Bildungssenator Ties Rabe legt Bericht vor. Demnach verbessert sich jeder zweite Teilnehmer – Opposition unzufrieden

Hamburg. Als der Schüler Ties Rabe zum zweiten Mal in Folge eine Englisch-Fünf im Zeugnis hatte, entschlossen sich seine Eltern, einen Nachhilfelehrer zu engagieren. Während die Rabes die privaten und letztlich erfolgreichen Extrastunden in den 70er-Jahren bezahlen mussten, kann Schulsenator Ties Rabe (SPD) heute jährlich knapp elf Millionen Euro bereitstellen, damit leistungsschwache Schüler kostenlose Nachhilfe in der Schule erhalten.

Im ersten Halbjahr 2013/14 nahmen 23.103 Schüler (rund 13 Prozent aller Schüler) an insgesamt 6884 Kursen teil. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zahl teilnehmender Schüler um 4,5 Prozent erhöht. Am stärksten betroffen waren die Klassenstufen 4, 8, 9 und 10. Die Vorgaben sind klar: Wer in einem Fach auf Fünf oder schlechter steht, muss an der kostenlosen Lernförderung teilnehmen. Das heißt in der Regel: zwei Zeitstunden zusätzlichen Unterricht pro Woche in Kleingruppen mit drei oder vier Schülern. Mathematik ist das Zitterfach der meisten Schüler mit 39 Prozent aller Kurse, gefolgt von Deutsch (35 Prozent) und Englisch (14 Prozent). Es gibt eine Reihe von Schulen, die die Kurse auch für Schüler anbieten, deren Leistungen noch ausreichend sind, Tendenz fallend.

Was hat die Nachhilfe gebracht? Nach Angaben der Schulbehörde konnten 10.937 Schüler dank der kostenlosen Lernförderung ihre Defizite in den einzelnen Fächern abbauen. Mit anderen Worten: Sie hatten keine Fünf mehr. Das entspricht einer Quote von 47,3 Prozent. Im vergangenen Schuljahr (2012/13) konnten 256 Sechstklässler an Gymnasien eine drohende Abschulung vermeiden und wurden nach Klasse sieben des Gymnasiums versetzt. Dagegen mussten rund 800 Sechstklässler auf die Stadtteilschule wechseln, weil ihre Leistungen für den Verbleib auf dem Gymnasium nicht ausreichten. Für das jetzt zu Ende gehende Schuljahr liegen noch keine Zahlen vor. Das gilt auch für den Übergang von Klasse 10 (Gymnasium) und Klasse 11 (Stadtteilschule) in die Oberstufe.

Schulsenator Rabe zog dennoch eine positive Zwischenbilanz des 2010 noch zu Zeiten des schwarz-grünen Senats gestarteten Projekts. „Seit Einführung wurde die Lernförderung kontinuierlich ausgebaut. Sie gehört mittlerweile zum festen Lernangebot unserer Schulen“, sagte Rabe. Die Nachhilfekurse werden zu 35 Prozent von Lehrern an der jeweiligen Schule gegeben, von Mitarbeitern privatwirtschaftlicher Nachhilfe-Institute (elf Prozent) sowie von Sozialpädagogen (vier Prozent). Die Hälfte aller Nachhilfelehrer sind Honorarkräfte, vor allem Studenten, Referendariatsanwärter und pensionierte Lehrer. Für 60 Minuten Unterricht erhalten sie 22 Euro.

Parallel zur Einführung der staatlichen Nachhilfe (offiziell: „Fördern statt Wiederholen“) war das Sitzenbleiben generell abgeschafft worden. Ausnahmen bei Langzeiterkrankungen, psychischen Störungen oder familiären Krisensituationen wie Scheidungen sind nach wie vor möglich. Laut Rabe hat sich die Zahl der Sitzenbleiber auf rund 2300 Jungen und Mädchen seit 2010 fast halbiert.

Kritik an dem Konzept der staatlichen Nachhilfe kam von der Opposition. „Zur Qualität der Nachhilfe und deren langfristiger Wirkung konnte der Senator nichts berichten, stattdessen servierte er einen Zahlensalat“, sagte die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Niemand wisse, wie lange der Erfolg anhalte, wenn sich ein Kind dank Nachhilfe von einer Fünf auf eine Vier verbessert habe, weil bislang keine wissenschaftliche Begleitung für das Programm existiere. Genau diese Untersuchung kündigte Rabe allerdings am gestrigen Montag an. Erste Ergebnisse sollen in einem Jahr vorliegen.

„Schulsenator Ties Rabe versucht wieder einmal, die selbst verschuldeten Probleme hinter einem Zahlenwust zu verstecken“, monierte auch die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels. Der Anstieg der Teilnehmerzahlen sei kein Erfolg, sondern belege nur, „dass der reguläre Unterricht vielfach nicht fruchtet“. Treuenfels: „Wenn der Senator keine Detailzahlen für die einzelnen Schulformen vorlegt, lässt das befürchten, dass er Problemballungen in den Stadtteilschulen verschleiern will.“

Auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien fehlen noch wesentliche Informationen, um die Wirksamkeit der Lernförderung beurteilen zu können. „Eine so einschneidende Veränderung wie die Abschaffung des Sitzenbleibens, die bundesweit kontrovers diskutiert wird, muss unbedingt wissenschaftlich evaluiert werden“, sagte Prien. „Schulpolitische Blindflüge dürfen wir unseren Kindern nicht weiter zumuten.“ Die Union ist für die Wiedereinführung des Sitzenbleibens.

„Die staatliche Nachhilfe greift nicht einmal bei der Hälfte der betroffenen Schüler, die in einem oder mehreren Fächern auf eine Fünf oder schlechter abgerutscht sind“, sagte der fraktionslose Abgeordnete Walter Scheuerl, der „das Dogma des zwanghaften Aufrückens“ ebenfalls kritisierte.

Rabe trat den Bedenken hinsichtlich der Qualität des Nachhilfeunterrichts entgegen: „Wir können davon ausgehen, dass die Kurse fachlich auf einem vernünftigen Niveau stattfinden.“ Er sei persönlich nach Besuchen an einzelnen Schulen auch der Meinung, dass „viele Honorarkräfte eine sehr gute Arbeit machen“.