Universitätspräsident Dieter Lenzen sieht keine Chance, mit dem vorhandenen Geld eine internationale Forschungshochschule zu schaffen.

Hamburg. Seit einigen Tagen hat er erstmals alle Mitarbeiter unter einem Dach versammelt. In den neuen Räumen am Mittelweg empfing der Präsident der Universität Hamburg , Dieter Lenzen, das Abendblatt zum Gespräch über hohe Bewerberzahlen, Internationalität und knappe Kassen.

Hamburger Abendblatt: Herr Lenzen, wie frustriert sind Sie derzeit?
Dieter Lenzen: Überhaupt nicht. Das hängt mit meinem Naturell zusammen.

Die Bürgerschaft diskutiert seit Kurzem den Haushalt 2013/2014, der einschneidende Veränderungen für die Hochschulen mit sich bringt. Unter anderem wird damit zementiert, dass Ihr Etat die nächsten Jahre de facto schrumpft. Das muss einen Präsidenten doch ärgern.
Lenzen: Ich habe schon 2010, als ich nach Hamburg kam, gesagt, dass die Hamburger Hochschulen im deutschen Vergleich unterfinanziert sind. Das bleiben sie natürlich und werden es noch ein Stückchen stärker sein. Gleichwohl: Wenn eine Regierung entscheidet, dass in allen Ressorts gespart werden soll, muss man sich überlegen, was man im Gegenzug an Zugeständnissen bekommen kann. Das war der Grund dafür, dass wir die Hochschulvereinbarung geschlossen haben.

Die garantiert Ihnen, dass der Uni-Etat bei 288 Millionen Euro liegt und bis 2020 jährlich um 0,88 Prozent steigt, also in der Regel unterhalb von Inflationsrate und Tariferhöhungen. Ist das so hilfreich, zu wissen, dass es schleichend schlechter wird?
Lenzen: Es gibt uns Planungssicherheit. Außerdem bekommen wir viel mehr Autonomie, unter anderem die komplette Personalverantwortung, das gibt uns einen weiteren wichtigen Schub. Und: Wir haben auch Kürzungsabsichten zurückgedrängt, zum Beispiel die, uns weitere 250 Stellen zu streichen.

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Wie viel Geld mehr bräuchten Sie, um die Uni nach Ihren Wünschen zu führen?
Lenzen: Das kommt darauf an, welche Ansprüche man formuliert. Wenn die Stadt aus der Universität eine internationale Forschungsuniversität machen möchte wie in München, Berlin oder Heidelberg, dann muss man finanziell zehn bis 20 Prozent drauflegen. Wenn es eine Uni mit einem gemischten Status sein soll, die vor allem der Ausbildung dient, dann hat man halt eine Massenuniversität, wie es jetzt der Fall ist. Den großen Sprung hin in die internationale Spitze kann man mit diesem Budget für die gesamte Universität jedenfalls nicht machen.

Sie sind doch 2010 nicht aus Berlin gekommen, um kleines Karo zu spielen.
Lenzen: Richtig. Man hatte mich mit dem Argument überzeugt, dass eine ganz neue Universität im Hafen gebaut werden soll, es war von zwei bis vier Milliarden Euro die Rede. Das von Anfang an mitzugestalten hat mich gereizt. Leider hat sich dann sehr schnell herausgestellt, dass die Universität gar nichts davon wusste, dass sie umziehen soll, beziehungsweise nicht gefragt worden war. Außerdem wäre es leichtsinnig gewesen, dieses gewachsene urbane Umfeld zu verlassen. Daher habe ich dann schnell gesagt, das hat keinen Sinn, dann bleiben wir hier in Eimsbüttel. Dafür erwarten wir aber, dass der Campus so hergerichtet wird, dass er den Standards genügt.

Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?
Lenzen: Unsere Erwartung erfüllt sich perspektivisch nur für den naturwissenschaftlichen Bereich an der Bundesstraße, wofür zumindest die Planungen fertig sind. Zum einen geht es darum, Gefährdungen für Leib und Leben auszuschließen. Zum anderen muss die Universität baulich in einen Zustand gebracht werden, der ungefähr vergleichbar ist mit einer normalen deutschen Universität.

Inwiefern sind Sie in diese Prozesse eingebunden und können Wünsche äußern?
Lenzen: Dass das Wünschen geholfen hat, war zu Zeiten der Gebrüder Grimm. Letztlich ist das eine Frage der politischen Prioritäten, die setzen der Senat und das Parlament. Wir haben nichts zu entscheiden, wir machen nur auf den Zustand des Campus aufmerksam.

