 402,1 Millionen Euro. Diese Summe setzt sich folgendermaßen zusammen: 289,8 Millionen Euro kommen aus dem Globalhaushalt der Stadt, 16,4 Millionen Euro aus dem Hochschulpaktmittel vom Bund und 95,9 Millionen Euro sind von Wissenschaftlern aus dritten Quellen eingeworbene Mittel.

Von den Gesamtausgaben fließen allein zwei Drittel (66,2 Prozent) in die Bezahlung des Personals. Gastwissenschaftler, Lehraufträge und Instandhaltungen verschlingen 11,2 Prozent – ebenso sonstige Kosten wie Stipendien, Büromaterial und Reiseaufwendungen. Und noch einmal 11,4 Prozent sind etwa für Energiekosten und das Bewirtschaften von Gebäuden vorgesehen. Die Universität unterhält ohne das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) 195 Gebäude und 55 Hörsäle. Aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben des Stadtstaates Hamburg muss die Hochschule von den 289,8 Millionen Euro aus Landesmitteln etwa 15,2 Millionen Euro für Investitionen in wissenschaftliche Geräte beziehungsweise IT-Geräte aufbringen. Insgesamt plant die Universität in diesem Jahr, etwa 47 Millionen Euro aus ihrem eigenen Etat für Gebäude auszugeben. Die Hochschule verfügt über zweckgebundene Eigenkapitalrücklagen in Höhe von rund 87 Millionen Euro und Hochschulpaktmittel, die an die Verbesserung der Lehre gebunden sind. Laut dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gibt Hamburg 8899 Euro für jeden Studenten aus, in Bayern und Baden-Württemberg sind es gut 10.400 Euro, in Niedersachsen mehr als 11.800 Euro. Zum Wintersemester 2013/2014 registrierte die Hamburger Uni an ihren acht Fakultäten 42.994 Studenten und 2257 Lehrkräfte. Bezüglich Ausstattung, Kosten und Leistung nimmt das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) die Universitäten regelmäßig unter die Lupe.

Bei den Lehrkosten eines Mathe-Bachelor-Studienplatzes ist Hamburg spitze

Die jüngsten Zahlen beziehen sich auf 2012 und liefern Ergebnisse nach Fächergruppen für 14 Hochschulen der Länder Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Berlin und Sachsen-Anhalt. Demnach ist die Universität Hamburg bei den jährlichen Lehrkosten eines Bachelor-Studienplatzes in Mathematik und Naturwissenschaften mit 7250 Euro bundesweit Spitze, gefolgt von der FU Berlin und der Universität Bremen. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 5780 Euro. Ebenfalls vorn rangiert die Hamburger Universität in derselben Fächergruppe bei den Kosten für einen Bachelor-Studenten sowie denen eines Master-Studienplatzes beziehungsweise Master-Studenten. So kostet ein Master-Studienplatz in Mathematik und Naturwissenschaften in Hamburg etwa 8840 Euro, der bundesweite Mittelwert liegt bei 6010 Euro. In Sprach- und Kulturwissenschaften, Kunst und Kunstwissenschaft liegt Hamburg bei den Kosten bezogen auf den Studienplatz und den Studenten ebenfalls über dem Mittelwert, bei den Kosten pro Professur jedoch deutlich darunter.

So erhält die MIN Fakultät (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften) als größte Fakultät der Universität Hamburg mit mehr als 200 Professoren und mehr als 9300 Studenten auch die meisten finanziellen Mittel. „Die Zuweisung beträgt 88,8 Millionen Euro. Das entspricht einem Anteil an den Landesmitteln von 30,6 Prozent“, heißt es aus der Verwaltung. Die Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft als kleinste Fakultät mit 20 Professoren erhält entsprechend den niedrigsten Anteil: 6,7 Millionen Euro bei einem Anteil von 2,3 Prozent an den Landesmitteln. Zusammengefasst entspricht die Ausstattung der Hamburger Universität der vergleichbarer Hochschulen und übertrifft diese sogar oft.

Lenzens jüngste Kritik bezog sich in erster Linie auf den Zustand der Gebäude. Demnach ist ein Großteil davon in einem mangelhaften Zustand und entspricht nicht den technischen, brandschutztechnischen und energetischen Anforderungen von heute. Im Bereich der Gebäudetechnik hapert es unter anderem bei der Erneuerung der Elektronetze, der Wasser- und Abwasserleitungen sowie der Ausstattung der Sanitäranlagen. Und so ist die Liste der Bauten, die modernisiert werden müssen, lang. Im Fachbereich Chemie sind vier Gebäude betroffen, im Fachbereich Physik zwei. Auf dem Campus Von-Melle-Park sind allein sieben Gebäude sanierungsbedürftig. Auch wenn der AStA Lenzens drastische Bezeichnung in Richtung Menschenunwürdigkeit in dieser Form nicht benutzt hätte, so befürwortet er doch die Stoßrichtung. „Unwürdig ist dabei nicht nur die bauliche Situation der Universität. An der Uni herrscht auch ein enormer Leistungsdruck: unter Studierenden, die schnell und konform ‚Credit Points‘ sammeln sollen, ebenso wie unter Lehrenden, die dauerhaft zur Drittmitteleinwerbung angehalten sind, da die Grundfinanzierung nicht ausreicht“, sagt Oliver Vornfeld vom AStA. Dieser Leistungsdruck führe insbesondere bei den Studenten vermehrt zu Medikamentenmissbrauch und psychischen Erkrankungen. „Unwürdig ist auch, dass die Universität ihrer großen Verantwortung, positiv gesellschaftlich einzugreifen, derzeit aus den genannten Gründen nicht voll nachkommen kann“, kritisiert Vornfeld.

Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion, Eva Gümbel, sieht es ähnlich: „Die Hochschulen stehen unter einem enormen Kostendruck. Der Sanierungsstau von 640 Millionen Euro, die Vorenthaltung der 30 Millionen Euro BAföG-Mittel und die minimale Etaterhöhung von 0,88 Prozent sprechen Bände: Bis 2020 müssen die Hamburger Hochschulen eine halbe Milliarde Euro einsparen.“ Nach Einschätzung der Grünen zeigt der schärfer gewordene Ton in der Debatte, dass der SPD-Senat „endlich seiner Rolle gerecht werden und mit den Hochschulen ein Gespräch auf Augenhöhe suchen muss“.