Hamburger Portal bietet Orientierung bei der Bundestagswahl

Rotherbaum. Wie steht Grünen-Direktkandidat Manuel Sarrazin zum gesetzlichen Schutz von Whistleblowern wie Edward Snowden? Was hält sein politischer Gegner Jan van Aken (Die Linke) von Volksentscheiden? Und zahlen Topverdiener nach Einschätzung des Liberalen Burkhardt Müller-Sönksen derzeit ausreichend Steuern?

Einen Monat vor der Bundestagswahl hat das unabhängige Hamburger Internetportal abgeordnetenwatch.de einen Kandidaten-Check mit 24 Thesen zu Themen gestartet, die bei der Wahlentscheidung von Bedeutung sein könnten. Von sofort an können Wähler ihre Positionen mit denen ihrer Lieblingspolitiker vergleichen. Dafür reicht die Eingabe der eigenen Postleitzahl.

„Wir hoffen, dass der Kandidaten-Check rege genutzt wird, sodass am 22. September niemand ins Wahllokal geht und sich noch nicht mit den Erstkandidaten beschäftigt hat“, sagt der Geschäftsführer von abgeordnetenwatch. de, Gregor Hackmack. Oft wüssten die Menschen gerade noch, welche Partei sie wählen wollten. Wofür die Kandidaten im Wahlkreis stünden, sei unklar. „Wer den Kandidaten-Check durchspielt, lernt die Politiker und ihre Positionen kennen“, sagt Hackmack.

Zu den 24 Thesen haben bislang 1751 von 2563 Direktkandidaten aus 299 Wahlkreisen ihre Standpunkte abgegeben. Das entspricht einer Beteiligung von 70 Prozent. Vor vier Jahren, als der Prototyp des Kandidaten-Checks getestet wurde, hatten von 2195 Kandidaten 1402 teilgenommen (64 Prozent). Zudem klickten sich etwa 50.000 Bundesbürger durch das Angebot. Bei der Wahl 2013 rechnet Hackmack bis zum Tag des Urnengangs mit einer Beteiligung von 90 Prozent unter den Politikern und bis zu 500.000 Wählern beim Kandidaten-Check.

Laut Sarrazin besteht die Gefahr, „dass wir im Wahlkampf die Themen vergessen“. Nach der Wahl stünden „ziemlich schnell ziemlich entscheidende Fragen“ an. Deshalb sei es wichtig, dass abgeordnetenwatch.de bereits vor der Wahl Fragen und Themen ins Zentrum rücke, sagt der Politiker.

So sprechen sich auf der Internetseite beispielsweise 59 Prozent der Wahlbewerber, die sich am Kandidaten-Check beteiligt haben, für eine stärkere Beteiligung energieintensiver Betriebe an den Kosten der Energiewende aus. Ablehnung gab es in diesem Punkt von einer Mehrheit der Kandidaten von CDU/CSU und FDP, aber auch der SPD.

Zwei von drei Kandidaten stimmen der These zu, dass Kinder grundsätzlich an einer gemeinsamen Schule unterrichtet werden sollen – unabhängig von Herkunft und Fähigkeiten. Die These „Topverdiener zahlen derzeit ausreichend Steuern“ wird von 28 Prozent der Wahlbewerber bejaht, während 63 Prozent das Gegenteil vertreten.

Bundestagskandidat van Aken hat nicht nur seine Positionen abgegeben, sondern auch den Kandidaten-Check gemacht. Das Ergebnis: „Zu 100 Prozent Übereinstimmung mit mir selbst.“ Müller-Sönksen erkennt einen weiteren Vorteil, denn er sei neben Wahlkreiskandidat auch Spitzenkandidat seiner Partei: „Und auch da lege ich Wert darauf, dass die Leute wissen, was sie wählen. Das ermöglicht das Portal.“

Hackmack zufolge dient der Kandidaten-Check vor der Wahl als Orientierung, nach der Wahl als „digitales Wählergedächtnis“. Dann sei nämlich interessant zu sehen, ob die Aussagen aus dem Wahlkampf noch zählten.