Fraktion plädiert zwar für U-Bahn, andere Modelle sollen aber auch geprüft werden. Senat mauert, Mobilitätsbeirat konstituiert sich.

Hamburg. Der Bau einer Stadtbahn ist offenbar auch für die regierende SPD noch nicht für alle Zeiten ausgeschlossen. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hat betont, dass bei der Entwicklung eines langfristigen Nahverkehrskonzepts für Hamburg bis 2030 alle öffentlich diskutierten Varianten geprüft würden – also neben dem vom Senat favorisierten Bau einer neuen U-Bahn-Linie 5 auch das Metrobahn-Konzept der Handelskammer und die von der CDU vorgelegte Stadtbahn-Planung. „Alle Modelle müssen gegeneinander abgewogen werden“, sagte Dressel dem Abendblatt. „Und es muss am Ende argumentativ begründet werden, welches Modell aus welchen Gründen das bessere ist.“ Es gebe keine Tabus bei der Prüfung – auch nicht in Bezug auf die Stadtbahn. Bei dem Thema Stadtbahn sind Senat und Bürgerschaftsfraktion allerdings offenbar derzeit nicht vollständig auf einer Linie.

Fraktion fordert vom Senat langfristiges Nahverkehrskonzept bis 2030

Mit einem Ende März beschlossenen Bürgerschaftsantrag hatte die SPD den Senat aufgefordert, „ein Konzept mit dem Ziel eines breiten gesellschaftlichen Konsenses über die in den 20er-Jahren zu realisierenden ÖPNV-Maßnahmen zu entwickeln, das damit auch über mehrere Legislaturperioden hinaus Wirkung und Verlässlichkeit entfalten kann“. Dabei soll sich der Senat nicht auf bestimmte Verkehrsmittel konzentrieren, vielmehr seien „schon heute vorgelegte Überlegungen, wie zum Beispiel von der Handelskammer, aus dem politischen Bereich und von einzelnen Verkehrsunternehmen (...) in dem Erarbeitungs- und Beteiligungsprozess einzubeziehen“.

Eine deutliche Ansage. Der Senat aber hat offenbar kein Interesse, sich weiter um das Thema Stadtbahn zu kümmern. Auf eine schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Klaus-Peter Hesse antwortet er jetzt: „Der Senat hat (...) beschlossen, die vom Vorgängersenat betriebenen Planungen zur Einführung einer Niederflurstadtbahn in Hamburg einzustellen. Im Gegenzug soll der ÖPNV durch Ausbau und Optimierung der bestehenden Systeme zukunftsfähiger werden. Diese eindeutige Beschlusslage gilt unverändert fort. Auch das von der Bürgerschaft am 25. März 2014 beschlossene Ersuchen enthält nicht die Bitte, Planungen für eine Stadtbahn wieder aufzunehmen oder entsprechende Untersuchungen aufzunehmen.“

Damit widersetzt sich der Senat zumindest indirekt dem Bürgerschaftsbeschluss – und beantwortet die Frage des CDU-Abgeordneten auch nicht wirklich. Denn Hesse hatte gar nicht nach der Wiederaufnahme konkreter Planungen gefragt, sondern lediglich danach, ob die Stadtbahn, wie von SPD-Fraktion und Bürgerschaft beschlossen, mit in die Prüfung einbezogen und auch vom neu eingerichteten Mobilitätsbeirat des Senats untersucht würde – wie es auch die SPD-Fraktion will. Im SPD-Antrag zum Nahverkehrskonzept heißt es: „Die Federführung übernimmt die für den Verkehrsbereich zuständige Fachbehörde unter Einbeziehung des Mobilitätsbeirats.“

