Bewohner in der Glashüttenstraße erhielten Verwertungskündigung. Abriss und Neubau geplant. Noch liegt dem Eigentümer aber keine Genehmigung vor

St. Pauli. Sie wohnen hier seit vielen Jahren, aber jetzt müssen sie befürchten, ihre Wohnungen im Karolinenviertel zu verlieren. Und das trotz bestehender Gesetze und Schutzvorschriften, die für dieses Viertel gelten. Zwölf Mietparteien in der Glashüttenstraße wurden ihre Mietverträge im Rahmen einer Verwertungskündigung bis zum 31. Juli des Jahres gekündigt. Ihnen wurde mitgeteilt, dass die Absicht besteht, die Häuser abreißen und einen Neubau entstehen zu lassen.

„Ich wohne hier seit mehr als 20 Jahren“, sagt Achim Neumann. Der 47-Jährige zahlt für seine 54 Quadratmeter große Wohnung eine Nettokaltmiete von 345 Euro. Im Sommer letzten Jahres bekam er wie alle anderen Mieter in dem Gebäudekomplex die Kündigung. „Wir sind entsetzt darüber, dass die Eigentümer keinerlei Interesse am Erhalt der Gebäude und am Schutz der bestehenden Mieterverhältnisse zeigen“, sagen die Bewohner.

Die Kündigung der Mietverhältnisse haben die zwölf Mietparteien in der Glashüttenstraße noch von der Vorbesitzerin bekommen, der neue Eigentümer verfolge aber die gleichen Interessen, sagt Mieter-Anwalt Bernd Vetter. „Er will die Häuser abreißen und durch Neubauten ersetzen lassen.“ Seinen Mandanten seien ihre Mietverhältnisse nur aus dem Grund gekündigt worden, „weil sie den Eigentümer angeblich an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung hindern“. Die Mieter hätten bisher von Eigentümerseite keinerlei Informationen erhalten. „Die erbetenen Gespräche über ihre Situation sind verweigert worden“, sagt Bernd Vetter.

Beim Bezirksamt Hamburg-Mitte sei bereits eine Abrissgenehmigung beantragt worden, so Vetter. Dabei liegen die Häuser im Sanierungsgebiet, und es gilt die Soziale Erhaltensverordnung, die Mieter in bestimmten Stadtvierteln vor Vertreibung schützen soll. Im Januar hat der Sanierungsbeirat empfohlen, den Abbruchantrag abzulehnen. „Es liegt bisher keine Abrissgenehmigung für die Häuser vor – und die wird auch nicht ohne Weiteres erteilt werden“, sagt Sorina Weiland, Pressesprecherin im Bezirk Mitte.

„Der teilweise schlechte Zustand der Häuser ist der jahrzehntelangen Vernachlässigung der Instandsetzungsverpflichtungen durch die Eigentümer geschuldet. Dafür dürfen sie aber jetzt nicht mit einer Abriss- und Baugenehmigung belohnt werden“, sagt Bernd Vetter.

So sehen es auch die betroffenen Mieter. „Die in den Kündigungen zitierte schlechte Bausubstanz der Gebäude ist aus unserer Sicht einerseits wesentlich darauf zurückzuführen, dass es alle bisherigen Eigentümer versäumt haben, notwendige Arbeiten durchzuführen, um die Wohnungen in einen zeitgemäßen Zustand zu versetzen“, sagen sie. Es sei immer nur das Nötigste gemacht worden. So seien in dem Häuserkomplex, in dem bereits vier Wohnungen leer stehen, einmal neue Fenster eingebaut worden. Zudem bestreiten die Mieter energisch, dass die Mängel zwingend einen Abriss und den Wegzug der Bewohner erfordern.

In einem Schreiben an sämtliche Fraktionen im Bezirk haben die Mieter jetzt die Politiker um Hilfe gebeten. „Wir wollen nicht hinnehmen, dass dieses auf Mieterverdrängung und Profitinteressen gezielte Verhalten durch Genehmigungen aller Art von behördlicher und politischer Seite belohnt wird und wieder einmal Mieter im Karolinenviertel aus ihren langjährigen familiären und sozialen Zusammenhängen gerissen und gezwungen werden, finanzielle unabsehbare Risiken einzugehen, um Ersatzwohnräume zu bezahlen“, schreiben sie. „Welche existenzbedrohenden Konsequenzen sich für einige der Mieter daraus ergeben würden, muss hier nicht weiter erläutert werden.“

Mieter Johannes Kaurisch setzt auf die Unterstützung der Parteien: „Wir zählen darauf, dass sie dafür sorgen werden, dass die noch vorhandene soziale Durchmischung im Karoviertel nicht weiter zerstört wird.“