Abendblatt-Serie Teil 1: Was nach dem Bürgerentscheid am 24. August passiert und wie die Stadt am Bau verdienen würde

St. Pauli. Rund 35 Millionen Euro soll sie die privaten Investoren kosten, die geplante Seilbahn zwischen dem Millerntorplatz nahe der U-Bahn St.Pauli und den Musicaltheatern auf Steinwerder. Das sind zwar im Vergleich mit Projekten wie der Elbphilharmonie nur die sprichwörtlichen Peanuts – und der Steuerzahler soll diesmal auch wirklich ganz und gar nicht an den Kosten beteiligt werden, wie die Investoren Stage Entertainment und Doppelmayr betonen. Dennoch ist das zunächst auf zehn Jahre begrenzte Projekt umstritten wie kaum ein anderes Vorhaben der jüngeren Zeit.

Während die Befürworter die Möglichkeit, in 80 Metern Höhe in gläsernen Gondeln auf der 1,5 Kilometer langen Strecke über die Elbe zu schweben, als neue Attraktion und den Musicalzubringer als Einstieg in ein größeres, umweltfreundliches Seilbahnnetz feiern, fürchten die Kritiker eine Verschandelung des Stadtpanoramas, eine Zerschneidung des Alten Elbparks – und eine weitere Belastung der geplagten Bewohner von St. Pauli und Neustadt mit mehr Touristen und mehr Verkehr.

Noch bis zum kommenden Sonntag können die Einwohner des Bezirks Mitte über das Projekt in einem Bürgerentscheid abstimmen. Die Beteiligung ist für viele schon jetzt überraschend hoch. Bis zum vergangenen Freitag hatten sich bereits etwa 43.000 der rund 200.000 Abstimmungsberichtigten per Briefwahl am Bürgerentscheid beteiligt. Dabei ist nicht nur der Bau der Bahn selbst umstritten. Auch die Tatsache, dass über das Projekt ausschließlich im Bezirk Mitte abgestimmt wird und nicht in ganz Hamburg, ist häufig kritisiert worden. Schließlich sei eine Seilbahn über der Elbe ein Projekt, das alle Hamburger angehe und weit über die Grenzen der Stadt Beachtung finden würde, argumentieren CDU, FDP und Grünen-Politiker – und mit ihnen viele von der Abstimmung ausgeschlossene Hamburger. Der SPD-Senat und die SPD-Mitte aber einigten sich bereits 2013 darauf, dass das Projekt in der Verantwortung des Bezirks liegen soll.

Das hat mehrere Gründe. Der SPD-Senat will sich wohl schon deshalb nicht einmischen, um es sich nicht mit dem Musical-Unternehmen Stage zu verderben, das Zehntausende Touristen nach Hamburg zieht. Allerdings hat man im Rathaus kein Bedürfnis, militanten Gentrifizierungsgegnern mit einer Seilbahn einen Kristallisationspunkt für gewalttätige Aktionen zu geben.

Auch Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) hat keine Lust auf neuen Stress, denn er hat im Bezirk und auf dem Kiez einiges vor, das ihm wichtiger ist als eine Musical-Seilbahn. Also tüftelten Grote und seine Genossen im Rathaus einen Plan aus, der den Schaden für die SPD begrenzen soll. „Da Seilbahnprojekten keine gesamtstädtische Bedeutung zukommt, obliegt die politische Beratung und Beschlussfassung den örtlichen Bezirksversammlungen“, schrieben die Genossen – hier etwas verkürzt wiedergegeben – im September 2013 in einer Senatsdrucksache.

In der Bezirksversammlung lehnte die SPD das Projekt zusammen mit Grünen, Linken und Piraten ab – und wiederholte das Prozedere nach dem Erfolg des Bürgerbegehrens der Seilbahn-Initiative, die sogleich den nun laufenden Bürgerentscheid anmeldete. Verlieren die Seilbahnfreunde, ist alles gut für die SPD. Gewinnen sie, ist wenigstens nicht die Politik schuld. So kam es zu der grotesken Situation, dass nun die Menschen in Hamm und Billstedt und sogar auf der zum Bezirk Mitte gehörenden Insel Neuwerk über eine Seilbahn abstimmen dürfen, die weit weg die Elbe überqueren soll – die Altonaer mit Elbblick aber nicht.

Die Frage ist, ob es bei dem Projekt nicht auch finanzielle Risiken für die Stadt geben würde. Zunächst einmal muss man dazu sagen: Auch wenn sich beim Bürgerentscheid eine Mehrheit dafür fände, wäre keineswegs sicher, dass die Seilbahn am Ende auch wirklich gebaut wird.

Der Senat hat zwar zugesichert, das Votum zu akzeptieren. Trotzdem müsste die zuständige Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation das Projekt auf Antrag der Investoren zunächst prüfen – nach den Vorgaben des Hamburger Seilbahngesetzes von 2004. Danach könnten betroffene Bürger im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Einwände gegen das Projekt und gegebenenfalls auch Klage erheben – wovon man im Senat angesichts des großen Widerstands auf dem Kiez sicher ausgeht. Sollte es dazu kommen, werde man die Verträge mit den Investoren so gestalten, dass für den Steuerzahler keine Risiken entstünden, heißt es in der Wirtschaftsbehörde. Dazu gehört einerseits, dass die Investoren die Kosten des Rückbaus vollständig tragen, sollte es nach der nach jetziger Planung auf zehn Jahre befristeten Seilbahngenehmigung keine Verlängerung geben. Zudem besteht der Senat auf Gebühren und Mieten für die Nutzung der städtischen Grundstücke. Wie hoch diese ausfallen, sei noch nicht festgelegt, heißt es in der Wirtschaftsbehörde: „Die Preisschilder würden bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid erst im Rahmen des Genehmigungsverfahrens aufgeklebt werden.“

Bleibt die Frage, ob die Investoren ihre angepeilten Passagierzahlen erreichen. Sie wollen immerhin sage und schreibe zu Stoßzeiten 3000 Passagiere pro Stunde über die Elbe befördern können, im Schnitt zwei Millionen pro Jahr. Das ist ein ausgesprochen ambitioniertes Ziel. Die einfache Fahrt soll für Erwachsene 6 Euro, für Kinder 3 Euro, für HVV-Dauerkartenbesitzer die Hälfte kosten. Fahrräder sollen kostenfrei mitfahren. Stage und Doppelmayr versprechen sich nicht nur Gewinn durch Touristenfahrten – sondern auch Ersparnisse gegenüber den hohen Zahlungen, die sie jetzt für die Fährfahrten der Musicalbesucher leisten.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist letztlich ihr eigenes Risiko. Dass das erfolgreiche Musicalunternehmen Stage und Doppelmayr, eines der weltweit größten Seilbahnunternehmen, sich dabei so schwer verkalkulieren, dass sie in die Pleite geraten und die Stadt auf den Kosten sitzen bleibt, gilt als sehr unwahrscheinlich. Garantien gibt es dafür aber natürlich auch nicht.

Lesen Sie morgen Teil 2: Auswirkungen auf die Hadag und den übrigen Verkehr