Es ist da, das Geschenk der Politik an die Bürger: Elf Verträge mit insgesamt 178 Seiten. Die Funktion “Drucken“ ist jedoch gesperrt.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Kaum hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am 15. Dezember seine Entscheidung bekannt gegeben, dass der Baukonzern Hochtief die Elbphilharmonie fertigstellen darf, veröffentlichte die Stadt fast alle bestehenden Verträge zum Bau des Konzerthauses. Das nahe liegende Motiv: "Nun ist es eh egal, wir schließen ja bald einen neuen Vertrag mit Hochtief", weist die Kulturbehörde jedoch vehement zurück. Die Entscheidung für die Veröffentlichung sei vorher gefallen, die Akten stünden schon seit dem 14. Dezember im Internet - das war ausgerechnet jener Tag, an dem das Rathaus recht offensiv verbreitete, der Bürgermeister habe sich immer noch nicht für Hochtief entschieden, es sei alles noch offen. Nun ja, die Erlaubnis für die Veröffentlichung der Verträge hatte man von dem Baukonzern aber schon mal eingeholt.

Jedenfalls ist es nun da, das Geschenk der Politik an die Bürger: Elf Verträge mit insgesamt 178 Seiten, nachzulesen unter www.elbphilharmonie-erleben.de. Physisch untern Weihnachtsbaum legen lässt sich das Präsent allerdings nicht, denn die Funktion "Drucken" ist gesperrt - die Bayerische Landesbank soll Bedenken angemeldet haben. Ein Bürgschaftsvertrag auf Papier ist offensichtlich gefährlicher als einer aus Bits und Bytes. Außerdem fehlen alle Verabredungen zu den mehr als 40 Luxuswohnungen oder sie sind geschwärzt - "wegen der Bedenken des Vertragspartners Skyliving", heißt es. Unter diesem Namen vermarkten Hochtief und die Quantum Immobilien AG die Apartments. Das Allermeiste ist aber öffentlich, und nun kann sich jeder Bürger selbst ein Urteil bilden über den ganzen Schlamassel.

Die Hoffnung, nach mehr als drei Jahren Recherche eines Untersuchungsausschusses noch etwas Neues zu finden, dürfte zwar ähnlich berechtigt sein wie der Glaube an den Weihnachtsmann. Doch interessant sind die Texte allemal. Schon die Präambel des Leistungsvertrags mit der Hochtief-Tochter Adamanta vom März 2007 enthält eine Feststellung, die aus heutiger Sicht wie Hohn klingt: "Sämtliche aufgeführten Leistungen werden dem Auftragnehmer übertragen", heißt es dort. "Mit dieser einheitlichen Beauftragung" stelle die Stadt sicher, "dass alle Leistungen aus einer Hand erbracht werden und Lücken und Schnittstellen zwischen den einzelnen Leistungen vermieden werden." Angesichts der Tatsache, dass die Stadt bislang zwei strikt getrennte Vertragspartner hatte - die Architekten Herzog & de Meuron als Planer und Hochtief als Baufirma - und sich erst nach mehr als fünf Jahren Streit im Dreieck an jenem 15. Dezember 2012 endlich durchringen konnte, gegen einen Aufpreis von 200 Millionen Euro nun doch alles in die Hand von Hochtief zu legen, ist so ein Satz eigentlich eine Frechheit. Aber es ging ja nur um die "aufgeführten" Leistungen.

Mancher Passus ist dagegen überraschend banal, etwa: "Im Zusammenhang mit dem Innenausbau muss der Auftragnehmer auf eigene Kosten für eine ausreichende Heizung sorgen, sodass Schlechtwettertage nicht verzögernd wirken." Im Rathaus geht man daher davon aus, dass die Verträge die Diskussion um die Elbphilharmonie nicht weiter anfachen werden. Ähnlich war es mit den Papieren über den Kauf der Energienetze - von deren Veröffentlichung hat jemand Notiz genommen. "Viel wichtiger ist der positive Eindruck, dass bei uns alles transparent ist", heißt es in Senatskreisen. Nur so könne man bei Großprojekten auf Akzeptanz in der Bevölkerung hoffen.

"Transparenz schafft Vertrauen" also - das ist exakt der Name der Volksinitiative, die die Bürgerschaft dazu gebracht hat, einstimmig ein Transparenzgesetz zu verabschieden. Einer der ersten Anträge nach Inkrafttreten im Oktober war der nach Veröffentlichung der Elbphilharmonie-Akten. Obwohl die Frist zur Beantwortung noch läuft, hat die Kulturbehörde diese nun freigegeben. "Das freut uns, so schnell hatten wir nicht damit gerechnet", sagt Gregor Hackmack vom Verein Mehr Demokratie, der neben anderen die Volksinitiative trägt. Überhaupt habe er den Eindruck, dass Senat und Bürgerschaft es ernst meinen mit der Transparenz.

Tatsächlich wird hinter den Kulissen emsig an dem "Projekt" gearbeitet. Eine Lenkungsgruppe aus drei Staatsräten sowie "Projektmanager", "Projektkoordinatoren", "Projektleiter" und "Teilprojektleiter" sind am Werk. Dabei geht es auch um die Überwindung der eigenen Skepsis: "In Teilen der Verwaltung und erfassten öffentlichen Unternehmen könnte es Widerstände bei der Umsetzung geben", heißt es in einem "Projekt"-Papier. Kein Wunder: Schließlich müssen Senat und Verwaltung, traditionell eher auf Diskretion geeicht, künftig sämtliche Dokumente unaufgefordert und kostenfrei veröffentlichen. Das dazu nötige "Informationsregister" muss 2014 stehen.

Bis dahin ist das mit der Kostenfreiheit so eine Sache. Wer unter Bezug auf das Transparenzgesetz Dokumente verlangt, muss nach Auskunft der Justizbehörde zwischen fünf und 1000 Euro Gebühr zahlen - je nach Aufwand. Ob das ein gutes Geschäft wird für die Stadt wird? Fraglich. Das behördeninterne Aktenverwaltungssystem hat aber den passenden Namen: "Eldorado".