Von August an gibt es 139 spezielle Klassen, 2012 waren es erst 77. Die FDP fordert Umsteuern bei Belegung der Wohnunterkünfte

Hamburg. Auch das ist eine Folge der verstärkten Zuwanderung von Flüchtlingen aus den Krisengebieten vor allem des Nahen und Mittleren Ostens sowie Afrikas: Der Unterricht von Jungen und Mädchen, die vor Krieg und Verfolgung nach Hamburg geflüchtet sind, nimmt an den allgemeinen Schulen einen immer größeren Raum ein. Nach den Sommerferien werden Flüchtlingskinder in 139 Klassen vor allem an Grund- und Stadtteilschulen unterrichtet. Zum 1. August 2012 waren es erst 77 Klassen – beinahe eine Verdoppelung innerhalb von zwei Jahren.

Die Zahlen nennt der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Martina Kaesbach. Zum Schuljahrsbeginn werden sieben Alphabetisierungsklassen und 19 Internationale Vorbereitungsklassen neu eingerichtet. Zunehmend werden die Gymnasien in die Pflicht genommen. Bislang war das Gymnasium Hamm mit fünf Vorbereitungsklassen der einzige Standort dieser Schulform. Nach den Sommerferien kommen fünf Gymnasien mit jeweils einer Klasse hinzu.

„Die Zahl der Kinder in Klassen zur Flüchtlingsintegration hat sich in zwei Jahren fast verdoppelt, und dieser Trend wird sich wohl noch verstärken“, sagt Kaesbach. Laut der aktuellen Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) könnten in diesem Jahr 175.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Im Januar war noch von 140.000 Menschen ausgegangen worden – eine Steigerung um 28 Prozent gegenüber 2013.

„Dass Sozialsenator Detlef Scheele erst jetzt Alarm schlägt und sich mit dem Rücken zur Wand sieht, zeigt einmal mehr, dass der Senat das Problem monatelang verschlafen hat“, kritisiert Kaesbach. Vor einem Monat hatte Scheele darauf hingewiesen, dass in diesem Jahr noch 4000 Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen fehlen. Bei 2400 Plätzen sei klar, wo sie entstehen sollen. „Bei 1600 Plätzen wissen wir noch nicht einmal, wo wir sie bauen können“, so der SPD-Politiker.

Vom heutigen Montag an werden erstmals wieder Flüchtlinge in einem Hotel untergebracht – 160 Frauen, Männer und Kinder. Um die Kapazitätsengpässe zu beseitigen, rückt auch die Anmietung von Wohnschiffen wieder näher, die bereits in den 90er-Jahren vor Neumühlen vor Anker lagen. Die Hamburg Port Authority (HPA), die Scheele Anfang des Jahres um die Prüfung geeigneter Liegeplätze im Hafen und die Sichtung des Angebots an Schiffen gebeten hatte, hat ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen. „Das ist ein Armutszeugnis und beweist einmal wieder die äußerst schwerfällige Umsetzung“, so die FDP-Politikerin Kaesbach.

Kritik am Senat kommt auch von der Linken. „Kaum hat Sozialsenator Scheele mal eine zündende Idee – auf dem igs-Parkplatz in Wilhelmsburg Wohncontainer aufzustellen –, schiebt Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau gleich einen Riegel vor“, sagt die Linken-Abgeordnete Cansu Özdemir. Bürgermeister Olaf Scholz müsse das „peinliche Kompetenzgerangel“ beenden. Handeln müsse Scholz auch, um die prekäre Lage bei der Erstaufnahme zu beseitigen, deren Unterkünfte mit 700 Menschen überbelegt sind.

Die FDP fordert den Senat außerdem auf, bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Anschluss an die Erstaufnahme (Folgeunterkunft) umzusteuern. Die seit 2007 bestehende Regelung, dass Flüchtlinge und Wohnungslose gemeinsam in den Unterkünften leben, solle beendet werden. „Wir fordern, dass der Senat zeitnah die Verteilung auf die Unterkünfte nach Zielgruppen und Bedarfen der Menschen umstellt“, sagt Kaesbach. Das könne die Integrationsquote erhöhen.

Die durchschnittliche Verweildauer in den Wohncontainern sei mit vier Jahren und zwei Monaten viel zu hoch. „Eine Vermittlung in regulären Wohnraum findet nicht statt“, sagt die FDP-Politikerin. Wie berichtet, hatte Scheele eine Liste mit den Namen von 300 Familien Blankau mit der Bitte übermittelt, für die rund 1300 Menschen leer stehende Wohnungen etwa bei Saga GWG zu finden. Die Antwort steht aus.