CDU-Fraktionschef Wersich attackiert Sozialsenator Detlef Scheele. Der ruft Bundeszuschüsse zur Arbeitslosenförderung nicht ab.

Hamburg. CDU-Oppositionschef Dietrich Wersich macht Arbeits- und Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) politisch dafür verantwortlich, dass zum zweiten Mal in Folge Geld zur Förderung von Langzeitarbeitslosen verschenkt wird. Nach Angaben der Behörde werden bis zum Jahresende nur knapp 100 der 110 Millionen Euro ausgegeben werden, die die Bundesagentur für Arbeit für Eingliederungshilfen von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung gestellt hat. Das entspricht einer Quote von 90 Prozent. Die CDU rechnet damit, dass sogar bis zu 15 Millionen Euro nicht abgerufen werden könnten. Das entspricht einer Quote von nur 82 bis 87 Prozent. Im Vorjahr lag der Wert bei 84 Prozent. Damals blieben 21 Millionen Euro ungenutzt.

"Das sind verheerende Zahlen", sagte Wersich. "Scheele muss sich das Ergebnis selber zurechnen lassen." Der CDU-Politiker verwies darauf, dass der Senator als früherer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium vom Fach ist. "Er ist als ausgewiesener Experte gestartet", sagte Wersich. Außerdem habe Scheele durch die Abberufung von Thomas Bösenberg vom Posten des Geschäftsführers des Hamburger Jobcenters persönliche Verantwortung für diesen Bereich übernommen.

Scheele sieht die Schuld nicht bei sich, sondern bei der Bundesagentur für Arbeit (BfA). In einem Brief an den BfA-Vorstand Heinrich Alt kritisiert der SPD-Politiker die Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes auf die Förderung "arbeitsmarktnaher Arbeitsloser mit geringem Qualifizierungsbedarf". Die Folge: "Strukturell wird Arbeitsförderung auf die leichteren Fälle ausgerichtet, wo Integration schnell gelingen und der finanzielle Förderaufwand entsprechend geringer ist." Kostenintensive Maßnahmen für schwer vermittelbare Arbeitslose würden dagegen weniger genutzt.

"Zum Teil ist der drohende Mittelverfall auch dem Umstand geschuldet, dass längerfristig angelegte Maßnahmen, deren Förderzeiträume bis weit in 2013 hinreichen können, durch Verpflichtungsermächtigungen in ihrer Finanzierung abgesichert sein müssen", schreibt Scheele. Die den Jobcentern eingeräumten Verpflichtungsermächtigungen reichten jedoch nur bis Ende März des kommenden Jahres. Schließlich gebe es Fälle von "Überregulierung" durch die BfA.

Scheele weist darauf hin, dass Hamburg im Vergleich anderer Großstädte noch relativ gut abschneidet. "Bundesweit sind mit Stand vom 4. Oktober lediglich 83,7 Prozent des verfügbaren Mittelvolumens im Eingliederungstitel verausgabt bzw. bis zum Jahresende bewilligt", schreibt Scheele. "Hamburg bewege sich mit einer Gesamtbindungsquote von 86,2 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Das war der Stand Ende Oktober, als Scheele den Brief an den BfA-Vorstand schrieb.

Scheele fordert die Bundesagentur auf, den Jobcentern mehr Entscheidungsfreiheit zu gewähren und darauf zu verzichten, "die arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente auf dem Verwaltungswege kleinstteilig zu regeln". Vor allem hält es der Senator für notwendig, "nicht abgeflossene Mittel des Eingliederungstitels auf das nächste Haushaltsjahr zu übertragen". Dann werde deutlich, "dass die für Langzeitarbeitslose vorgesehenen Fördermittel auch tatsächlich ihrem Zweck entsprechend eingesetzt werden und nicht einer Konsolidierungspolitik des Bundes zum Opfer fallen".

Kurios: Der Bund hat die Eingliederungshilfen schon in den vergangenen Jahren drastisch gekürzt: von 6,6 Milliarden Euro (2010) um ein Drittel auf 4,4 Milliarden Euro. In Hamburg betragen die Kürzungen sogar 40 Prozent.

Petra Lafferentz von der Vollversammlung Hamburger Beschäftigungsträger teilt Scheeles Kritik an der Bundespolitik. Aber sie sieht auch Versäumnisse in Hamburg. "Wenn absehbar ist, dass die vorhandenen Mittel nicht zu 100 Prozent ausgeschöpft werden, dann müssen mit 110 Prozent des Geldes Maßnahmen geplant werden", sagte Lafferentz. "Man muss unterjährig nachsteuern. Das ist offensichtlich nicht geschehen", sagte auch Wersich.

Lafferentz sieht Chancen, einen Teil des übrig gebliebenen Geldes für Eingliederungshilfen doch noch einzusetzen. "Es ist möglich, allen Trägern noch in diesem Jahr Vorschüsse auf den Januar zu zahlen", sagte Lafferentz. Mit diesem "Manöver des letzten Augenblicks" könnten noch einmal zwischen sechs und sieben Millionen Euro abgerufen werden. Mit den Eingliederungshilfen werden zum Beispiel Ausbildungen zur Gesundheits- und Pflegeassistentin oder zur Bürokauffrau, aber auch Ein-Euro-Jobs und Computerkurse finanziert.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen: von 15 000 im Jahr 2010 über 17 539 (2011) auf jetzt 18 797. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Zahl der Ein-Euro-Jobber - zumeist Langzeitarbeitslose - in dieser Statistik nicht enthalten ist. Deren Zahl sank im gleichen Zeitraum von 9000 Frauen und Männer auf 4500.

Scheele hat erreicht, dass sich die Landesarbeitsminister mit dem BfA-Vorstand treffen, um die Probleme zu erörtern. Das Thema steht auch auf der Tagesordnung der Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 28. November.