Vor einem Jahr haben Sie noch für viel Aufsehen gesorgt, als Sie gemeinsam mit Ihren Studenten vor dem Rathaus gegen Spardiktate protestiert haben. Jetzt wirkt es fast so, als hätten Sie resigniert.
Lenzen: Man darf ja politisches Agieren nicht mit Realitätsverweigerung verwechseln. Die Realität ist jetzt so, wie sie ist. Als Bürger darf ich anderer Auffassung sein, als Leiter einer öffentlichen Einrichtung muss ich mit der Realität umgehen. Das ist meine Pflicht. Ein wichtiger Punkt werden die Tarifverhandlungen sein: Wenn da sechs Prozent herauskommen, muss der Vertrag neu verhandelt werden. Denn da haben wir festgelegt, dass wir bei einer Teuerungsrate von mehr als zwei Prozent neu verhandeln müssen.

Welchen Stellenwert hat die Hamburger Uni aus Ihrer Sicht in der deutschen Hochschullandschaft?
Lenzen: Wir sind nach den Studentenzahlen mittlerweile die drittgrößte deutsche Universität. Dennoch ist es noch nicht selbstverständlich, dass wir bei den großen fünf oder zehn gedanklich immer mit einbezogen werden. Die meisten Experten bescheinigen uns eine mittlere bis gute, teilweise auch sehr gute Qualität, aber wir sind natürlich noch keine international bekannte Forschungsuniversität.

Bei den Studenten sieht es anders aus. Die Bewerberzahlen haben gerade wieder Rekorde gebrochen. Ist Hamburg für Studierende als Stadt attraktiver als die Universität?
Lenzen: Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Bewerberzahlen überall gestiegen. Zweitens steigt die Zahl der Vielfach-Bewerber, die Angst haben, keinen Studienplatz zu bekommen. Wer in einer Großstadt studieren will, hat Hamburg natürlich automatisch auf dem Zettel. Studierende wählen eine Universität in der Regel nicht nach einem Qualitäts-Ranking, die werden völlig überbewertet. Aber es hat mit den Fächern zu tun. Hamburg hat zum Beispiel eine große Betriebswirtschaft, also kommen viele Betriebswirte hierher.

Was muss die Stadt tun, damit die Uni noch attraktiver wird?
Lenzen: Die Stadt muss ganz klar entscheiden: Wollen wir in der internationalen Liga spielen oder im oberen Feld der deutschen Universitätslandschaft?

Aber diese Entscheidung hat der Senat schon längst getroffen.
Lenzen: Ja, aber nur für die Legislaturperiode. Und auch da können Dinge noch revidiert werden. Niemand verbietet der Stadt, der Universität mehr Geld zu geben.

In welche Richtung sollte sich denn die Uni Ihrer Meinung nach entwickeln?
Lenzen: Priorität muss eine internationale Ausrichtung haben. Schaut man sich die demografische Entwicklung an, wird klar, dass es in 15 Jahren schon wesentlich weniger deutsche Studierende sein werden. Auch Hamburg wird drauf angewiesen sein, eine große Zahl ausländischer Studierender anzuwerben - und sie dann dazu zu bringen, hier in Deutschland zu bleiben. Eine Stadt, die sich jetzt nicht international aufstellt, wird in zehn Jahren massive Probleme haben.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur Wissenschaftssenatorin beschreiben?
Lenzen: Entspannt.

Konflikte um Finanzen und Exzellenzstreben sind doch offensichtlich.
Lenzen: Der Vorteil am Hochschulvertrag ist, dass viele Dinge nicht mehr zu Konflikten führen können, weil wir sie eben selber entscheiden. Den Grundkonflikt haben wir ja hinter uns. Auf dieser Grundlage muss die Stadt lernen, dass die Hochschulen nicht ein Bestandteil ihrer Verwaltung sind. In Berlin sind viele Stellen in der Wissenschaftsbehörde abgebaut worden, weil es dort einfach nichts mehr zu verwalten gab. Hamburg hat diesen Schritt noch vor sich.

Wie lange wollen Sie die Uni noch weiter mit Ihrer Leitung vorantreiben?
Lenzen: Ich habe einen Vertrag für sechs Jahre, zweieinhalb sind davon herum. Und in den verbleibenden fast vier Jahren ist noch einiges zu tun.