Neues Gesetz geplant: Hilfsorganisationen wie ASB und DRK fürchten, von Notfalltransporten ausgeschlossen zu werden. Es wäre das Ende des bisherigen dualen Systems.

Hamburg. Bisher gehören sie zum Stadtbild wie Michel, Alster und Elbphilharmoniebaustelle: die Rettungswagen von DRK, Johannitern, Maltesern und ASB. Neben der Feuerwehr sorgen rund 300 Rettungskräfte der Hilfsorganisationen dafür, dass Unfallopfer und andere Notfallpatienten in Hamburg schnell erstversorgt und in die nächste Klinik gebracht werden. Das allerdings könnte sich schon bald ändern, denn der SPD-Senat plant eine Änderung des Rettungsdienstgesetzes.

Wird das Vorhaben umgesetzt, könnte die Rettung von Unfallopfern und anderen Notfallpatienten künftig allein der Feuerwehr vorbehalten bleiben. Es wäre das Ende des bisherigen dualen Systems. Grund für die Gesetzespläne sind einerseits Bestrebungen der EU, den Markt auch im Bereich der Personenrettung zu liberalisieren.

Demnach müssen die Rettungsdienste entweder von den Kommunen allein betrieben oder komplett ausgeschrieben werden. Hamburg könnte den Zwang zur vollständigen Ausschreibung demnach nur umgehen, wenn es der städtischen Feuerwehr den Rettungsdienst exklusiv überließe.

Hinzu kommt, dass der Senat mit der bisherigen Arbeitsteilung offenbar nicht glücklich ist. „Das duale System oder Trennungsmodell hat sich in der Praxis nicht bewährt“, heißt es in den kürzlich von der Deputation der Innenbehörde beschlossenen Eckpunkten eines neuen Rettungsdienstgesetzes. Das bisherige Modell habe sich als „nicht mehr angemessen steuerbar“ erwiesen. Die Beteiligung von Hilfsorganisationen und Privaten führe zu Konkurrenz – und damit zu Unsicherheiten für die Patienten. Zudem fordere eine neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs „zur Übertragung von Rettungsdienstleistungen auf Dritte grundsätzlich die Durchführung von europarechtskonformen Vergabeverfahren“. Diesen Vorgaben werde „die Einbindung Dritter in rettungsdienstliche Tätigkeiten ohne Ausschreibungsverfahren nicht mehr gerecht“.

Bei den Hilfsorganisationen versteht man diese Argumentation nicht. Die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr laufe sehr gut, sagt Harald Krüger, Geschäftsführer des DRK Harburg. Zudem sei der Anteil der Hilfsorganisationen an der Rettung mit jährlich lediglich rund 20.000 von insgesamt zuletzt mehr als 248.000 Einsätzen jetzt schon deutlich geringer als in allen anderen Bundesländern. Und die Kosten bei den Hilfsorganisationen seien deutlich niedriger als bei der Feuerwehr. Auch das Argument der EU-Vorgaben akzeptiert Krüger nicht, denn in der EU wird derzeit darüber nachgedacht, bei der Vergabe an Hilfsorganisationen vom Ausschreibungszwang abzusehen.

Tatsächlich hat auch die Innenbehörde Notiz vom beginnenden Umdenken in der EU genommen. Bevor die Vorgaben klar seien, habe man die Gesetzesreform daher auf Eis gelegt, heißt es. „Ziel der Innenbehörde ist es, auch künftig einen Rettungsdienst auf hohem qualitativen Niveau in staatlicher Verantwortung zu gewährleisten“, sagt Behörden-Sprecherin Swantje Glismann. Die CDU sieht überhaupt keine Notwendigkeit für eine Neufassung des Rettungsdienstgesetzes. „Es ist wichtig, dass die Notfallrettung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge federführend in der Verantwortung der Feuerwehr liegt“, sagt der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator. „Diese muss die Hilfsorganisationen jedoch partnerschaftlich einbinden. Insofern ist die beabsichtigte Kündigung des Rettungsdienstvertrages definitiv der falsche Weg.“ SPD-Innenpolitiker Arno Münster dagegen hält eine Neuregelung für erforderlich: „Der Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wird sich damit noch in diesem Jahr intensiv befassen.“ Die FDP plädiert für eine Öffnung. „Wir haben beantragt, dass der Senat das Rettungsdienstmonopol der Feuerwehr auf den Prüfstand stellen sollte“, sagt FDP-Innenpolitiker Carl-Edgar Jarchow. „Die eher durchschnittliche Leistungsbilanz Hamburgs in diesem Bereich und die hohe Belastung der Feuerwehr durch andere Aufgaben sind aus unserer Sicht ein guter Grund, um das Monopol infrage zu stellen und andere Anbieter miteinzubeziehen.“ Linke-Innenpolitikerin Christiane Schneider ist gegen eine Privatisierung, aber dafür, die Hilfsorganisationen weiterhin zu beteiligen

Der Rettungsdienst in Hamburg gilt vielen Experten bundesweit als vorbildlich. Statistisch stehen durchgehend 68 Rettungswagen der Feuerwehr zur Verfügung. Von Montag bis Freitag wird tagsüber sogar ein Schnitt von 79 Fahrzeugen erreicht. Dazu kommen drei Rettungswagen der Hilfsorganisationen, drei Notarztwagen von DRK, Bundeswehr und ASB, die ständig besetzt sind, sowie zwei Rettungshubschrauber, acht Notarzteinsatzfahrzeuge der Feuerwehr und eines der Bundeswehr. „Wir können im Notfall noch auf unsere taktische Reserve zurückgreifen“, sagt Feuerwehrsprecher Hendrik Frese. Der hohe Standard der Feuerwehr hat allerdings auch seinen Preis. Für einen Rettungswageneinsatz der Feuerwehr müssen die Kassen derzeit 341 Euro bezahlen, für den von Hilfsorganisationen 241 Euro.