Im dritten Teil des Bürgermeistergipfels geht es um Frauen in politischen Spitzenämtern, Architektur und die Herausforderungen für Hamburg

Im abschließenden dritten Teil des Bürgermeistergipfels diskutieren die fünf ehemaligen Senats-Chefs und Olaf Scholz über die Veränderungen der Stadtlandschaft, gute und schlechte Architektur, die größten Herausforderungen der Zukunft sowie die Frage, wann zum ersten Mal eine Frau Hamburg regieren wird. Das Abendblatt hat alle in Hamburg lebenden Altbürgermeister und den aktuellen Amtsinhaber an einen Tisch gebracht, um über die künftige Entwicklung Hamburgs, über Chancen, Risiken und Gefahren zu diskutieren. Klaus von Dohnanyi, Henning Voscherau, Ortwin Runde (alle SPD), Ole von Beust und Christoph Ahlhaus (beide CDU) haben Hamburg zusammengerechnet rund 30 Jahre regiert.

Zwei Stunden lang debattierten die sechs an einem Ort, der den passenden Rahmen lieferte: Das sogenannte Verlegerbüro in der zwölften Etage des denkmalgeschützten Hochhauses des Springer-Verlags bietet einen spektakulären Blick über die Stadt. Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider moderierte das Gipfel-Treffen. Außerdem dabei: die Redakteure Sascha Balasko, Franziska Coesfeld, Insa Gall, Matthias Iken und Peter Ulrich Meyer.

Hamburger Abendblatt:

Es werden viele Wohnungen in Hamburg gebaut. Trotzdem werden Menschen aus ihren Quartieren verdrängt, weil sie die Mieten nicht mehr zahlen können. Andererseits wird immer die eintönige Architektur kritisiert. Wo bleibt das unverwechselbare Gesicht der Stadt?

Olaf Scholz:

Die Stadt hat viele beeindruckende Gebäude. Es gibt mehr als 920.000 Wohnungen. Die dort wohnen, sagen, Hamburg sei eine schöne Stadt. Das wird man nicht über jedes einzelne Bauwerk sagen können, aber über das Gesamtensemble. Diejenigen, die sagen, Hamburg sei die schönste Stadt Deutschlands, haben alle recht.

Ole von Beust:

Schönste Stadt der Welt.

Scholz:

Ich bin bescheiden (lacht). Wir müssen weiter Wohnungen bauen. Sonst wird das Wohnen irgendwann für manche zu teuer. Ich denke an Paris oder London, wo sich viele das Wohnen nicht mehr leisten können und deshalb viele Stunden zur Arbeit fahren oder unfreiwillig in Wohngemeinschaften leben. Die Lage ist in Hamburg angespannt, aber nicht so dramatisch. Es kann aber so dramatisch werden, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir werden am Ende dieses Jahres wohl 35.000 Baugenehmigungen erteilt haben, und wir müssen dafür sorgen, dass die Zahl der Baugenehmigungen immer oberhalb der von mir angekündigten Zahl von jährlich 6000 neuen Wohnungen liegt. Wenn wir das schaffen, gelingt es uns, mit dem weiteren Zuzug in die Stadt umzugehen. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland beträgt rund 2800 Euro brutto im Monat. Und ich will, dass jemand, der 2800 Euro oder sogar weniger verdient, sich in Hamburg eine Wohnung leisten kann. Im 19.Jahrhundert wurde an den Toren Hamburgs ein Sperrgeld erhoben. Das war ein Symbol dafür, dass man nicht alle haben wollte. Das darf nicht so sein.

Das heißt also mehr sozialer Wohnungsbau, oder?

Scholz:

Ja, und damit das gelingt, müssen wir auch in den Stadtteilen, in denen Grund und Boden etwas teurer ist, geförderten Wohnraum errichten. Das Bauen von geförderten Wohnungen ist übrigens nicht billig. Der Durchschnittspreis pro Quadratmeter allein für die Baukosten beträgt rund 2700 Euro. Das ist kein schlechter Standard. Wir haben entschieden, dass überall, wo die Stadt Grundstücke verkauft, ein Drittel geförderter Wohnraum entsteht. Und wir haben auch entschieden, dass überall, wo neues Baurecht gewährt wird, ein Drittel geförderter Wohnraum entstehen muss. Und wir haben entschieden, dass die städtische Wohnungsgesellschaft Saga GWG wieder Wohnungen baut – 1000 Wohnungen pro Jahr. Das alles funktioniert aber nur, wenn die ganze Stadt attraktiv ist. Wir wollen zum Beispiel auch die Stadtteile weiterentwickeln, auf die die HafenCity zuwächst – zum Beispiel Rothenburgsort, Hamm und Horn. Das können gut erschlossene, attraktive Quartiere werden, wenn wir uns Mühe geben.

Die Abendblatt-Leser Jutta und Jürgen Schriever fordern „lebendige Architektur“. Sie schreiben: „Es gibt wenige gute Beispiele, viel zu viele Schuhkartons mit spießiger Uniformität.“ Ist das eine zu harte Kritik?

Klaus von Dohnanyi:

Das ist eine Übertreibung. Man kann sagen, dass es in der HafenCity an einigen Punkten vielleicht etwas zu viel Glas verbaut wurde. Aber im Ganzen ist die Hamburger Architektur vielfältig genug.

