Weniger Geld und kein Kompetenzteam. Politikwissenschaftler sieht „wachsendes Unwohlsein“ mit der SPD

Hamburg. Die Hamburger CDU setzt beim für sie schwierigen Bürgerschaftswahlkampf weiter auf eine klare Abgrenzung von der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) – und auf das intensive Engagement der CDU-Bundesprominenz. „Ich schließe eine Zusammenarbeit mit der AfD aus“, betonte Spitzenkandidat Dietrich Wersich im Gespräch mit dem Abendblatt. „Eine europakritische Partei passt nicht zur CDU und nicht zu Hamburg. Wir sind auf Weltoffenheit angewiesen, gerade in Hamburg. Und die AfD verfolgt da einen völlig unberechenbaren Kurs. Jetzt will sie sogar, dass Frankreich den Euro verlässt.“

Die CDU werde auch „das Spiel der AfD nicht mitspielen, die Flüchtlinge, Zuwanderer oder Muslime zu Sündenböcken machen will“, so der CDU-Fraktionschef. Schließlich seien führende Islamisten in Deutschland, wie etwa Pierre Vogel, keine Zuwanderer, sondern Deutsche – und die allergrößte Mehrheit der Muslime verurteile Terror und Gewalt mehr als deutlich, so Wersich weiter.

„Die AfD wird noch ihr blaues Wunder erleben“, glaubt Wersich. „Die Professoren an der Spitze wirken jetzt schon wie Zauberlehrlinge, die die gerufenen, rechten Geister nicht mehr loswerden.“ Im Übrigen schade die AfD keinesfalls allein der Union, sondern hole Stimmen von allen Parteien. „Ich sehe die SPD als unseren Hauptgegner im Wahlkampf“, so Wersich. Das Bild von Bürgermeister Olaf Scholz als angeblich gutem Regenten habe massive Risse bekommen. „Die falsche Verkehrspolitik mit Dauerstaus und dem unsinnigen Busbeschleunigungsprogramm ist für die Wirtschaft schlecht und ärgert die meisten Bürger. Auch beim Thema Netze-Rückkauf und bei der Elbvertiefung hat der Bürgermeister die Erwartungen nicht erfüllen können“, so Wersich.

Für die CDU ist die Ausgangslage vor der Bürgerschaftswahl am 15. Februar schwierig. Olaf Scholz ist beliebt und hält die politische Mitte besetzt. Nach den letzten Wahlumfragen dümpelt die CDU nur wenig über ihrem letzten Wahlergebnis von mickrigen 21,9 Prozent.

Die Scholz-SPD hingegen kratzt wieder an der absoluten Mehrheit. Und auf der rechten Seite macht der CDU die AfD Konkurrenz, die absehbar einen scharfen Kurs beim klassischen Unions-Thema Innere Sicherheit fahren dürfte – wie auch in der Diskussion um die steigende Zahl von Flüchtlingen. Dagegen kann sich die CDU nur schwer wehren. Sollte sie selbst auf einen Hardliner-Kurs einschwenken, verlöre sie bei Wählern aus dem liberalen Bürgertum.

Für CDU-Landeschef Weinberg geht es angesichts dieser Lage vor allem um klare Sprache. „Wir werden die offene und argumentative Auseinandersetzung mit der AfD und den Grünen suchen“, sagt er. „Wir brauchen absolute Klarheit in unserer Kommunikation – dann können wir den Spagat zwischen klarer Rechtsstaatlichkeit und Liberalität schaffen. Für beides steht die CDU.“ Auf keinen Fall werde man der AfD „mit lauten Parolen hinterherlaufen“.

Davor warnt auch Politikwissenschaftler Elmar Wiesendahl. „Die CDU wäre schlecht beraten, von ihrem liberal-großstädtischen Kurs abzuweichen“, so Wiesendahl. „Durch eine übermäßig harte Linie bei Themen wie Flüchtlinge oder Rote Flora würde sie viele liberale Wähler verschrecken, zugleich wäre es aber keinesfalls sicher, dass sie der AfD dadurch Wähler abspenstig machen könnte.“

Zwar gebe es bei dieser Wahl keine Machtoption für die CDU, sagt Wiesendahl. Bis zum Wahltag könne sich trotzdem noch einiges verschieben. „Bisher gab es so ein Wohlgefühl in der Stadt, dass der SPD-Senat und Olaf Scholz eine ganz ordentliche Arbeit machen. Das kann durchaus noch kippen“, sagt der Politikberater. „Es gibt einige eher kleinere Ärgernisse, die sich zu einem größeren Unwohlsein summieren und der SPD schaden könnten.“ Dazu gehörten Verkehrsprobleme, die erneute Verzögerung der Elbvertiefung, womöglich noch kommende Probleme mit der HSH Nordbank oder wachsender Druck beim Thema Flüchtlinge.

Zu all ihren strategischen Problemen muss die CDU auch noch sparen – und wird wohl ein Drittel weniger für den Wahlkampf ausgeben können als in ihren goldenen Von-Beust-Zeiten. „Dennoch werden wir einen starken, entschlossenen und engagierten Wahlkampf führen“, sagt Parteichef Weinberg. Die CDU setze auf kreative Ideen und eine „originelle Guerillataktik“, insbesondere „die Nutzung unserer Stärke in den sozialen Medien“. Zentraler Bestandteil solle dabei der Dialog mit den Hamburgern sein, für den man die Internetplattform 1,8 Millionen (www.1komma8millionen.de) eingerichtet habe. Zunächst soll nun am 22. November das Wahlprogramm beschlossen werden. Danach will die CDU die Konzepte präsentieren und zur Diskussion stellen.

Es geht um die Schwerpunktthemen Wirtschaft und Wissenschaft, Verkehr und Infrastruktur sowie Sauberkeit und Sicherheit. Zu Beginn des kommenden Jahres sollen dann die Bundesgrößen nach Hamburg kommen. „Am 9. und 10. Januar kommt der gesamte CDU-Bundesvorstand zu seiner Klausurtagung nach Hamburg“, sagt Parteichef Weinberg. „Das wird für uns der Startschuss in die heiße Wahlkampfphase sein. Viele Minister werden uns im Wahlkampf unterstützen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird mehrfach nach Hamburg kommen.“

Ein „Kompetenzteam“ oder gar ein Schattenkabinett will die CDU offenbar nicht vorstellen. „Kompetenzteams haben oft gar keinen oder sogar negativen Einfluss, das hat man etwa im Wahlkampf von Peer Steinbrück gesehen“, sagt Spitzenkandidat Dietrich Wersich, der für die Wahl insgesamt eher bescheidene Ziele formuliert: „Wir wollen deutlich besser als bei der vergangenen Bürgerschaftswahl abschneiden, die absolute Mehrheit der SPD brechen und dann die Optionen auszuloten, wie wir unsere Inhalte in eine mögliche Koalition einbringen können.“