Die Elbphilharmonie-Verträge müssen bis zum 30. Juni beschlossen werden. Das sei “inakzeptabel“ und “unzumutbar“. Fast zwei Stunden lang stritten Regierungslager und Opposition über das Konzerthaus.

Hamburg. Dietrich Wersich kam direkt auf den Punkt. Ohne Vorrede griff der CDU-Fraktionschef den Senat um Olaf Scholz (SPD) an: "Herr Bürgermeister, Ihr Umgang mit dem Parlament in Sachen Elbphilharmonie ist inakzeptabel."

Es war der Auftakt zu einer der längsten und intensivsten Bürgerschaftsdebatten in dieser Wahlperiode: Fast zwei Stunden lang stritten Regierungslager und Opposition am Mittwoch über das Konzerthaus. Dass die CDU das Thema erneut zur Aktuellen Stunde angemeldet hatte, hatte gleich drei Auslöser: Erstens die vor zwei Wochen unterzeichneten Verträge zur Neuordnung des Projekts und die Frage, ob es nun richtig ist, die Elbphilharmonie mit Hochtief zu Ende zu bauen und dem Baukonzern dafür einen Nachschlag von fast 200 Millionen Euro zu gewähren. Zweitens den vom Senat gesetzten Termin 30. Juni, bis zu dem die Bürgerschaft der Neuordnung zugestimmt haben muss - sonst wären die Verträge hinfällig. Und drittens die erstmals überhaupt von einem Senat vorgelegte Vollkostenrechnung, wonach die Elbphilharmonie die Stadt insgesamt 789 Millionen Euro kostet.

Die meisten Emotionen löst dabei die Frage der Zustimmungsfrist aus. Denn seit der Senat den 30. Juni als Termin festgelegt hat, hat er sich selbst mehrfach mehr Zeit für die Verhandlungen mit Hochtief genommen - dadurch aber den Zeitrahmen für die Bürgerschaft immer weiter eingeengt. "Den Zeitdruck hat allein Olaf Scholz zu verantworten", kritisierte Wersich - ebenso wie Grüne, FDP und Linkspartei.

Der Bürgermeister erklärte mehr als 25 Minuten lang, warum er sich für Hochtief entschieden habe und warum ihm der 30. Juni so wichtig sei. Das Projekt sei in einer "Schwebesituation", so Scholz. Wie in der Neuordnung vereinbart, würden Hochtief und die Architekten Herzog & de Meuron zwar bereits zusammenarbeiten, aber nur unter Vorbehalt. Sollte die Bürgerschaft nicht zustimmen, würden die Verträge platzen und ein Kampf um Schadenersatz einsetzen - daher gebe derzeit noch keine Seite ihr ganzes Wissen preis. Mit anderen Worten: Der Bau kommt nicht richtig voran, solange die Bürgerschaft nicht zustimmt. Daher wolle er diese Phase "nicht zu lang" werden lassen, so der erkennbar um Glättung der Wogen bemühte Bürgermeister. Er habe aber "ein tiefes Verständnis" für die Belange von Abgeordneten. Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) appellierte geradezu flehend an die Opposition: "Bitte, helfen Sie mit! Sie sind für dieses Projekt genauso verantwortlich." Und bezog sich auf Entscheidungen zur Elbphilharmonie zu schwarz-grünen Regierungszeiten.

Unmittelbar vor der Sitzung hatte es bereits ein mehr als 90-minütiges Krisentreffen der Fraktionschefs mit Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) gegeben. Dabei ging es um den Fahrplan bis zum 30. Juni, dem die Opposition bislang ihre Zustimmung verweigert. Nachdem der Senat am Mittwoch die letzten von der Opposition angeforderten Akten (insgesamt mehr als 170 Ordner) geliefert hat und die SPD auch Bereitschaft signalisierte, die Verträge auf Vorschlag der Linkspartei von einem Gutachter prüfen zu lassen, ging man zwar nicht im Streit auseinander, vertagte sich aber auf kommenden Montag. Die zentrale Forderung der Opposition, dem Parlament mindestens bis Ende August Zeit zu geben, lehnte die SPD aber weiterhin ab. Eine Forderung der CDU ist, die Geheimhaltungsvorgabe für die Akten aufzuheben. "Ich unterschreibe dieses Maulkorbpapier nicht", so Fraktionschef Wersich.

In der Frage Neuordnung und der Kosten redeten Senat und Opposition aneinander vorbei. Scholz, Kisseler und auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel verwiesen mehrfach darauf, dass noch kein CDU-Senat zuvor alle Verträge zu dem Projekt veröffentlicht habe, dass noch keiner alle Kosten in Zusammenhang mit dem Projekt addiert habe und dass es noch nie gelungen sei, Hochtief das komplette Risiko für alles bisher Gebaute und alle künftigen Leistungen zu übertragen. Aber die Opposition interessierte sich weniger dafür, wie gut die Verträge sind, als für die Frage, warum es mit dieser Neuordnung noch einmal 256 Millionen Euro teurer wird und ob es nicht besser gewesen wäre, Hochtief zu kündigen. "Um das bewerten zu können, muss das Parlament den Plan B kennen", so Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. Bislang habe der Senat aber nur erklärt, dass der Weiterbau in Eigenregie genauso teuer geworden wäre, die Details müsse man nun in den Akten suchen. "Das kann man nicht mal eben in ein paar Wochen erledigen, das ist unzumutbar", so Kerstan. Norbert Hackbusch nannte es "erschreckend", dass der Senat nun den gleichen Zeitdruck wie seine CDU-Vorgänger ausübe. Robert Bläsing (FDP) ergänzte: "Aus Schaden ist dieser Senat nicht schlau geworden."