Sylvia Canel will jetzt doch Parteivorsitzende bleiben, gilt aber als die Außenseiterin gegen ihre Herausforderin Katja Suding.

Hamburg. Partei-"Freundinnen" werden die beiden wohl nicht mehr: Jetzt kandidieren die FDP-Bundestagsabgeordnete und Parteichefin Sylvia Canel und die Bürgerschafts-Fraktionschefin Katja Suding, deren gegenseitige Abneigung parteibekannt ist, erstmals gegeneinander für ein wichtiges Amt. Beide wollen am Wochenende zur Landesvorsitzenden gewählt werden.

"Ich möchte meine Arbeit als Landesvorsitzende fortsetzen", erklärte Canel für viele Liberale überraschend am Dienstag. "Ich möchte, dass unsere Partei als eigenständige liberale Kraft wahrgenommen wird. Wir sind keine Mehrheitsbeschaffer, sondern vertreten unsere eigene Richtung", sagte Canel, die den Landesvorstand schriftlich über ihre Entscheidung informierte.

Lange hatte es Rätselraten um die politischen Absichten Canels gegeben, die seit Ende Februar wegen einer Hüftoperation ihr Amt hatte ruhen lassen und erst nach Ostern an den Schreibtisch zurückgekehrt ist. Vor zwei Wochen hatte Fraktionschefin Katja Suding nach längerem Zögern angekündigt, für das Amt der Parteivorsitzenden zu kandidieren.

Sollte sich Suding durchsetzen, würden erstmals in der Geschichte der Elb-FDP die Spitzenämter in Partei und Fraktion in einer Hand liegen. Und mit der Warnung vor dieser Machtkonzentration begründet Canel auch ihre eigene Kandidatur, mit der zuletzt kaum mehr gerechnet worden war. "Ich möchte nicht, dass die Fraktion nach und nach alle Parteiämter übernimmt. Die Partei hat eine Kontrollfunktion." Der stellvertretende Fraktionschef Finn Ole Ritter ist bereits parallel auch stellvertretender Parteichef.

Suding reagierte auf die Ankündigung Canels etwas schmallippig: "Es ist gut, wenn die Partei eine Auswahl hat. Das kann die FDP ganz gut vertragen." Viele Liberale hätten sich allerdings gefreut, so Suding, wenn Canel ihre Entscheidung früher getroffen hätte. Bis zum Landesparteitag am Wochenende sind es nur noch wenige Tage.

Wenn die Spitzenämter von Partei und Fraktion in einer Hand liegen, sieht Suding das als Vorteil an. "Wir haben in den nächsten zwei Jahren vier Wahlkämpfe zu bestreiten. Da müssen wir alle Ressourcen bündeln", sagte die Fraktionschefin. "Wir können es uns nicht leisten, die Berufspolitiker aus der Verantwortung zu nehmen." Im Übrigen habe sich das Modell der einheitlichen Führung in anderen FDP-Landesverbänden wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen bewährt. Dort hat der frühere FDP-Generalsekretär Christian Lindner beide Ämter inne.

Canel erinnert daran, dass in der Satzung der Landes-FDP die jahrzehntelang vorgeschriebene Trennung der beiden Spitzenämter erst vor Kurzem aufgehoben wurde. "Der Sinn der neuen Regelung ist meiner Ansicht nach, dass ein Landesvorsitzender, der nach einer Bürgerschaftswahl Fraktionschef wird, sein Parteiamt nicht sofort aufgeben muss, sondern bis zum Ende seiner Wahlperiode behalten kann", so Canel.

Um die Brisanz des Zweikampfs der beiden Freidemokratinnen zu ermessen, muss an die jüngere Vergangenheit erinnert werden. Vor einem Jahr hatte sich Canel nur hauchdünn als Parteichefin gegen Gerhold Hinrichs-Henkensiefken durchsetzen können, einen Vertrauten Sudings. Es war die erste Niederlage des Suding-Lagers in einer wichtigen Abstimmung. Mehrere Jahre lang hatten sich zwei Gruppierungen in der FDP gegenüber gestanden: Dabei verfügten die Mitstreiter des damaligen Landesvorsitzenden Rolf Salo mit ihrem "Shootingstar" Suding eigentlich über eine solide Mehrheit auf Parteitagen. Ihnen gegenüber stand das Lager der Bundestagsabgeordneten Canel und Burkhardt Müller-Sönksen. Bei den Differenzen ging es kaum um inhaltliche Meinungsverschiedenheiten, sondern fast nur um Personalpolitik.

Auch wenn die Lagerorientierung nach der Rückkehr der FDP in die Bürgerschaft 2011 stark abgenommen hat, sind die persönlichen Animositäten geblieben. Bezeichnend für die Art des Umgangs der beiden Spitzenfrauen miteinander ist die direkte (Nicht-)Kommunikation. Sowohl Canel als auch Suding betonten am Dienstag ihre Bereitschaft, miteinander zu sprechen, was bislang nicht geschehen ist. Suding verwies darauf, dass sie vor ihrer Entscheidung, zu kandidieren, mehrfach vergeblich versucht habe, Canel direkt zu erreichen. Canel wiederum betonte, dass sie ihr Mobiltelefon bewusst ausgeschaltet habe. "Aber man hätte über mein Büro Kontakt zu mir aufnehmen können", sagte die Parteichefin.

Die Wahl Sudings gilt weiterhin als wahrscheinlich. Canel musste zuletzt zwei Rückschläge verkraften: Sie unterlag Müller-Sönksen im Rennen um die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl, und sie erzielte auf dem FDP-Parteitag in Abwesenheit das schlechteste Ergebnis aller 16 Landesvorsitzenden bei der Wahl in den Bundesvorstand. Das könnte Canel Pluspunkte bei denen verschaffen, denen die interne Machtbalance wichtig ist.