Der neue Beirat trifft sich erstmals am 30.April. Seine Mitglieder kommen aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung, Verbänden und Wirtschaft. Vorsitzender ist der Staatsrat der Wirtschafts- und Verkehrsbehörde, Andreas Rieckhof. „Die Beteiligung wichtiger für die Verkehrsplanung relevanter Gruppen und Institutionen soll von Beginn an ermöglicht und während des gesamten Planungsprozesses sichergestellt werden“, heißt es im Mobilitätsprogramm des Senats. „Kernbaustein der Verkehrsentwicklungsplanung ist der Mobilitätsbeirat, an dem die relevanten Akteure der verkehrspolitischen Arena teilnehmen. Dort werden verkehrspolitische Ziele diskutiert, Zielkriterien bestimmt, Szenarien vorgestellt, Maßnahmenpakete diskutiert und zur Weiterverfolgung vorgeschlagen. Der Mobilitätsbeirat hilft bei der Abwägung von Zielkonflikten und hat somit eine beratende Funktion bei der Vorbereitung von politischen Beschlüssen.“

Auch weil der Senat mit seine Plänen zum Bau einer neuen U-Bahn-Linie 5 bereits vor der ersten Sitzung des neuen Gremiums an die Öffentlichkeit gegangen ist, fürchtet die Opposition, dass der Mobilitätsbeirat nur als Symbol dienen und keinerlei wirklichen Einfluss haben soll. „Ich werde nicht im Mobilitätsbeirat mitarbeiten, wenn dieser lediglich als Feigenblatt für eine schlechte Senatspolitik dienen soll“, sagt etwa CDU-Verkehrspolitiker Klaus-Peter Hesse. „Die Stadtbahn muss als Lösung der Verkehrsprobleme auch im Mobilitätsbeirat besprochen werden, wir nehmen Andreas Dressel beim Wort. Bisher hat sich der Senat immer geweigert, sich mit der Stadtbahn zu beschäftigen. Die CDU fordert dies jetzt ein.“

Das sieht Grünen-Verkehrspolitiker Till Steffen ähnlich. „Es gibt in der SPD etliche Freunde der Stadtbahn. Die wissen, dass die Stadtbahn die einzige Chance ist, zu spürbaren Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr zu kommen“, so Steffen. „Zu deren Befriedung macht die SPD-Fraktion jetzt hier einen kleinen Eiertanz.“

Auch Steffen kritisiert, dass der Senat bereits vor der ersten Sitzung des Mobilitätsbeirats seine U5-Pläne präsentiert hat, nach denen in den 2020er-Jahren eine neue U-Bahn von Bramfeld über die City nach Osdorf gebaut werden soll. „Es ist schade, dass die Fachkompetenz der Mitglieder des Beirats nicht genutzt wird. Stattdessen gibt es wieder eine Entscheidung ohne fundierte Faktenbasis, die absehbar wieder ins Nichts führt“, so Steffen. „Es wäre sinnvoll, sich zunächst mit Prognosen der Verkehrsentwicklung und unterschiedlichen Strategien verschiedener Städte auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch, sich abzugucken, wie man im Rahmen von Infrastrukturprojekten eine vernünftige Beteiligung hinbekommt und Maßnahmen durchsetzt.“

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel wiederholte derweil seine Bedenken, was den Bau einer Stadtbahn angeht. In den zum Teil sehr engen Hamburger Straßen sei dieser aus seiner Sicht kaum durchzusetzen. Zudem sei eine U-Bahn hinsichtlich Geschwindigkeit und Kapazitäten „unschlagbar“. Zur Finanzierung des auf 3,8 Milliarden Euro geschätzten U-Bahn-Baus hofft Dressel auf eine Förderung durch den Bund von 100 Millionen Euro jährlich.

Dem SPD-Fraktionschef ist dabei durchaus bewusst, dass die Hamburger SPD schon häufiger mal neue U-Bahnen in Wahlkämpfen versprochen und die Projekte nachher wieder kassiert hat. Das sei „verheerend“ gewesen, so Dressel. In Zukunft könne so etwas aber schon deswegen nicht passieren, weil es aufgrund der stetig zunehmenden Passagierzahlen gar keine Alternative zu neuen Strecken gebe, so Dressel. „Wir sind zum Ausbau verdammt.“