Im Jahr 2012 wurden insgesamt 5736 Ausländer in der Hansestadt eingebürgert, der Senat wertet die eigene Offensive als Erfolg.

Hamburg. Nicht jede Rechnung von Bürgermeister Olaf Scholz ist in den vergangenen Monaten aufgegangen - im Gegenteil. Umso erfreuter zeigt man sich im Senat jetzt über die erste Jahresbilanz eines Projekts, das Scholz persönlich besonders am Herzen liegt: Die vom SPD-Bürgermeister Ende 2011 ins Leben gerufene große Einbürgerungsinitiative hat die Zahl der Hamburger, die einen deutschen Pass beantragt haben, im vergangenen Jahr deutlich ansteigen lassen. Nach den Daten, die dem Abendblatt exklusiv vorliegen, wurden im Jahr 2012 insgesamt 5736 Ausländer in der Hansestadt eingebürgert, mehr als 12.000 ließen sich über die Möglichkeiten einer Einbürgerung beraten, und 7164 stellten einen Antrag auf Einbürgerung. Damit ist die Zahl der Anträge auf einen deutschen Pass um fast 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 wurden in Hamburg lediglich 2800 Ausländer eingebürgert.

Seit Dezember 2011 wirbt der Bürgermeister bei allen Zuwanderern, die die Bedingungen erfüllen, mit einem persönlichen Anschreiben für die deutsche Staatsbürgerschaft. Von den rund 137.000 Hamburgern ohne deutschen Pass, die infrage kommen, seien bis Ende des vergangenen Jahres 52.241 angeschrieben worden, so die für die Einbürgerungen zuständige Innenbehörde.

Die nicht deutschen Hamburger bekommen in alphabetischer Reihenfolge Post aus dem Rathaus. Mittlerweile hat man laut Senat den Buchstaben K erreicht. Wer sich für die Einbürgerung interessiert, kann in einem Beratungsgespräch prüfen lassen, ob er die übrigen vom Bundesgesetzgeber geforderten Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt. Dazu gehören ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und ein bereits bestehendes unbefristetes Aufenthaltsrecht. Zudem muss der Einbürgerungswillige sich seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhalten und den Lebensunterhalt für sich und seine Familie ohne Sozialhilfe oder Hartz IV bestreiten. Er darf nicht wegen einer Straftat verurteilt sein, muss seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben und über "ausreichende Deutschkenntnisse" und Kenntnisse der deutschen Gesellschaftsordnung verfügen. Die mit Abstand meisten im vergangenen Jahr eingebürgerten Hamburger stammen aus der Türkei, an zweiter und dritter Stelle bei den Herkunftsländern folgen Afghanistan und dem Iran. Lioubov Kuchenbecker ist eine derjenigen, die sich 2012 einbürgern ließen - als eine von 283 Hamburgerinnen und Hamburgern, die ihre russische Staatsbürgerschaft gegen die deutsche eingetauscht haben.

Vor beinahe 20 Jahren kam die damals 19-Jährige aus St. Petersburg in die Hansestadt, aus Liebe zu ihrem heutigen Mann. Obwohl es die deutsche Bürokratie ihr nicht leicht machte, das russische Abitur beispielsweise nicht anerkannte, blieb sie. Sie machte eine Ausbildung und kam so auf Umwegen zu ihrem Wunsch: einem Studium. Heute ist sie stellvertretende Geschäftsführerin bei Unternehmer ohne Grenzen und leitet das interkulturelle Frauenwirtschaftszentrum Lerche28. Die Entscheidung, sich um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bewerben, fiel 2011. "Für mich war es lange eine innere Hürde, dass die doppelte Staatsbürgerschaft nicht möglich ist."

An der russischen aber hing Kuchenbecker, weil ihre Familie noch in Russland wohnt und sie jetzt ohne russischen Pass nur mit Visum einreisen kann. Doch das Gespräch mit einer Integrationslotsin - sie sind Bestandteil der Kampagne - überzeugte Lioubov Kuchenbecker. "Die Staatsangehörigkeit ist doch das letzte i-Tüpfelchen der Zugehörigkeit", sagt sie heute. Im November 2012 erhielt sie ihre Einbürgerungsurkunde. Sie freue sich, im Herbst bei der Bundestagswahl zum ersten Mal in Deutschland wählen zu gehen, sagt Kuchenbecker. Es seien aber auch die Kleinigkeiten, die ihr zeigten, dass sie die richtige Entscheidung getroffen habe, sagt die 39-Jährige. So reiste sie vor Kurzem mit ihrem Mann nach Ägypten.

Zum ersten Mal wurde ihr Pass dabei nicht dreifach geprüft - und bei der Landung am Flughafen in Hamburg musste sie sich nicht mehr in der Schlange für Nicht-EU-Bürger anstellen, sondern konnte mit ihrem Mann durch denselben Ausgang gehen.

Wegen des großen Andrangs hat der Senat im Oktober 2012 sieben neue Stellen zur Bearbeitung der Einbürgerungsanträge geschaffen. Damit hoffe man, die Verfahren künftig schneller abschließen zu können, so die Innenbehörde. Innensenator Neumann jedenfalls zeigt sich zufrieden. "Der erwartete Schub bei den Einbürgerungen ist eingetreten", so Neumann. "Es ist überaus erfreulich, dass die vor einem Jahr gestartete Initiative des Senats auf eine so große Resonanz stößt."