Wegen der steigenden Kriminalität wollen sich die Gotteshäuser schützen – aber dennoch offene Häuser bleiben, wie St.-Petri-Hauptpastor Christoph Störmer sagt

St. Georg/Altstadt. „Du sollst nicht stehlen“, lautet das 7. Gebot. Dass sich alle zumindest in einem Gotteshaus daran halten, dachte auch Jörg Kleinewiese. Der Küster und Diakon hatte vor der Messe im katholischen Dom St.Marien in St.Georg seine Kfz-Schlüssel in die Sakristei gelegt. Als er nach Dienstschluss nach Hause fahren wollte, waren die Schlüssel weg – und sein Auto auch. Gestohlen.

Immer wieder werden Hamburgs Kirchen zum Tatort für Kriminelle. Wie Jörg Kleinewiese und sein Kollege vom Hamburger Michel Tobias Jahn jetzt dem Abendblatt berichteten, sind die Gotteshäuser gerade in der Sommerzeit mit den vielen Touristen im Visier krimineller Banden und Einzeltäter. Besonders dreist sei der Diebstahl, wenn die Gottesdienstbesucher von ihrem Sitzplatz auf der Kirchenbank nach vorn an den Altar treten, klagt Kleinewiese, und ihre Taschen liegen lassen. „Da kann es schon mal vorkommen, dass sie dabei geklaut werden.“

Nach Einbrüchen und fast täglichen Diebstählen wollen der Michel und der katholische Dom St.Marien ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärfen. Allerdings sollten die Vorkehrungen auch Grenzen haben. „Grundsätzlich“, sagt Christoph Störmer, Hauptpastor an der Rathauskirche St.Petri, „sind Kirchen weiche Ziele. Und deshalb verwundbar.“ Das müssten sie auch bleiben, wenn die Kirchen offene Gasthäuser für die Seele bleiben sollten, meint er. „Wollten wir die Fenster der Verwundbarkeit schließen, wären wir nicht mehr Kirche, sondern Hochsicherheitstrakte.“

Für den Schutz in der Hauptkirche St.Petri sorgen nach Ansicht von Pastor Störmer nicht zuletzt die rund 2000 Besucher selbst, die täglich eine der schönsten Hamburger Kirchen besuchen. „Da ist man selten ganz unbeobachtet.“ Außerdem werfen die ehrenamtlichen Helfer immer ein Auge auf die Gäste. Womit sie diskret die Aufgaben der Küster unterstützen. Bisweilen, fügt Christoph Störmer schmunzelnd hinzu, „lassen eine einladende, freundliche Atmosphäre und vielerorts brennende Kerzen grimmige Gesichter und böse Absichten dahinschmelzen“. Einbrüche in die nachts geschlossene Kirche gab es an St.Petri noch nicht. Störmer: „Im Zweifelsfall macht ein Obdachloser vor einer der Türen Platte und bewacht schlafend die Kirche.“

Besonders trickreich sind jene Diebe, die nach Beobachtungen von Küster Kleinewiese mit Klebestreifen versuchen, Geldscheine aus den Opferstöcken zu fischen. Sorgen bereiten den Kirchenleuten die religiösen Fanatiker. Sie scheuen nicht davor zurück, Steine aus der Krypta und dem Kolumbarium (Urnengrabstätte) zu brechen. Diese Form der Bestattung ist im Dom St.Marien seit 2012 möglich.

Wie gefährlich religiöse Fanatiker sein können, zeigte jener Fall vom Dezember 1994. Eine offenbar geistig verwirrte 42 Jahre alte Frau war zur Frühmesse in den Dom St.Marien gekommen. „Die psychisch kranke Frau hatte einen Hammer in den Gottesdienst mitgebracht“, erinnert sich Polizeisprecherin Karina Sadowsky. Eine Stimme habe sie dann aufgefordert, die vor ihr Sitzende zu erschlagen. Das schwer verletzte Opfer starb wenig später im Krankenhaus. Die Täterin gab als Beweggrund an, die Rentnerin sei vom Satan besessen gewesen.