Stadt lässt markanten Baum vor Kunsthalle fällen. Pilzbefall stärker als angenommen. Holz verfeuert

Altstadt. Als sie 1845 gepflanzt wurde, fuhren noch Pferdegespanne über den Ballindamm. Sie überlebte den Bombenhagel, stadtplanerische Ideen und den Verkehr der Millionenstadt. Nur einem Gegner konnte die mächtige Aesculus hippocastanum, die Rosskastanie, auf der Verkehrsinsel am Ferdinandstor, nichts entgegensetzen: dem Brandkrustenpilz.

Der bereits 2008 diagnostizierte und überaus aggressive Pilz hatte dem knapp 19 Meter hohen Baum schon stark zugesetzt. Zuletzt konnte nicht mehr ausgeschlossen werden, dass die Kastanie stürzt oder einer ihrer schweren Äste bricht. Am Sonnabendvormittag endete das 168 Jahre lange Baumleben - ein für eine Stadtkastanie durchaus biblisches Alter, normalerweise werden Rosskastanien in der Stadt nur knapp 100 Jahre alt. Ein Gartenbaubetrieb aus Börnsen bei Bergedorf zersägte die Kastanie - zunächst die 22 Meter breite Krone, dann den 4,46 Meter Umfang messenden Stamm. Um 13 Uhr ragte nur noch der Baumstumpf knapp zehn Zentimeter aus dem Boden.

Die zerhäckselten Holzreste wurden einem letzten guten Zweck zugeführt: Im erst 2008 eingeweihten Holzheizkraftwerk in Lohbrügge wurden die Späne verbrannt, lieferten Fernwärme für mehr als 10.000 Haushalte.

Wie stark der Baum bereits von dem Pilz angegriffen war, davon kann sich jeder ein Bild machen, der den im Durchmesser knapp 1,50 Meter breiten Stumpf aufsucht - erst in ein paar Tagen soll er aus dem Boden geschnitten werden. "Was der Pilz im Holz hinterlassen hat, sieht aus wie eine Landkarte", sagt Bernd Ehmcke, Chef der etwa zehnköpfigen Baumfällmannschaft. Das Kernholz, das normalerweise die Statik des Baums garantiere, sei komplett vom Pilz befallen gewesen. Allein eine knapp zehn Zentimeter dicke Wandung habe noch aus gesundem Holz bestanden. "Der Befall war viel markanter, als gedacht", sagt Landschaftsbauunternehmer Ehmcke. "Es war gut, dass der Baum jetzt gefällt wurde."

Schon mehrfach führte der Brandkrustenpilz zu Todesopfern, nicht nur unter Bäumen: 2002 hatte eine als "Volksdorfer Todesbuche" bekannt gewordene Rotbuche zwei Frauen erschlagen, die Hauptwurzel war schwer geschädigt gewesen. Mittlerweile wird der Zustand aller 243.000 Straßen- und 60.000 Parkbäume über ein Baumkataster sorgfältig dokumentiert.