Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Mitarbeiterin des Jugendamts

Hamburg. Lucia ist acht Wochen alt, aber ihre Mutter Anna, 30, darf ihr Baby nur zweimal am Tag für je zwei Stunden sehen. Das hat das Familiengericht Altona beschlossen, nachdem das Jugendamt die Inobhutnahme des Mädchens angeordnet hatte. Als das Abendblatt am Freitag über den Fall berichtet hat, befand sich die kleine Lucia in der Universitätsklinik Eppendorf (UKE). Dort ist sie wegen gelegentlicher Atemaussetzer an einen Monitor angeschlossen, der ihre Herztöne aufzeichnet. Dann erfuhr Anna, dass ihre Tochter „in wenigen Augenblicken“ in eine Pflegefamilie gegeben wird.

„Diese Nachricht erhielt die Kindesmutter unmittelbar vor Abholung des Kindes telefonisch von Mitarbeitern des UKE!“, schreibt die Anwältin von Anna in einer Stellungnahme für das Familiengericht. „Mitarbeiter des UKE riefen die Kindesmutter an und fragten, ob sie sich nicht von ihrem Kind verabschieden wolle.“ Anna erlitt daraufhin einen Weinkrampf, ihre Anwältin hat Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Mitarbeiterin im Jugendamt Altona gestellt.

Die vornehmliche Aufgabe des Jugendamts sei es doch zu vermitteln. „Die Kindesmutter wird behandelt wie eine Schwerverbrecherin“, schreibt sie. „Das Jugendamt hält es nicht einmal für notwendig, mit der Kindesmutter die Situation vorab zu besprechen!“ Das sei eine massive Verletzung der Dienstpflichten. Die Mitarbeiterin vertritt den Amtsvormund, der im Urlaub ist. „Sie hat in erheblichem Maße gegen ihren Aufgabenkreis verstoßen.“

Anna leidet an Epilepsie. Lucia ist ein Wunschkind, einen Tag nach der Geburt im Albertinen-Krankenhaus erleidet das Neugeborene einen Anfall. Es atmet nicht mehr, läuft blau an. Anna läuft in Panik auf den Stationsflur und sagt, nachdem sie von den Schwestern wieder beruhigt worden ist: „Ich musste mein erstes Kind töten.“ Sie und ihre Freundin Juli klären die Klinikmitarbeiter anschließend sofort auf, dass sie mit dem Satz eine Abtreibung im Alter von 15 Jahren gemeint hat. Aber der Satz landet beim Jugendamt, und seitdem steht Anna unter staatlicher Beobachtung. Die Fronten verhärten sich.

Erst heißt es, Anna sei verunsichert und etwas merkwürdig. Sie wird im UKE psychiatrisch untersucht. Der diensthabende Arzt findet keine Anzeichen für eine psychische Störung, sagt aber in einem Telefonat mit der Richterin, er wisse nicht, ob die Mutter alles preisgegeben habe. Die hinzugezogene Gutachterin schließt eine psychische Störung bei Anna aus. „Die Mutter ist eher überbesorgt und sehr bereit, Hilfen anzunehmen.“

Die Sachverständige spricht sich dafür aus, die Trennung von Mutter und Kind wieder aufzuheben. Ansonsten könne sie keine Verantwortung mehr „für das Kindeswohl und die Unversehrtheit der Mutter“ übernehmen. Denn: Da Anna Epileptikerin sei, „drohen Anfälle bei weiterem (künstlich durch Ärzte, Behörden und Pflegepersonen) erzeugten psychischen Stress“.

Bis Freitag war Anna stationär im Epilepsiezentrum des Evangelischen Krankenhauses Alsterdorf untergebracht. Seit dem 8.Juli sind bei ihr keine Anfälle mehr aufgetreten, sie wurde „in einem stabilen Allgemeinzustand“ entlassen. Sie wünscht sich nichts mehr, als mit ihrer Tochter in einer therapeutischen Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht zu werden. Solange das Sorgerecht beim Amt ist, liegt die Entscheidung aber nicht in ihrer Hand.

Noch nicht geklärt ist in diesem komplizierten Fall, mit welchen Fakten ein Satz aus der UKE-Rechtsmedizin an das Familiengericht begründet worden ist. „Laut Angabe von Dr. D. Seifert aus dem Institut für Rechtsmedizin des UKE besteht der Verdacht auf stattgehabte Schädigung von Lucia durch die Mutter“, heißt es. Anna sagt, sie habe mit Dr. Seifert nicht gesprochen. Das UKE will sich wegen des laufenden gerichtlichen Verfahrens nicht äußern. Gut möglich, dass das Familiengericht durch Befragung der UKE-Ärztin noch für Aufklärung sorgen kann.

Die Anwältin von Anna hat neben der Dienstaufsichtsbeschwerde dem Jugendamt auch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes angedroht. Es gebe eine vom Gericht festgesetzte Umgangsregelung, dass die Mutter ihr Kind zweimal täglich zwei Stunden sehen dürfe. In einem Telefonat mit der Mitarbeiterin hätte diese gesagt: „Das ist mir egal.“ Die Anwältin habe sie darauf hingewiesen, dass bei dem Telefonat noch eine Kollegin im Büro zugegen war. Daraufhin habe die Mitarbeiterin gesagt, ihr seien „Umgangsrechtsbeschlüsse vollkommen egal“, sie handle „ja hier zum Wohle des Kindes“, dann müsse sie eben ein Bußgeld zahlen. Das Jugendamt unterliegt dem Sozialdatenschutz und kann sich zum Einzelfall nicht äußern. Sprecherin Kerstin Godenschwege sagt aber: „Für das Jugendamt hat das Kindeswohl absolute Priorität.“