85 Prozent kommen aus Osteuropa. Sozialsenator fordert Hilfe des Bundes

Hamburg. Diese Zahlen geben Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) mächtig zu denken: In der größten Obdachlosenunterkunft an der Spaldingstraße entfallen knapp 85 Prozent der Übernachtungen auf Menschen aus Rumänien (39,5 Prozent), Bulgarien (30,2 Prozent) und Polen (14,6 Prozent). 10,7 Prozent der Übernachtungsgäste kommen aus Afrika und anderen Ländern, und nur 5,0 Prozent sind Deutsche. Das ergab eine Auswertung von 1633 Übernachtungen zwischen dem 1. und 10. November.

Problematisch aus Sicht des Sozialsenators ist nicht die Nationalität der Nutzer der Unterkunft - die stehe grundsätzlich allen Bedürftigen offen -, sondern dass es sich bei ihnen zum großen Teil nicht um "Hamburger Obdachlose" handelt, also um Menschen, die schon länger in Hamburg leben, aber kein Dach über dem Kopf haben. An sie richtet sich das Winternotprogramm aber eigentlich.

Im Gegensatz zu ihnen kommen vor allem aus den östlichen EU-Ländern Menschen gezielt auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg und "stranden" dann in den Obdachlosenunterkünften - entweder weil sie keine Arbeit finden oder weil "skrupellose Schlepper", so Scheele, sie nach Hamburg locken und die staatliche Unterkunft gleich mit einkalkulieren.

Die Unterkunft in der Spaldingstraße muss schon erweitert werden

Zwar steuert Hamburg bereits mit einer speziellen Anlaufstelle für Obdachlose aus osteuropäischen EU-Ländern gegen. Sie hatte im vergangenen Winter 451 Menschen beraten und 185 von ihnen zur Rückkehr in ihr Heimatland bewegt. Aber da sich das Problem ausweislich der aktuellen Statistik weiter verschärft hat, will der Sozialsenator es am 28. November beim Treffen mit seinen Ministerkollegen aus den anderen Ländern ansprechen. "Wir müssen eine gemeinsame Haltung dazu finden", sagte Scheele dem Abendblatt, schließlich seien alle deutschen Großstädte betroffen. Unter anderem denkt er an eine Beteiligung des Bundes an den Kosten - Hamburg hat für das Winternotprogramm 700 000 Euro eingeplant. "Der Bund ist für die EU-Osterweiterung verantwortlich, also sollte er sich auch an den Folgekosten für die Länder beteiligen." Auch müsse in Rumänien und Bulgarien etwas gegen die Diskriminierung von Minderheiten wie Sinti und Roma getan werden, die oft vor den Verhältnissen in ihrer Heimat flüchten. Drittens möchte Scheele in diesen Ländern die Menschen über "Perspektiven" in Deutschland aufklären, zum Beispiel: keine Arbeit - obdachlos - keine Ansprüche auf Sozialleistungen.

Zunächst liegt aber ein anderes Problem näher: Es ist Nachtfrost angesagt. Daher werden in der Spaldingstraße 1 in den nächsten Tagen weitere 60 Schlafplätze zur Verfügung gestellt. Denn die Auslastung des Hauses liegt laut Statistik bereits bei 102 Prozent.