Sechs Bundestagskandidaten aus der Hansestadt diskutieren bei der Gewerkschaft Ver.di über Arbeitsbedingungen von Frauen – und was der Staat tun kann.

Hamburg. Der Bundestagswahlkampf tritt in die heiße Phase ein. Nach dem wochenlangen Tingeln von einer Veranstaltung zum nächsten Wahlkampfstand in Fußgängerzonen sind so manchem Hamburger Kandidaten die Strapazen anzumerken. Bei Burkhardt Müller-Sönksen, der für die FDP wieder in den Bundestag einziehen will, haben die Nerven am Sonntagmittag blank gelegen. Die Gewerkschaft Ver.di hatte in ihre Zentrale am Besenbinderhof geladen, um über prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen zu sprechen. Als eine Frau aus dem Publikum den FDP-Mann aber aufforderte, während der Diskussion nicht andauernd auf sein Handy zu schauen, fuhr dieser aus seiner Haut.

„Ich bin ein freier Bürger, der bei Twitter und Facebook aktiv ist“, rief Müller-Sönksen ihr ärgerlich entgegen. Die Angesprochene ließ das unbeeindruckt und sagte, dass sie das Hantieren mit dem Smartphone lediglich für „unhöflich“ halte. „Frechheit“, schimpfte der Liberale und sorgte mit seiner Reaktion bei der grünen Bundestagskandidatin Anja Hajduk für Stirnrunzeln. Auch sie hatte offenbar keinen Angriff auf die Freiheit bemerkt.

Auf seiner Facebook-Seite hatte Müller-Sönksen tatsächlich die Ver.di-Veranstaltung erwähnt. „Gutes Thema“, lautete der Vermerk. Agnes Schreieder, stellvertretende Landesvorsitzende von Ver.di, wollte mit den Bundestagskandidaten von CDU, SPD, Grünen, FDP, Linken und Piraten die unterschiedlichen Standpunkte der Parteien zum Thema Frauen und Arbeitsmarkt beleuchten. Frauen seien immer noch benachteiligt, sagte Schreieder. Von den 400.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeite ein Drittel in Teilzeit. 20.000 Hamburgerinnen verdienten so wenig in ihren Jobs, dass sie mit Hartz IV aufstocken müssten.

Zudem verdienten Frauen durchschnittlich 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Das durchschnittliche Einkommen einer männlichen Bürofachkraft etwa liege bei 4473 Euro brutto im Monat, das der weiblichen dagegen nur bei 3347 Euro. „Wir fordern gleiches Entgelt und gute Arbeitsbedingungen“, sagte Schreieder.

Burkhardt Müller-Sönksen machte gleich zu Beginn klar, dass es aus seiner Sicht nicht die Aufgabe des Staates sei, die Höhe des Entgelts zu bestimmen. „Ich bin gegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.“ Es sei zudem ein „Märchen“, zu glauben, die Zahl der Beschäftigten steige, wenn die Minijobs abgeschafft werden würden.

Sabine Boeddingshaus (Linke) sagte, dass es nichts mit Märchen zu tun habe, wenn sie fordere, dass Frauen von ihrer Arbeit leben können müssen. Schuld an „sieben Millionen prekär Beschäftigten“ sei überdies die Agenda 2010. Das sieht man in der SPD, die das Regelwerk eingeführt hatte, mittlerweile auch so. „Wir haben erkannt, dass Hartz IV die Unwucht bei Leiharbeit und Minijobs verursacht hat“, sagte die SPD-Bundestagskandidatin Inka Damerau. Sie forderte einen gesetzlichen Mindestlohn – „auch für Frauen“. Die Einsicht gibt es auch bei den Grünen. „Es ist richtig, dass wir die Fehler in der Agenda-Politik nicht angepackt haben“, sagte Anja Hajduk. Damals habe ein „hoher Druck auf dem Arbeitsmarkt“ gelastet. Dabei sei die derzeitige Entwicklung auf dem Niedriglohnsektor nicht gesehen worden. „Wir wollen einen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde und die Eindämmung von Minijobs“, so die grüne Spitzenkandidatin.

Nun ist es in der Politik immer einfach, Forderungen zu stellen und Fehlentwicklungen zu kritisieren. Besonders dann, wenn man die Situation nicht verantwortet. Und so kam auf Marcus Weinberg, den Spitzenkandidaten der CDU, die Rolle zu, die Politik der von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführten Regierung zu verteidigen, etwa die Einführung des Betreuungsgeldes. Weinberg sagte, dass es die CDU gewesen sei, die den Rechtsanspruch auf Krippenplätze eingeführt habe. Und für diejenigen, die ihr Kind zu Hause betreuen wollten, müsse es eben auch Angebote geben.

SPD-Kandidatin Damerau widersprach. Das Betreuungsgeld sei rückwärtsgewandt und halte Frauen vom Arbeitsmarkt fern. Geht es nach den Piraten sollte in Behörden „das Merkmal Geschlecht“ keine Rolle spielen. „Diese Unterscheidung sollte von Staatsseite nicht mehr gemacht werden“, sagte Spitzenkandidat Sebastian Seeger.