Ikeas Pläne für einen ganzen Stadtteil stoßen auf Spott und Begeisterung

Hamburg. Selbst auf die Internetseite von Spaniens größter und international bekanntester Tageszeitung "El Pais" hatte es die Meldung des Hamburger Abendblatts gestern geschafft. Unter der Überschrift "Ikea wird einen Stadtteil in Hamburg bauen" berichtete die Zeitung über Pläne von Inter Ikea, der Schwestergesellschaft des schwedischen Konzerns, in der Hansestadt ein komplett neues Stadtviertel zu errichten: mit Wohnungen, Büros und Geschäften für Tausende Hamburger.

In der Stadt selbst sorgte die Ankündigung zum einen für Überraschung und zum anderen für eine Debatte darüber, ob die Hamburgerinnen und Hamburger derartige Bauprojekte überhaupt wollen. Die Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Kerstin Graupner, sagte, keiner Behörde seien konkrete Pläne bekannt. Deshalb könne sie nichts weiter dazu sagen, als dass Investoren in der Stadt stets willkommen seien.

Harald Müller, Manager bei Inter Ikea, hatte zuvor gesagt, dass sein Unternehmen plane, auf einem etwa fünf Hektar großen Grundstück unweit der Innenstadt oder in Flughafennähe ein Quartier zu errichten (Abendblatt berichtete). Ziel sei es, die neuen Gebäude in das Stadtleben zu integrieren. In Hamburg bedeute das "eine vergleichsweise niedrige Bebauung". Vorbild sei ein Projekt in London, wo Inter Ikea ein Projekt mit rund 1200 Wohnungen, Büros, Hotels und Gewerbeflächen plane.

Dem Unternehmen geht es, glaubt man Müllers Worten, auch nicht um "Elitewohnraum". Der dpa sagte der Manager, in der britischen Hauptstadt würden 40 Prozent der Wohnungen familiengerecht gebaut. Auch die gesetzliche Regelung, nach der in Hamburg bei jedem Neubauprojekt ein Drittel Sozialwohnungen sein müssen, sei kein Thema. Zudem will Inter Ikea offenbar vor allem Mietwohnungen anbieten. Deutschland sei ein starker Mietmarkt, sagte Müller und fügte hinzu: "Wir richten uns nach dem Marktverhalten."

Auch wenn es noch keine konkreten Pläne für ein Neubauviertel in Hamburg gibt, meint es Inter Ikea ernst mit der Absicht, in Deutschland Wohnviertel zu bauen. "Fest steht, dass ein Projekt wie das Strand East in London in Zukunft auch für deutsche Städte interessant wäre", sagte der Sprecher des Unternehmens, Kristian Sjöholm, gestern dem Abendblatt. "Das wäre der Fall, wenn die jeweilige Stadt Interesse an so einem Projekt hätte und Inter Ikea eine entsprechende Fläche finden würde." Hamburg habe "grundsätzlich die richtige Größe und könnte daher in Betracht gezogen werden".

Offenbar hat das Echo das schwedische Unternehmen gestern selbst überrascht. Deshalb versuchte Inter Ikea zurückzurudern und äußerte sich deutlich zurückhaltender als noch am Dienstag im Gespräch mit dem Abendblatt. Dass die Ankündigung in Hamburg auf so großes Interesse stößt, hat nicht nur mit dem Bekanntheitsgrad des Schwesterkonzerns zu tun. Seit dem Antritt des SPD-Senats im Frühjahr vergangenen Jahres ist das Thema Wohnungsbau in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Weil vor allem günstiger Wohnraum knapp ist, sollen jährlich 6000 Wohnungen, davon 2000 Sozialwohnungen, errichtet werden. Im vergangenen Jahr des schwarz-grünen Senats war nicht eine einzige Sozialwohnung gebaut worden.

Über die Ausgestaltung der Wohnungsbauoffensive wird allerdings gestritten. Auch Ikeas Vorstoß wurde unterschiedlich bewertet. Die Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Katja Suding, begrüßte die Offerte. "Erfahrene Investoren ermöglichen eine schnelle Umsetzung aus einer Hand." Notwendig seien Nachhaltigkeit und Wohnungen im mittleren Marktsegment. Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dirk Kienscherf, reagierte positiv, übte sich aber in Zurückhaltung. "Wir haben in der Stadt viele Investoren, die bauen wollen." Die Stadt habe Interesse daran, mit "seriösen Investoren" zusammenzuarbeiten. Daher wäre es sinnvoll, wenn Inter Ikea Taten folgen ließe.

Nach den Worten von Kerstin Graupner, Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde (BSU), treten potenzielle Investoren üblicherweise an die Finanzbehörde heran. Die dortige Immobilienverwaltung könne dann klären, ob es im Besitz der Stadt überhaupt ein dem Projekt entsprechendes Grundstück gibt. Der entsprechende Projektantrag werde dann von der BSU geprüft. In Absprache mit den Bezirken und der Wirtschaftsbehörde werde dann Planrecht geschaffen.

Die Stadtentwicklungsexpertin der Linken-Fraktion, Heike Sudmann, machte aus ihrer Ablehnung keinen Hehl. "Träumst du noch, oder denkst du schon? Auch Milliardäre wollen offensichtlich von dem Boom auf dem Immobilienmarkt profitieren." Bei dem Projekt von Inter Ikea gehe es nicht um günstige Wohnungen für die Menschen hier, sondern um Rendite.

Nach Ansicht von Sudmann zeigt die wachsende Zahl von Bürgerinitiativen, dass Stadtentwicklung nur dann funktioniere, wenn die Menschen mitreden dürften. "Keiner braucht und will Instant-Städte von einem Investor, die Zeiten der am Reißbrett geplanten Großsiedlungen sind vorbei."

Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümerverbands Hamburg, vertritt die Auffassung, dass die Zeit von "Satellitenstädten" vorbei ist. "Hamburg benötigt keinen neuen Stadtteil, sondern eine intelligente Entwicklung bestehender Stadtviertel." Aus seiner Sicht besteht daher das eigentliche Problem darin, ein fünf Hektar großes Grundstück in Citynähe zu bekommen.