Bei der Abendblatt-Aktion „Du hast die Wahl“ mit 2200 Jugendlichen holte die SPD die meisten Stimmen. Das wichtigste Thema der Schüler: ihre Jobchancen.

Marmstorf. Die Lehrerin überlegt kurz, dann sagt sie: „CDU“. Es ist Freitag, 9.45 Uhr, in der Aula des Immanuel-Kant-Gymnasiums im Harburger Stadtteil Marmstorf. Gleich werden gut 200 Schüler von der neunten bis zur zwölften Klasse in den Raum strömen, um Vertretern der Jugendorganisationen aller im Bundestag vertretenen Parteien Fragen zu stellen. Anschließend dürfen alle in einer geheimen Wahl abstimmen, wer sie überzeugt hat.

Die Lehrerin tippt, dass die Christdemokraten das Rennen machen werden. Zwei Stunden später gibt es eine Überraschung für sie: Wahlsieger wird – zumindest in dieser Aula – die SPD mit 60,3 Prozent. Die CDU kommt auf 20,1, die FDP auf 4,1 und die Linke auf 3,7 Prozent. Die Grünen erreichen 5,5 Prozent. Aber das wichtigste Ergebnis ist die Wahlbeteiligung von 99,5 Prozent. Nur ein Schüler ging nicht zur Wahl. Das entspricht 0,5 Prozent.

Und genau damit ist das Ziel der Aktion „Du hast die Wahl“ nach zehn Veranstaltungen erfüllt, bei denen die SPD im Schnitt am meisten Stimmen geholt hat. Gemeinsam mit dem Hamburger Abendblatt wollte die Hamburger Schulmarketingagentur DSA youngstar rund 2200 Schülern Politik auf Augenhöhe näherbringen und sie davon überzeugen, dass das Wahlrecht auch gleichzeitig eine Wahlpflicht ist. Leider läuft es nicht überall so gut wie an den Schulen, die an dem Projekt teilgenommen haben. Prognosen schätzen, dass bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag nur gut 37 Prozent der Wahlberichtigen unter 21 Jahren den Gang zur Urne antreten werden.

„Die Teilnehmerzahlen übersteigen unsere Erwartungen, und die Schüler beteiligten sich intensiv an den Diskussionen“, sagt DSA-youngstar-Geschäftsführer. „Wir können die Jugendlichen so nachhaltig für das Themen Wahlen sensibilisieren.“

Vielleicht muss Politik einfach nur verstehen, was jungen Menschen besonders wichtig ist und was ihnen Angst macht. So waren es nicht Themen wie die Rolle Deutschlands innerhalb der EU, die Syrien-Krise oder die Energiewende, die die Diskussion in Harburg prägten. Der Bürgerentscheid zum Netze-Rückkauf wurde gar nicht angesprochen. Stattdessen lief ein Großteil der Fragen darauf hinaus: Werde ich nach meinem Schulabschluss einen angemessenen Platz im Leben finden?

„Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ war eines der Themen, die sich die Jugendlichen vorab ausgesucht hatten. Die Jungpolitiker nutzten die Vorlage und redeten los, von Praktika, Stipendien und Chancengleichheit. Obwohl etwa gleichviele Jungen und Mädchen in der Aula saßen, waren es etwas mehr Mädchen, die tatsächlich Fragen stellten. Klar, dass das auch irgendwann die Themen Gleichstellung der Geschlechter und Frauenquote auftauchten.

„Wir fordern eine bessere Wertschätzung typischer Frauenberufe“, sagte Carl Philipp Schöpe von den Jusos. „Und eine Quote für Aufsichtsräte.“ Diese sei vielleicht nicht für immer nötig, „aber wir brauchen sie, um erst einmal dieses veraltete Denken vieler Männerkreise aufzubrechen.“ Viktoria Pawlowski von den Jungen Liberalen sah das anders: „Ich bin dagegen. Eine Frauenquote ist Diskriminierung.“ Denn wer wolle schon als Quotenfrau gelten? Auch das Entgeltgleichheitsgesetz hielt sie für unnötig: „Das ist alles nur eine Frage des Willens.“ Ein paar Mädchen schüttelten den Kopf, andere nickten zustimmend. „Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener Frauen, bei denen es nicht klappt“, sagte Schöpe.