Henning Voscherau:

Man muss auch sagen, dass so ein unglückseliger Bürgermeister, seine Senatsmitglieder und die Genehmigungsbehörden überhaupt keine rechtlichen Instrumente haben, Bauherren und Architekten Nachhilfeunterricht in Ästhetik zu erteilen. Als Folge des negativen Beispiels des Hobbyarchitekten Adolf Hitler und seines Chefplaners Albert Speer gibt es bei uns eine große Bandbreite dessen, was erlaubt ist. Die Leute können bauen, was sie wollen, bis hin zu den Tanzenden Türmen, solange es den technischen Vorschriften entspricht. Es gibt keine Geschmacksdiktatur von Olaf Scholz und keinem seiner Vorgänger. Das ist auch richtig. Der Preis ist, dass es manchmal langweilige Häuser gibt.

Zum Abschluss der Diskussion noch zwei grundsätzliche Fragen: Was ist die größte Herausforderung für Hamburg und wann wird zum ersten Mal eine Frau Erste Bürgermeisterin?

Voscherau:

Die zweite Frage werden die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Die größte Herausforderung ist von Hamburg aus nicht lösbar: die bundesrechtliche Finanzverteilung. Das hat mich schon in meiner Amtszeit frustriert und meine Lust an der Verantwortung geschmälert.

Ortwin Runde:

Sechs Frauen – 50 Prozent – hatte ich in meinem Senat. Das fand ich ein gutes Ergebnis.

Von Dohnanyi:

Solange du Bürgermeister bliebst. (Lachen)

Runde:

Ich habe nicht darauf verzichtet, Bürgermeister zu sein. Bei der Frage der Spitzenkandidaten haben ja auch die Parteien noch ein Wörtchen mitzureden und die Wähler. Eine Herausforderung ist in der Tat die Finanzverfassung plus Solidarpakt und Schuldenbremse. Herausforderung ist aktuell die schwierige Lage der HSH Nordbank und wird in Zukunft die Bespielbarkeit des großen Turms hinter mir (zeigt auf die Elbphilharmonie, die Red.) sein. Ansonsten wird der Alltag des Zusammenlebens in dieser Stadt die Herausforderung sein.

Christoph Ahlhaus:

Der Alltag ist immer eine Herausforderung, aber das ist ja gerade das Schöne, dass man sich immer wieder auf etwas Neues einstellen muss. Die größte Herausforderung liegt für mich in der Zukunftssicherung der wirtschaftlichen Prosperität. Es muss ein gewisser Strukturwandel gelingen mit der Clusterbildung zwischen Industrie und Wissenschaft. Und es geht, auch wenn viele das als unmodern empfinden, um die Zukunftsfähigkeit des modernen Hafens, der mehr ist als nur Güterumschlag. Dabei spielt nicht nur die Elbvertiefung eine Rolle, die kommen muss und kommen wird. Was die erste Bürgermeisterin angeht, sind wir, wie ich glaube, gesellschaftlich darüber hinaus, dass man diese Frage immer wieder stellen muss. Aber es hat in Hamburg noch nie eine Bürgermeisterkandidatin gegeben.

Ahlhaus:

Es kommt, wie es kommt. Wenn die Wähler eine Frau wählen, dann ist sie da. Prognosen kann man da nicht abgeben.

Von Beust:

Wir müssen das Gleichgewicht zwischen ökonomischer Stärke, sozialer Geborgenheit und ökologischer Verantwortung weiterentwickeln. Das geht nur, wenn wir uns zum Beispiel im Bereich der Wissenschaft auf eine Kraftanstrengung einigen und definieren, wo wir in zehn Jahren stehen wollen, und das überprüfbar machen. Ich sehe im Moment keine Frau, die sich warmläuft. Also bei der nächsten Wahl rechne ich nicht damit.

Voscherau:

Bei der nächsten Wahl wird Olaf Scholz wiedergewählt.

Von Beust:

Wer es auch sein wird, Olaf Scholz oder Dietrich Wersich – beide sind unbestreitbar Männer.

Von Dohnanyi:

Die größte Herausforderung für den Bürgermeister wird darin bestehen, Prioritäten zu bilden gegenüber einer Vielzahl von Wünschen und Ansprüchen, und sie auch in der eigenen Partei durchzusetzen. Die größte Schwierigkeit wird in der Entwicklung Hamburgs zur Wissenschaftsmetropole liegen – noch dazu bei begrenzten Mitteln. Man kann überhaupt nicht voraussagen, wann eine Frau Bürgermeisterin wird. Nur: Wer hätte im Jahr 2000 gedacht, dass wir einmal eine Bundeskanzlerin haben würden? Fünf Jahre später war es so weit. Also, das ist die Frage derer, die da kommen.

Von Beust:

Wir hätten auch sagen können: Wenn das Abendblatt eine Chefredakteurin bekommt, ist die Politik drei Jahre später auch so weit.

Scholz:

Die größte Herausforderung wird sein, das Wachstum, das Hamburg hat, so zu gestalten, dass unsere Stadt lebenswert bleibt. Wenn uns das gelingt, haben wir viel geschafft.

Allerletzte Frage: Ist es der schönste Job, Hamburger Bürgermeister zu sein?

Von Beust:

Altbürgermeister! Die Erinnerung verklärt, und man hat nicht das tägliche operative Geschäft. (Alle lachen)