Hamburgs Schulsenator Rabe stellt Reformpläne vor: Aus 44 werden 31 Standorte, und sieben neue Komplexe sollen entstehen. Der Senat will 676 Millionen Euro bis 2024 investieren.

Hamburg. Es ist vermutlich das größte zusammenhängende Investitionsvorhaben, das es an Berufsschulen je gegeben hat: Bis 2024 entstehen sieben neue Gebäudekomplexe in Hamburg. An acht Standorten sind Zubauten oder umfangreiche Sanierungen und Grundinstandsetzungen geplant. Die gesamte Umstrukturierung der 44 berufsbildenden Schulen, die künftig an 31 Standorten konzentriert werden sollen, wird voraussichtlich 676 Millionen Euro kosten.

"Wir wollen das berufsbildende System leistungsfähiger machen, um junge Menschen besser beruflich und gesellschaftlich zu integrieren", sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei der Vorstellung des Konzeptes. Zum ersten Mal seit 1985 gibt es einen Schulentwicklungsplan für die Berufsschulen, der laut Rabe vier Prinzipien folgt: Die Ausbildungsgänge sollen möglichst an einem Standort konzentriert werden ("Fachberufsschulprinzip"). Die Berufsschulen sollen eine mittlere Größe haben, die sich an Stadtteilschulen und Gymnasien orientiert. Das heißt, die Berufsschulkollegien werden zwischen 60 und 90 Lehrer in Vollzeit umfassen.

Drittens geht es laut Rabe um einen "vernünftigen Mix der Angebote". Damit ist vor allem die Kombination von dualen Ausbildungsgängen mit den vollzeit-schulischen Angeboten wie Berufsfachschulen gemeint. Rabe bekannte sich ausdrücklich dazu, die beruflichen Gymnasien zu erhalten, obwohl sie wegen der Konkurrenz durch die wachsende Zahl von Oberstufen der Stadtteilschulen sinkende Anmeldezahlen haben. Viertens ist dem Senator die "hervorragende bauliche Gestaltung" der Berufsschulen wichtig.

Am deutlichsten wird der bauliche, aber auch der pädagogische Anspruch der Strukturreform an zwei Projekten: An der Anckelmannstraße (Borgfelde), wo jetzt ein abrissreifer Berufsschulbau aus den 60er-Jahren steht, soll bis Ende 2017 das Einzelhandelszentrum der Berufsschulen entstehen. Vier Handelsschulen (H 1 und H 11 sowie H 6 und H 13) sollen an zwei benachbarten Neubau-Standorten zusammengeführt werden. Die beiden neuen Berufsschulen, die eng kooperieren sollen, werden alle kaufmännischen Berufe der unterschiedlichen Branchen des Einzelhandels anbieten. Die rund 4200 Berufsschüler machen eine duale Ausbildung, besuchen die Höhere Handelsschule oder nehmen an einer Ausbildungsvorbereitung teil.

Das zweite Großprojekt entsteht an der Budapester Straße (St. Pauli). In der Nachbarschaft zum Millerntor-Stadion und dem Heiligengeistfeld ist ein Berufsschulzentrum für Banken, Versicherungen und Recht geplant. Rund 120 Lehrer werden von 2015 an 2900 Schüler unterrichten. Die neue Schule geht aus der Fusion des dort schon bestehenden Wirtschaftsgymnasiums St. Pauli (H 16) mit der Handelsschule Weidenstieg (H 5) sowie der Handelsschule Kieler Straße (H 19) hervor. Das Wirtschaftsgymnasium bleibt erhalten.

Weitere Neubauten sind zum Beispiel am Standort Burgstraße (Borgfelde) vorgesehen, wo die Pflegeberufe zusammengefasst werden, und am Standort Göhlbachtal (Harburg). Hier fusionieren die Handelsschule H 10 und die Berufsschule Sozialpädagogik (W 5).

Die Konzentration der Berufsschulen an 31 Standorten führt dazu, dass voraussichtlich 21 Schulgebäude oder Dependancen aufgegeben werden können. Zum Teil ist geplant, dass dort allgemeinbildende Schulen einziehen. In der Mehrzahl der Fälle ist die künftige Nutzung allerdings noch offen.

Rainer Schulz, der Geschäftsführer des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung (HIBB), sieht zwei Vorteile der Reform: Zum einen würden durch das Prinzip der Fachberufsschule die Fachkompetenzen der Pädagogen zum Nutzen der Schüler gebündelt. "Zum anderen werden bei Bildungsgängen mit aufwendigen Werkstätten und teuren Lehr- und Lernmitteln Synergien ermöglicht", sagte Schulz. "Voraussetzung für die jetzige Standortreform ist, dass wir die umfangreiche inhaltliche Neuorientierung der Berufsschulen infolge veränderter und neuer Berufsbilder abgeschlossen haben."

Ein wichtiger Grund für den Umbau des Berufsschulsystems sind neben den Veränderungen der Berufsbilder die sinkenden Schülerzahlen. Vor 30 Jahren gab es noch rund 75.000 Berufsschüler. Von den jetzt 55.000 Schülern machen 38.000 eine duale Ausbildung. Rund 15.000 junge Menschen absolvieren eine vollzeitschulische Ausbildung an einer Berufsfachschule oder einem beruflichen Gymnasium. Etwa 3000 Schüler nehmen an einer Ausbildungsvorbereitung teil, um auf diesem Weg später einen dualen Ausbildungsplatz zu bekommen. Der Rückgang der Schülerzahlen in den vergangenen Jahren geht im Wesentlichen auf den Abbau sogenannter Warteschleifen zurück, die als teuer und effizient gelten und mit denen die Zeit zwischen dem Abgang von der Regelschule und dem Berufseintritt überbrückt werden soll.

An drei Standorten gibt es Protest gegen die Pläne der Schulbehörde: Am Standort Göhlbachtal in Harburg, an der Handelsschule H 11 am Holzdamm (St. Georg) und in Barmbek-Süd, wo die Berufliche Schule Uferstraße (W 2) und die Fachschule Sozialpädagogik Wagnerstraße nach dem Willen Rabes zusammengelegt werden sollen.