Die Räumung des autonomen Zentrums ist mit Risiken verbunden. Bundesweite Solidarisierungen sind zu befürchten.

Hamburg. Ein Verkauf der Roten Flora? Die Räumung des symbolträchtigen Gebäudes durch die Polizei? Gedankenspiele des Besitzers des symbolträchtigen Gebäudes bereiten Innenbehörde und Polizei selbst in diesem frühen Stadium Sorgenfalten. Nach wie vor ist das bunte Haus am Schulterblatt, auch wenn es in ihm zuletzt ruhiger zugegangen ist und der Kurs seiner Gestalter in Richtung Kompromiss zu weisen scheint, einer der wenigen bundesweit bekannten Identifikationspunkte der Autonomen und Radikalen.

+++ Die Stadt will die Rote Flora zurückkaufen +++

Eine Vertreibung der sogenannten Floristen würde bundesweit eine ähnliche Solidarisierung bewirken wie einst die Räumung des Bauwagenplatzes Bambule. Die Rote Flora ist und bleibt ein Pulverfass - da sind sich Verfassungsschutz, Polizei und Innenbehörde einig. Eine Räumung würde unüberschaubare Risiken bergen, vielleicht wochenlange Straßenkämpfe nach sich ziehen.

Rund zehn "Aktivisten", schätzt der Verfassungsschutz, sind ständig in der Roten Flora. Bei Vollversammlungen, auf denen über Aktionen wie etwa Demonstrationen abgestimmt wird oder Informationsveranstaltungen abgehalten werden, kommen rund 100 Anhänger zusammen. Die Flora ist Ausgangspunkt von Demonstrationen und Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzungen bei den Schanzenfesten oder rund um den 1. Mai. Zu diesen Anlässen kommen hier verschiedene linksextremistische Gruppen zusammen. In letzter Zeit, das haben die Ausschreitungen im vergangenen und diesem Jahr gezeigt, sind es aber vor allem unpolitische, gewaltbereite Jugendliche, die Steine und Flaschen schmeißen. Im vergangenen Jahr haben Flora-Besucher vergeblich versucht, Ausschreitungen der unpolitischen Jugendlichen zu verhindern.

Laut Verfassungsschutzbericht ist die Rote Flora "der bedeutendste politische Treff- und Veranstaltungsort für die autonome Szene Hamburgs". Sie wird als Bastion im Schanzenviertel angesehen, als letztes sichtbares Zentrum, das sich dem den "Rotfloristen" verhassten System entgegenstellt. Die Rote Flora dient auch als Kulturzentrum für Konzerte, Workshops, Lesungen und Diskussionsrunden.

Während der frühen "Schanzenfeste" bildete der Theaterbau mit Innenhof und Garten einen Rückzugspunkt - auch für Randalierer und Steinewerfer. Doch unpolitische Krawallmacher sieht man in den Mauern der Flora ebenso ungern wie bestimmte andere Teile der linksextremistischen Szene. Denn auch hier herrscht alles andere als Einigkeit. Spätestens seit den Attacken auf die Besucher des Films "Warum Israel" des Regisseurs Claude Lanzmann vor dem Kino B-Movie Ende 2009 gibt es verfeindete Lager: auf der einen Seite die "Aktivisten" rund um die Rote Flora, die sich als antideutsch und antinational begreifen, auf der anderen Seite Antiimperialisten und jüngere Ultralinke, die sich nicht in der Roten Flora, sondern eher im B5 an der Brigittenstraße treffen. Sie kommen aus Gruppen wie der "Sozialistischen Linke" (SoL) und der "Tierrechtsaktion Nord", die gänzlich andere Ziele als die "Rotfloristen" verfolgen, ja sogar als antisemitisch und unbelehrbar gelten. Der Verfassungsschutz weiß um die Risse in der linken Szene, sieht darin aber eine "sehr abstrakte Diskussion", die gleichwohl erbittert geführt wird. So ist es bereits mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen von B5-Besuchern auf bekannte Autonome des Flora-Lagers gekommen.

Trotzdem gehen Behörden davon aus, dass es im Falle einer vom gesamtlinken Spektrum gewiss als "Kriegserklärung" empfundenen Initiative gegen die Flora zur Solidarisierung kommen würde. Und: Auch in Berlin, wo zahlenmäßig das größte Potenzial der autonomen Szene zu mobilisieren ist, besitzt die "Flora" Strahlkraft. Längst sind die Initiativen und Gruppen so eng vernetzt, dass binnen weniger Stunden Hunderte von Unterstützern anreisen und sich der Polizei entgegenstellen könnten.

Unabhängig vom Widerstandspotenzial - eine der entscheidenden Fragen in dieser undurchsichtigen Gemengelage aus Verkaufsinteressen, Stadtplanung und Sicherheitserwägungen ist auch: Was bewegt momentan den Eigentümer der Roten Flora, Klausmartin Kretschmer? Der "Kulturinvestor", der das umkämpfte Gebäude 2001 für umgerechnet 185.000 Euro von der Stadt erworben hat, wollte sich auch gestern zu dem Thema nicht äußern. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass der 52-Jährige wirklich irgendwann zum letzten Mittel greifen wird und per Landgericht einen Räumungstitel für die Rote Flora erwirkt. Andererseits hat Kretschmer schon vor einem Jahr im Abendblatt in Richtung der "Floristen", die keinerlei Gesprächsbereitschaft signalisieren, gesagt: "Wer sich der Diskussion verschließt, muss sich nicht wundern, wenn ohne ihn entschieden wird."

Die Kommunalpolitik im Bezirk Altona hat unterdessen mit der Roten Flora eher wenig Probleme: "Das ist im Moment eigentlich eine ganz gute Situation", sagt Uwe Szczesny, CDU-Fraktionschef in Altona. Die Gewalt in dem Stadtteil gehe eben derzeit nicht von der Roten Flora aus, sondern komme von außen. Die Nutzer des Gebäudes verhielten sich ruhig - auch wenn es sich dort eher um einen "Closed Shop", um ein ziemlich abgeschottetes Haus, und weniger um ein offenes Stadtteilzentrum handele.