Bis zur jüngsten Attacke waren S-Bahn und Hochbahn erfolgreich im Kampf gegen Gewalttäter

Nach dem tödlichen Messerangriff auf den 19-jährigen Mel D. im Bahnhof Jungfernstieg stehen die Sicherheitskonzepte der S-Bahn Hamburg und der Hamburger Hochbahn auf dem Prüfstand. Warum konnten Wachpersonal und Kameras die Tat nicht verhindern?

Doch ungeachtet des Schocks, den die Tat ausgelöst hat, können beide Bahnbetriebe durchaus sichtbare Erfolge im Kampf gegen Gewaltkriminalität aufweisen. So konnte etwa die für die Sicherheit in den S-Bahnen zuständige Bundespolizei für 2009 nach mehreren Negativjahren erstmals wieder einen Rückgang von Gewaltdelikten um 16 Prozent verkünden. Für die Hochbahn fällt die Bilanz des Vorjahres zwar negativ aus - hier sind es 16 Prozent mehr gefährliche Körperverletzungen. Allerdings: Noch vor 13 Jahren verzeichnete sie mit jährlich 550 Taten mehr als doppelt so viele Delikte.

Drei wichtige Ereignisse beeinflussten diese Entwicklung: 1998 wurde das Sicherheitspersonal verdoppelt, woraufhin sich die Fallzahlen halbierten. Seit 2003 sind alle U-Bahn-Züge und U-Bahnhöfe mit Kameras ausgestattet. Die Zahl der Gewalttaten sank daraufhin auf einen Tiefststand. Sie stieg wieder leicht im Jahr 2005, als die Hochbahn den Nachtverkehr einrichtete. Laut einer internen Statistik passieren die meisten Übergriffe im Nachtverkehr am Freitag und Sonnabend zwischen Mitternacht und 6 Uhr.

Die Täter, zumeist "adrenalingesteuerte und alkoholisierte Jugendliche", ließen sich dabei auch nicht von Sicherheitskameras abschrecken, sagt Sprecher Christoph Kreienbaum.

Ein Phänomen, das auch die Bundespolizei kennt: Insbesondere in den stark frequentierten S-Bahnen aus Bergedorf, Pinneberg oder Neugraben-Fischbek komme es am Wochenende immer wieder zu Körperverletzungen. Täter sind fast immer betrunkene Jugendliche. "Wir stellen fest, dass die Täter immer brutaler agieren. Die Hemmschwelle zur Gewalt ist bei Jugendlichen gesunken", sagte Rüdiger Carstens, Sprecher der Bundespolizei.

Bei der Überwachung zog die S-Bahn Hamburg vor zwei Jahren nach und stattete nach den Bahnhöfen auch alle Züge mit neuer Videotechnik aus. Nach dieser Aufrüstung haben sich sowohl Hochbahn als auch S-Bahn den Ausbau ihres Sicherheitspersonals vorgenommen.

Anfang der 90er-Jahre verschwanden die letzten "Zugabfertiger" an den U-Bahn-Stationen. Jetzt werden "Brennpunkt-Bahnhöfe" wie St. Pauli, Hauptbahnhof, Wandsbek-Gartenstadt oder Barmbek in der Nacht wieder mit einem Sicherheitsdienst versehen. In den S-Bahnen fahren am Wochenende ab 23 Uhr Sicherheitsleute mit.

Mit ihrer mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit und der zivilen Fahndungsgruppe will die Bundespolizei in Zukunft unregelmäßig Großkontrollen durchführen. "Wir werden am Wochenende ganze Waggons überprüfen und Gewaltbereite wenn nötig sogar durchsuchen", sagte Carstens.

Ob mehr Personal allerdings die Tat vom Freitagabend verhindert hätte, scheint fraglich. Wie das Abendblatt erfuhr, hatten gleich zwei Streifen der Hochbahnwache das spätere Opfer kurz vor der Tat am Bahnsteig passiert. Als es erstochen wurde, war jedoch kein Sicherheitsmann weit und breit. "Unsere Maßnahmen haben abschreckende Wirkung, die Straftat selbst verhindern können sie jedoch nicht", sagte ein Sprecher. "Das dürfen wir auch dem Fahrgast nicht vorgaukeln."